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Boni-Tricks des Programmchefs? Interne Dokumente zeigen, wie die RBB-Spitze ihre Ziele bei der TV-Quote frisierte

RBB-Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus setzte sich intern dafür ein, nach einem misslungenen Programmumbau die Quotenziele des Senders zu senken. Damit erhöhten sich auch seine Chancen auf Bonuszahlungen. - Copyright: Christophe Gateau/picture alliance via Getty Images
RBB-Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus setzte sich intern dafür ein, nach einem misslungenen Programmumbau die Quotenziele des Senders zu senken. Damit erhöhten sich auch seine Chancen auf Bonuszahlungen. - Copyright: Christophe Gateau/picture alliance via Getty Images

Es sah nicht gut aus für Jan Schulte-Kellinghaus, den Programmdirektor des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB). Erst sorgte der Top-Manager intern für Aufruhr, indem er im RBB-Fernsehen den Rotstift ansetzte. So strich Schulte-Kellinghaus Anfang des Jahres das Magazin "Zuhause in Berlin & Brandenburg" (ZiBB), lange ein Quotenbringer im wichtigen Vorabendprogramm. Dann erwies sich die neue Sendestrecke ohne "ZiBB" als Quotenkiller. Der RBB, mit einem Marktanteil von 6,3 Prozent bereits 2021 das Schlusslicht unter den dritten Programmen der ARD, rutschte in der Zuschauergunst noch weiter ab. In den ersten Wochen dieses Jahres fiel die von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ermittelte Quote auf 5,3 Prozent.

Eigentlich hätte das Fiasko einen spürbaren Einfluss auf die Bonuszahlung von Schulte-Kellinghaus und weiteren Führungskräften haben müssen. Doch Recherchen von Business Insider zeigen, wie der Programmchef im Frühjahr 2022 darauf drängte, die Quotenziele des öffentlich-rechtlichen Senders abzuschwächen. Ursprünglich sollte das RBB-Fernsehen im Bonuszeitraum April 2022 bis März 2023 auf einen durchschnittlichen Marktanteil von mindestens 6,4 Prozent kommen. Nach der Intervention von Schulte-Kellinghaus setzte der RBB das Quotenziel im Jahr 2022 einfach aus. Erst "im ersten Quartal 2023" sollte die Zuschauergunst wieder von Bedeutung sein.

So steht es auch in der persönlichen Zielvereinbarung des Programmdirektors, die Business Insider einsehen konnte. Auf Anfrage bestätigte Schulte-Kellinghaus, dass er wegen des Quotentiefs eine Diskussion angestoßen habe. Dabei habe er aber angeblich kein finanzielles Motiv gehabt. Vielmehr habe er die "Setzung von völlig realitätsfernen Zielen" verhindern wollen, heißt es in einer ausführlichen Stellungnahme. "Dabei ging es mir nicht um meinen Bonus, sondern um die Glaubwürdigkeit der Zielsetzung im Unternehmen."

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Der frühere NDR-Mann profitierte wie die übrige RBB-Spitze lange Zeit von einem großzügigen Bonussystem, das mittlerweile die Berliner Generalstaatsanwaltschaft beschäftigt. Für das Erreichen von Unternehmens- und Direktionszielen zahlte der RBB seinem Führungspersonal variable Gehaltsanteile. Dabei flossen auch die Marktanteile des RBB-Fernsehens in die Berechnung ein. Sie waren ein für alle Bonusempfänger geltendes Unternehmensziel. Für den Programmchef fielen sie allerdings als eigenes Direktionsziel doppelt ins Gewicht. So summierte sich die Bonuszahlung für Schulte-Kellinghaus im Jahr 2021 auf 41.143 Euro. Das zeigt eine vertrauliche Übersicht, die Business Insider vorliegt. Die hohe Summe kam zustande, weil die damaligen Quotenziele "deutlich überschritten" wurden. Für dieses Jahr drohte dagegen die Beurteilung: Mission gescheitert. Frisierte die Geschäftsleitung deshalb das Quotenziel, um mehr Geld kassieren zu können?

Rückblick: Im Januar verständigte sich die Führungsrunde zunächst auf ein durchschnittliches Quotenziel von 6,4 Prozent, das ab April für ein Jahr gelten sollte. Der neue Vorabend im RBB-Fernsehen, laut Schulte-Kellinghaus die "Primetime eines jeden dritten Programmes", erwies sich jedoch schnell als Flop. Im Frühjahr sprach der Programmchef die schwachen Marktanteile in der Geschäftsleitung an. Er wandte sich auch an die Personalchefin des RBB. Dabei ging es nach Informationen von Business Insider darum, die Bonusziele zu ändern. Danach soll Schulte-Kellinghaus in einer E-Mail an Intendantin Patricia Schleslinger darum gebeten haben, die verheerenden Quoten im laufenden Jahr aus den Zielvereinbarungen zu streichen. Angeblich begründete er dies mit dem Umbau des Vorabendprogramms und den schlechten Aussichten für die Prämien.

Schulte-Kellinghaus schildert die Abläufe ähnlich. Nur sei es ihm nicht ums Geld gegangen. Die Unternehmens- und Direktionsziele hätten auch als "hausöffentliche Orientierung für die Prioritäten der Zusammenarbeit" gedient. Das bedeutet: Auch die Beschäftigten kannten die Ziele – allerdings wussten sie nicht, dass die Bezahlung der Sender-Chefs teilweise von ihnen abhing. Ihm sei wichtig gewesen, dass man sich auf Zahlen einige, "die der aktuellen Situation des rbb Fernsehens gerecht werden und nicht abgehoben sind", so Schulte-Kellinghaus. Er habe es für ein "falsches Signal" gehalten, eine Reichweite von 6,4 Prozent als Unternehmensziel festzusetzen. Das habe er in der Geschäftsleitung und auch persönlich mit der damaligen Intendantin Patricia Schlesinger besprochen. Es sei für ihn nicht glaubwürdig gewesen, "öffentlich eine programmliche Krise mit Langfolgen zu attestieren und zugleich öffentlich die Erwartung an die Jahresmarktanteilsziele nach oben zu schrauben".

Schlesinger habe niedrigere Quotenziele "nicht akzeptieren" wollen, "wegen des öffentlichen Signals", behauptet er. Also habe er einen Marktanteil von 6,4 Prozent als Zielvorgabe vorgeschlagen, "zu erreichen im ersten Quartal 2023". Dazu habe er sich mit der RBB-Personalchefin beraten. Schlesinger sei schließlich mit dem Vorschlag einverstanden gewesen, so Schulte-Kellinghaus. Die hoch dotierten Manager erhielten bei der Quote eine Schonfrist bis 2023. Im Juli erfuhren die Mitarbeiter des Senders von der neuen Marschroute. In einer Präsentation hieß es zum "Zielbild" bei den Einschaltquoten: "Marktanteil des rbb Fernsehens im Ersten Quartal 2023 min. 6,3%."

Damals begannen die Enthüllungen von Business Insider zum RBB, auch das Bonussystem geriet in den Fokus. Mittlerweile haben die nach dem Aus für Intendantin Schlesinger und andere Führungskräfte einzig verbliebenen Direktoren, Schulte-Kellinghaus und Betriebsdirektor Christoph Augenstein, ihren Verzicht auf künftige Bonuszahlungen erklärt. Daher habe die von ihm angestoßene Herabsetzung der Quotenziele "keine finanziellen Auswirkungen für mich", betont Schulte-Kellinghaus.

Dass die übriggebliebenen Direktoren auf ihre Boni verzichten, begrüßte Interims-Intendantin Katrin Vernau in der vergangenen Woche bei einer Belegschaftsversammlung als "wichtiges Zeichen des Neuanfangs". Beschäftigte forderten von der Sender-Chefin auf Zeit jedoch, das Führungspersonal der Ära Schlesinger komplett auszutauschen. Vernau erteilte dem vorerst eine Absage. Ihr Ziel sei es nicht, „die Zahl derer zu erhöhen, die früher in RBB-Führungspositionen saßen und derzeit ohne Arbeit Gehalt beziehen“. Tatsächlich kann sich die öffentlich-rechtliche Anstalt nur mit hohen Kosten von Direktoren trennen.

Ausriss aus dem Dienstvertrag von RBB-Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus. - Copyright: Business Insider
Ausriss aus dem Dienstvertrag von RBB-Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus. - Copyright: Business Insider

Würde der RBB den Vertrag mit Schulte-Kellinghaus vorzeitig beenden, bekäme der Programmdirektor zunächst weiter sein Gehalt – und danach ein lebenslanges Ruhegeld. So ist es in seinem Dienstvertrag von 2018 nachzulesen, der im Frühjahr zu besseren Konditionen verlängert wurde. Das vertrauliche Dokument liegt Business Insider vor. Mittlerweile dürften sich die Ruhegeldansprüche von Schulte-Kellinghaus auf mehr als 117.000 Euro pro Jahr belaufen. Die Höhe der Versorgung bewegt sich bei den RBB-Direktoren zwischen 45 und maximal 60 Prozent des sogenannten Basisgehalts. Der Prozentsatz steigt mit jedem Jahr an der Senderspitze.

Im Fall von Schulte-Kellinghaus liegt das Basisgehalt, eine interne Rechengröße, nach seiner Vertragsverlängerung im März offenbar bei 235.000 Euro. Das ergibt sich aus den veröffentlichten Gehaltszahlen seines Arbeitgebers. Die Juristische Direktorin des RBB, Susann Lange, hat ebenfalls Anspruch auf ein lebenslanges Ruhegeld. Das enthüllte in der vergangenen Woche das ARD-Magazin "Kontraste". Sowohl bei Schulte-Kellinghaus als auch bei ihr enthalten die Verträge großzügige Regelungen für den Sterbefall. Dazu gehört, dass den Ehepartnern der Medienmanager 60 Prozent des Ruhegelds zustehen würden.