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Beispielloser Boom bei Balkonkraftwerken: „Manche wollen gleich 2.000 Anlagen“

In den vergangenen Wochen hat die Solarenergie zur Mittagszeit bei hoher Sonneneinstrahlung zeitweise die Hälfte des deutschen Stromverbrauchs gedeckt. Etwa 2,7 Millionen Solaranlagen sind hierzulande inzwischen installiert. Die bläulich glänzenden Siliziummodule befinden sich als Freiflächenanlagen auf Äckern, auf Hallendächern und auf Einfamilienhäusern. Wer aufmerksam durch die Städte geht, sieht aber auch immer mehr Mini-Kraftwerke an Balkons hängen oder auf Carports und Garagen stehen.

Die sogenannten Balkonkraftwerke erleben einen beispiellosen Boom, wie aus dem sogenannten Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur hervorgeht. Ende Juni waren im Register rund 230.000 steckerfertige Erzeugungsanlagen - so der offizielle Name – verzeichnet. 137.000 davon wurden erst im laufenden Jahr in Betrieb genommen. Der Markt hat sich in sechs Monaten also mehr als verdoppelt.

Das ist nach Einschätzung von Branchenexperte Christian Ofenheusle aber lediglich die Spitze des „Solarbergs“. Viele Nutzer hätten ihre Anlagen bei der Bundesnetzagentur nicht registriert – was eigentlich verpflichtend sei. „Nach unseren Schätzungen sind aktuell rund 800.000 Geräte am Netz“, sagt Ofenheusle gegenüber Gründerszene.

Top-Fachhändler verkauften bereits 500.000 Mini-Solaranlagen

Der Berliner betreibt die Verbraucher-Plattform MachDeinenStrom.de und hält engen Kontakt zu den wichtigsten Anbietern. Nach seinen Berechnungen haben allein die vier Top-Fachhändler Priwatt, Yuma, Alpha Solar und Bosswerk bereits knapp 500.000 Mini-Solaranlagen verkauft. Es handelt sich hierbei wohlgemerkt um Schätzungen, die auf Abfragen bei den Unternehmen beruhen. Insgesamt gibt es mehr als 100 Anbieter, darunter auch Energieversorger und Elektrofirmen. Zu den größeren Verkäufern zählen auch Maxxisun, Actec,  Solarway, Gartenkraftwerke und Myvoltaics.

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Die Stecker-Solaranlagen bestehen typischerweise aus zwei Modulen und einem Wechselrichter. Sie können einfach aufgebaut werden und speisen ihre Energie über eine Steckdose in das Hausnetz ein. Die Mini-Kraftwerke, die auch Mieter betreiben können, funktionieren zwar genauso wie die großen Anlagen auf dem Dach, sind aber im technischen Sinn eher ein stromerzeugendes Haushaltsgerät. Mit dem selbst produzierten Strom können Haushaltsgeräte wie Kühlschränke, Waschmaschine oder Fernseher betrieben werden – im Gegenzug wird weniger Strom vom Energieversorger bezogen.

Das Leipziger Unternehmen Priwatt ist im August 2020 von Kay Theuer und den Brüdern Niklas und Lukas Hoffmeier gegründet worden. Wie fast alle Anbieter bezieht Priwatt die wesentlichen Teile wie Module, Wechselrichter und  Halterungen aus China. Fast 95 Prozent der weltweiten Solar-Produktion kommt aus der Volksrepublik. Auch die Konfektionierung und den Versand der Waren hat das Unternehmen an einen Dienstleister ausgelagert. Das inzwischen 50 Mitarbeiter große Team kümmert sich vor allem um Produktentwicklung, Service und Marketing.

Extrem hohe Nachfrage nach Balkonkraftwerken sorgte 2022 für Engpässe

Durch die abrupt gestiegenen Strompreise im vergangenen Jahr erhöhte sich laut Theuer auch die Nachfrage sprunghaft. Im Sommer 2022 war Priwatt - wie andere Anbieter auch - ausverkauft. „Vor allem die Wechselrichter fehlten“, erläutert Theuer. Inzwischen seien die Engpässe weitgehend beseitigt. Nach seinen Angaben liefern die Balkonanlagen etwa zehn bis 15 Prozent der Strommenge, die ein Haushalt verbraucht. „Nicht nur der Strompreis, auch der Nachhaltigkeitsgedanke spielt bei vielen Käufern zunehmend eine Rolle“, so Theuer.

Zwischen Priwatt und Yuma gibt es viele Parallelen. Auch der Kölner Anbieter wurde 2020 von drei Gründern aus der Taufe gehoben: David Breuer, Gerome Körbel und Sebastian Berben. „Der Markt entwickelt sich rasant“, sagt Berben. Allein in diesem Jahr geht er von einer Verdreifachung aus. Wie die meisten Wettbewerber auch verkauft Yuma den Großteil der Anlagen nicht an Mieter, sondern Hauseigentümer. „Viele stellen sich die Anlagen auf den Carport“, so Berben. „Sie wollen erst mal Erfahrung mit der Solartechnik sammeln“. Nach seinen Angaben werden auch größere Wohnungsunternehmen wichtige Kunden. „Es kommen Anfragen von Gesellschaften, die gleich 2.000 Anlagen wollen“, so Berben. Yuma hat inzwischen 52 Mitarbeiter.

Besitzer haben Investitionskosten nach vier Jahren rausgeholt

Das Unternehmen Alpha Solar aus Hallbergmoos (Bayern) gibt es seit 2018. Es ist breiter aufgestellt, und bietet neben Balkonkraftwerken unter anderem auch größere Solar-Dachanlagen und  Wärmepumpen an. Das Unternehmen mit mehr als 40 Mitarbeitern liefert an Endkunden wie auch an Gewerbebetriebe. Geschäftsführer Reinhard Bege hat in der Vergangenheit immer wieder betont, dass sein Unternehmen die Kunden „bei der persönlichen Energiewende“ unterstützen will.

Das gelingt auch immer besser. Die Mini-Solarkraftwerke kosten nur einige hundert Euro. Aufgrund gestiegener Strompreise haben sich die Anschaffungskosten inzwischen in der Regel in vier bis sechs Jahren amortisiert. Das heißt: Danach ist jede eingespeiste Kilowattstunde ein Gewinn für den Nutzer.

Bosswerk mit Sitz in Nettetal (Nordrhein-Westfalen) ist relativ wenig bekannt. Auch eine Gründerszene-Anfrage blieb unbeantwortet. Laut Homepage  beliefert das Unternehmen mit 100 Mitarbeitern mehr als 500 Händler mit Solartechnik. Bosswerk ist vor allem auf den Vertrieb von chinesischen Wechselrichtern der Firma Deye spezialisiert. Unter der Marke Green-Akku werden auch Balkonkraftwerke verkauft. Dabei wird auch mit einem Installationsservice geworben.

Aldi und Lidl steigen mit eigenen Mini-Anlagen in Markt ein

Zur Jahresmitte 2023 sind auch die deutschen Lebensmittel-Discounter Lidl, Aldi und Netto in das Geschäft eingestiegen. So bietet Lidl eine 150-Watt-Anlage inklusive eines Montagesystems an. Obwohl die Angebote preisgünstig sind, empfehlen Experten vor dem Kauf, sie genau zu prüfen. Balkonkraftwerk-Experte Ofenheusle bemängelt beispielsweise „fehlende beziehungsweise unsichere Montagelösungen“. Auch die Qualität der Bauteile hält er „vielfach für schlecht“.

Was zeichnet nun die Marktführer aus, deren Produkte relativ austauschbar sind? Nach Ofenheusles Ansicht profitieren sie von ihrem „Pionier-Bonus“. Vertrauen und Empfehlungen seien wichtige Faktoren. Noch wichtiger ist nach seiner Einschätzung aber der Service: Es gebe gut durchdachte Angebote, welche die Kunden von der Auswahl der Montagelösung bis zum Anmeldeservice begleiten. „Alle haben leistungsfähige Online-Shops und präsentieren sich gut“, so Ofenheusle.

Trotz des starken Wachstums sind die Mini-Anlagen bisher noch nicht stark verbreitet. Laut Bundesnetzagentur kommen im Bundesdurchschnitt auf 1000 Einwohner erst 2,7 registrierten Anlagen. Anbieter wie Priwatt oder Yuma sehen noch ein hohes Marktpotenzial. Die Politik unterstützt auch das Wachstum. Anfang des Jahres entfiel die Mehrwertsteuer auf die Mini-Kraftwerke, ab 2024 soll die Leistungsgrenze der Anlagen von 600 auf 800 Watt angehoben werden. Branchenkenner Ofenheusle rechnet mit zehn Millionen Balkonkraftwerke bis 2030. Alle großen Anbieter arbeiten an Innovationen wie etwa Speicher, Einrichtungen zur Überwachung des Stromkreises und gemeinschaftlicher Eigenversorgung. Die Geschäftsführer von Priwatt und Yuma sehen die Grenzen zu klassischen Solar-Anlagen zusehend verschwimmen. Kurz: Die Händler von Mini-Kraftwerken arbeiten daran, auch größere Anlagen anzubieten, die aber auch einfach aufzubauen sind.

Setzt für sein Energie-Startup auf frühere Weggefährten von Tesla und Sonnen: 1Komma5°-Gründer Philipp Schröder.
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