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Was der Billig-Baron aus dem Internet taugt

Alle Tische im Restaurant sind reserviert. Doch sobald Sie einen Platz fordern, wird ein Tisch frei. Im Hotel gibt es beim Check-In plötzlich einen höheren Service zum gleichen Preis. Und im Flugzeug sitzen Sie zwar anfangs in der zweiten Klasse – aber als das Bordpersonal Ihren Namen erfährt, führt es Sie sofort in die First Class.

Um diese Sonderbehandlung zu genießen, muss man offenbar nicht einmal eine Person des öffentlichen Lebens oder der Chef eines großen Unternehmens sein: Es genügt, einen Adelstitel für kleines Geld im Internet zu kaufen. Zumindest wollen die zahlreichen Anbieter dieser Titel das Glauben machen. "Sie werden die Vorzüge des Titels Graf zu schätzen lernen", wirbt ein Anbieter bei Amazon, der nicht nur dort mehrere Titel verkauft, sondern auch auf anderen Internetseiten immer wieder als Betreiber im Impressum aufgeführt ist.

Große Auswahl zum kleinen Preis

Die Auswahl im World Wide Web ist groß: Egal ob deutsche, irische oder schottische Namenszusätze – Titel wie Graf von Wilhelmsburg, Lord of Kerry oder Herzog von Meranien sind nicht nur in diversen Internetshops, sondern auch auf den Marktplätzen Ebay und Amazon schon ab zwölf Euro erhältlich. Zum Titel des niederen Adel dazu gibt es bei den meistern Händlern das Wappen auf einer Urkunde, eine historische Karte, angeblich gesellschaftliche Vorteile und bei manchen Anbietern auch "historisch authentische Dokumente".

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Denn viele Verkäufer werben damit, dass es sich bei den speziellen Namenszusätzen um "echte Titel vormals real existierender Familien" handelt, die solange ruhen, bis jemand anderes sie beanspruche. "Dadurch, dass wir diesen Titel anbieten und es außer uns keinen Rechteinhaber an den Namen gibt, können wir Sie in den Kreis der Adelstitelträger aufnehmen", wirbt der Anbieter, der auf mehreren Plattformen Titel vertreibt. Auf die Anfrage, woher er die Rechte für die Titel hat, hat er trotz mehrfacher Anrufe und E-Mails bis Redaktionsschluss nicht geantwortet.

Die Betreiber des Internetshops adelstitel-kauf.eu versichern auf unsere Anfrage, dass sie nur Namen von Adelsgeschlechtern nutzen, die keine lebenden Nachkommen mehr haben. "Viele der Namen werden als Markenname beim Patentamt angemeldet. Somit ist der Erwerb dieser Adelstitel und Namen durch uns erklärt", heißt es in einer schriftlichen Antwort. Zahlen über Umsätze und Bestellhäufigkeit wollen die Betreiber nicht nennen. Nur so viel: "Es bestellen mehrere Personen in der Woche Adelstitel bei uns."

Die meisten Anbieter sichern sich rechtlich ab, indem sie darauf verweisen, dass die Titel allenfalls als Zusatz zum bürgerlichen Namen genannt werden dürfen. "Die echten Titel sind nur durch Adoption, Heirat oder Erbfolge erlangbar."

Dass der Adel heute keinen vorberechtigten Stand mehr hat, das verschweigen viele Anbieter. Seit Inkrafttreten der Weimarer Verfassung im Jahr 1919, durch die der Adel als vorberechtigter Stand abgeschafft wurde, gibt es den Adelstitel als Namensteil, der anderen Rechtsregeln als bürgerliche Namen unterliegt, nicht mehr. "Seit der Aufhebung des Adels sind die Titel nun Bestandteile des bürgerlichen Namens wie Meier und Müller es sind. Sie unterliegen den gleichen Rechtsregeln", sagt Rechtsanwalt Karl Friedrich Dumoulin, der sich in seiner Dissertation mit der Adelsbezeichnung im deutschen und ausländischen Recht befasst hat.

Soll also heißen: Bürgerliche Namen werden durch Adoption, Heirat oder Erbfolge weitergegeben – und genauso funktioniert die Weitergabe von Adelstiteln. Während in Österreich die Adelstitel vollkommen abgeschafft wurden, ist es in Großbritannien üblich, dass nur der Erstgeborene den adeligen Namenszusatz erhält.

Michael Hartmann, früherer Professor für Elite- und Organisationssoziologie an der TU Darmstadt, schätzt, dass es in Deutschland noch 80.000 Angehörige mit angeborenem Adelstitel gibt. Dass der Adelstitel in Deutschland noch vorkommt, ist das Ergebnis eines historischen Kompromisses: "Man ließ den Angehörigen des vormaligen Adels zumindest ihre Bezeichnung, um sie nicht zu sehr vor den Kopf zu stoßen", weiß Dumoulin. Schließlich waren sie es über Jahrhunderte gewohnt, einer exklusiven sozialen Gruppe anzugehören, die über ihre Mitmenschen herrschte und eine Vielzahl an Vorrechten genoss.

Auch heute noch gibt es adelige Familien, die in der Öffentlichkeit als eine eigenständige soziale Schicht wahrgenommen und hoch angesehen werden. Laut Hartmann trifft dieses Phänomen vor allem noch auf den Hochadel zu, der an seinen alten Strukturen festhalte, getreu dem Motto "Hektar kommt zu Hektar". "Es ist immer noch üblich, dass die reichen Adelsangehörigen mit einem hohen Grundbesitz untereinander Ehen schließen", sagt Hartmann.


Käufer versprechen sich von Titel berufliche Vorteile

Manche lassen sich sogar gegen Zahlungen adoptieren – und machen sich dadurch möglicherweise strafbar. Sie und die Käufer von Adelstiteln erhoffen sich von dem Ansehen des Adels zu profitieren – sei es privat oder beruflich. Und wenn dieser Titel nicht gerade wie ein Fantasiename klingt, sondern nachweislich einer echten Adelsfamilie gehörte, dann erfüllen sich die Erwartungen teilweise sogar, meint Hartmann. "Wenn sich ein Jobsuchender zum Beispiel mit einem bekannten Adelstitel wie ,von Bismark' bewirbt, kann er sich sicher sein, dass er allein durch den Namen Vorteile im Verfahren hat."

Diese Vermutung bestätigt eine Befragung der Hochschule Osnabrück: Uwe Peter Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie, und Studienabsolventin Annika Herrmann haben 800 Personen die Lebensläufe adeliger und bürgerlicher Bewerber auf eine Stellenausschreibung vorgelegt. Bis auf den Namen waren die Angaben der Bewerber identisch. Das Ergebnis: Trotz gleicher Qualifikationen würde die Mehrheit laut Untersuchung eher die adeligen Bewerber einstellen – weil sie ihnen mehr Durchsetzungsvermögen und Führungsstärke zutrauen. "In der Studie spiegelt sich eine stereotype Karikatur des Adels, der zufolge entsprechende Personen offenbar schon frühzeitig Führungsverantwortung auf den Gütern ihrer Eltern übernommen haben und dabei ganze Heerscharen von Dienstboten und abhängige Pächter befehligen mussten", sagt Kanning.

Doch der Titel allein reicht nicht, um in die niederen adeligen Kreise aufgenommen zu werden – die Mitglieder müssen dem Adel auch im historischen Sinn angehören. "Der heutige Adelsstand geht von einer Fiktion des Fortbestandes der bis 1919 geltenden Regeln des Adelsrechts aus", sagt Dumoulin. Die Voraussetzung ist also, dass ein Kind der Ehe zweier Adeliger entstammt oder eine nicht dem Adel im sozialen Sinne zugehörige Frau in eine im sozialen Sinn adelige Familie einheiratet. So war es vor der Weimarer Verfassung möglich, in den damals noch existierenden rechtlichen Adelsstand zu gelangen – oder ein Fürst erhob die jeweilige Person in den Stand.

Zwar gibt es auch zahlreiche Angebote im Internet, denen zufolge es möglich ist, sich gegen Geld von einem Adeligen adoptieren zu lassen. "Für bürgerlich Geborene gelten aber besonders strenge Vorschriften, wenn sie aufgrund der Adoption durch einen Adeligen in unsere Verbände eintreten wollen“, sagt Andreas Graf von Bernstorff, der für die Öffentlichkeitsarbeit der deutschen Adelsverbände zuständig ist. Die Adoption eines bürgerlich Geborenen durch einen Adeligen werde beispielsweise nur dann anerkannt, wenn die Familie sonst ausstürbe oder die Adoption dazu dient, eine langjährige Verbindung zwischen einem Landbesitz und dem Namen einer adeligen Familie aufrechtzuerhalten.

Verbraucherschutzzentrale hält wenig von den Titeln

Die Titel, die Verbraucher für kleines Geld im Internet kaufen können, eignen sich aber in der Regel weder, um in die Adelskreise aufgenommen zu werden, noch, um berufliche Vorteile zu erlangen, weiß Georg Tryba von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Zwar werben viele Anbieter damit, dass es unter diversen Voraussetzungen möglich ist, dass die Behörden den Titel als Künstler- oder Ordensnamen in den Personalausweis eintragen, aber: "Wenn die Personen auf dem Amt sagen, dass sie den Titel für beispielsweise 50 Euro gekauft haben, reicht das nicht aus. Sie müssen den Behörden glaubhaft machen, dass sie wirklich unter diesem Namen regelmäßig auftreten", sagt Tryba.

Anbieter sollten bei der Produktbeschreibung klar und deutlich darauf hinweisen, dass es sich bei dem Titel um einen ausgestorbenen Titel oder sogar eine Fantasiebezeichnung handelt – und nicht zum Missbrauch des Produkts animieren. "Wenn Verbraucher bereit sind, Geld für solch einen Jux auszugeben, ist das erst einmal deren Sache", sagt Tryba.

Mit einer Urkunde könnten sie aber in der Regel allenfalls ihre heimischen Wände dekorieren. Und: "Oft lohnt sich der Kauf nicht, da nicht nur der Name exotisch klingt, sondern auch die Urkunde schlecht gemacht ist", sagt Tryba. Er empfiehlt stattdessen, selbst kreativ zu werden – und sich den Namen und ein Wappen selbst auszudenken. Aber auch dabei ist fraglich, ob es für ein Upgrade im Hotel oder einen First-Class-Flug reicht.