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Bayer zurrt Einigung mit Glyphosat-Klägern fest

Der Aufsichtsrat soll noch in dieser Woche einem milliardenschweren Vergleich zustimmen. Der Aktienkurs des Leverkusener Konzerns springt hoch.

Die Bayer AG steht unmittelbar vor einem milliardenschweren Vergleich mit den Glyphosat-Klägern in den USA. Das erfuhr das Handelsblatt aus Kreisen der Verhandlungspartner und des Unternehmens.

Danach liegt eine unterschriftsreife Einigung vor, über die noch der Aufsichtsrat des Leverkusener Konzerns beraten und abstimmen muss. Das soll in den kommenden Tagen erfolgen, wie es in den Kreisen weiter heißt. Noch in dieser Woche sei die Bekanntgabe geplant. Bayer wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern.

Die Höhe des Vergleichs soll bei der zuletzt kolportierten Summe von acht bis zehn Milliarden Dollar liegen. Zwei Milliarden Dollar davon gelten als „Rücklage“, mit der Bayer die Ansprüche künftiger Kläger begleichen kann.

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Mit dem Rest werden die gesamten in den USA anhängigen Klagen von Nutzern des umstrittenen Unkrautvernichters beigelegt, die das glyphosathaltige Mittel Roundup für ihre Krebserkrankung verantwortlich machen. Die Zahl lag zuletzt bei mehr als 50.000.

Damit kommen die seit Spätsommer 2019 laufenden Gespräche über eine außergerichtliche Einigung im Fall Glyphosat zu einem Ende. Sie hatten sich zuletzt wegen der Corona-Pandemie hingezogen. Hinzu kam, dass zunächst nicht alle großen Klägerkanzleien in den USA der Einigung zustimmten.

Das ist nun aber offenbar der Fall, denn es handelt sich den Kreisen zufolge um eine landesweite Einigung. Die Vergleichssumme liegt innerhalb der Erwartung der meisten Analysten. Viele von ihnen gehen davon aus, dass die Bayer-Aktie selbst bei einem solch teuren Vergleich Auftrieb bekommen könnte. Am Dienstag reagierte der Aktienkurs bereits mit einem deutlichen Sprung nach oben: Bayer-Titel notierten am Mittag um fünf Prozent höher bei 72,50 Euro.

Denn Befürchtungen, dass Bayer die Lösung der Causa Glyphosat möglicherweise 20 Milliarden Dollar kosten könnte, wären dann vom Tisch. Das Risiko durch die Klagewelle lastet seit beinahe zwei Jahren schwer auf dem Aktienkurs des Konzerns.

Mit der Einigung könnte Bayer endlich ein leidiges und teures Kapitel abschließen, das mit der Übernahme von Monsanto vor zwei Jahren begonnen hat. Mit dem 63 Milliarden Dollar schweren Kauf hatten sich die Deutschen auch die kompletten Rechtsrisiken des umstrittenen Saatgutkonzerns eingefangen.

Bayer kommt mit Argumentation vor Gericht nicht durch

Zum Zeitpunkt der Übernahme im Juni 2018 lagen erst vergleichsweise wenige Klagen von krebskranken Amerikanerinnen und Amerikanern gegen Monsanto vor. Bayer setzte in der dann beginnenden Auseinandersetzung mit den Klägeranwälten zunächst auf eine harte Verteidigungsstrategie vor Gericht.

Sie fußte auf den Einstufungen der Zulassungsbehörden in den USA, Europa und Asien, die Glyphosat für sicher halten und keinen Beleg für eine Krebsgefahr durch den Unkrautvernichter sehen. Doch damit kam Bayer zur eigenen Überraschung vor den Jurys in drei Prozessen zwischen August 2018 und Mai 2019 nicht durch.

Auch die Überprüfung der Geschworenen-Urteile durch die Gerichte in erster Instanz fiel nicht nach der Vorstellung von Bayer aus. Die Richter senkten zwar die horrend hohen Schadensersatzsummen – im dritten Prozess sollte Bayer nach Willen der Jury zwei Milliarden Dollar an die beiden Kläger zahlen. An dem grundsätzlichen Urteil, nach dem Glyphosat eine signifikante Ursache für die Krebserkrankungen trage, rüttelten sie aber nicht. Nach drei klar verlorenen Prozessen zeichnete sich ab, dass Bayer mit der wissenschaftlich basierten Argumentation in erster Instanz vor Gericht nicht erfolgreich ist.

Im Frühsommer 2019 wechselte Bayer die Strategie und ließ sich auf Gespräche mit den Klägeranwälten über eine außergerichtliche Beilegung ein. Angelockt von den Schadensersatz-Urteilen in zweistelliger Millionenhöhe pro Fall, war da die Zahl der Klagen bereits auf mehr als 18.000 gestiegen.

Der Schwenk von Bayer kam allerdings nicht freiwillig. Zum einen machten Investoren wie der US-Hedgefonds Elliott Druck. Zum anderen hatte ein Richter aus San Francisco im Mai 2019 den erfahrenen Mediator Kenneth Feinberg eingesetzt, um zwischen den Zigtausenden Klägern und dem Monsanto-Käufer Bayer zu vermitteln.

Feinberg hatte in der Vergangenheit unter anderem schon die Vermittlungen für die Entschädigung der 9/11-Opfer geleitet und auch beim VW-Abgasskandal vermittelt. An einer Einigung war prinzipiell beiden Seiten gelegen: Bayer wollte sich des Themas entledigen und aus den Negativschlagzeilen kommen.

Die Klägeranwälte wiederum waren nicht an einer endlosen Prozessführung interessiert, weil die teuer und aufwendig ist. Sie wissen – ebenso wie Bayer -, dass bei Produkthaftungsklagen im US-Recht am Ende meist ein Vergleich steht. Doch der ist nicht einfach zu finden.

Die Roundup-Verhandlungen waren kompliziert und langwierig, auch weil die beiden Seiten sich auf zahlreiche Kategorien für die unterschiedlichen Entschädigungen einigen mussten.

So hängt die Höhe der nun gezahlten Entschädigungen von der Schwere der Krankheit ebenso ab wie davon, ob jemand Roundup nur in seinem Vorgarten genutzt hat oder als Landschaftsgärtner eines städtischen Parks. Die Summe, die den verschiedenen Klägern zugesprochen wird, kann von einigen Tausend Dollar bis zu mehreren Millionen reichen.

Parallel zu den Vergleichsverhandlungen hatte Bayer die bereits laufenden Klagen in die nächste Instanz weitergeführt. Erst Anfang Juni hatte der Berufungsprozess für den ersten Roundup-Prozess begonnen, in dem der schwer an Krebs erkrankte Platzwart Dewayne Johnson geklagt hatte.

In der ersten Instanz hatte eine Jury im August 2018 Bayer zu einem Schadensersatz plus Zusatzstrafen in Höhe von 289 Millionen Dollar verurteilt, was das Gericht später auf 79 Millionen Dollar reduziert hatte.

Eine neue Klagewelle verhindern

In dem Berufungsprozess geht es in erster Linie um die Höhe des Schadensersatzes und nicht um die Schuldfrage an sich. Das liegt auch daran, dass Jury-Urteile zur Schuld im amerikanischen Justiz-System einen hohen Stellenwert haben. Bayer erhofft sich von den Berufungsrichtern hingegen ein Urteil im Sinne des Konzerns.

Doch die erste Anhörung in der Berufung Anfang Juni war kein großer Erfolg für die Leverkusener. Ihr Anwalt David Axelrad hatte argumentiert, dass Monsanto nicht vor Krebsfolgen hatte warnen müssen, weil die amerikanische Umweltbehörde EPA und andere Regulierungsbehörden weltweit Roundup als sicher eingestuft hatten.

Einer der Richter hingegen verwies auf die von den Klägern vorgelegten Studien, die einen statistisch relevanten Zusammenhang zwischen Lymphdrüsenkrebs und Glyphosat nahelegten. „Die Aufsichtsbehörden scheinen klar auf einer Seite zu stehen. Aber es gibt viele Belege für die andere“, sagte der Richter in der per Telefonkonferenz abgehaltenen Anhörung.

Ob die ersten Signale aus dem Berufungsprozess die parallelen Vergleichsgespräche beeinflussten, ist unklar. Schon zuvor hatte sich abgezeichnet, dass Bayer noch vor dem Sommer eine Lösung in der Causa Glyphosat sucht.

Vorstandsvorsitzender Werner Baumann hatte mehrfach betont, dass Bayer nur eine Einigung annimmt, die für den Konzern wirtschaftlich vertretbar und hinreichend abschließend ist – die also eine erneute große Klagewelle verhindern kann. Eine solche Lösung scheint nun gefunden.

Für Bayer ist das glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel Roundup ein wichtiger Umsatzbringer. Es wird zum überwiegenden Teil an Farmer verkauft, die es in Verbindung mit gentechnisch verändertem Saatgut einsetzen. Der kleinere Teil des Geschäfts entfällt auf die Unkrautbeseitigung in Gärten von Privatanwendern. Sie stellen aber den Großteil der Kläger.

Für die weitere Vermarktung von Roundup ist es für Bayer wichtig, dass das Produktlabel nicht mit einem Warnhinweis wegen möglicher Krebsgefahr versehen werden muss. Denn diese Krebsgefahr bestreitet Bayer weiterhin. Auch der außergerichtliche Vergleich ist nicht als ein Schuldeingeständnis in dieser Frage zu werten, denn jedes Eingeständnis wird in derartigen Verträgen explizit ausgeschlossen.

Kein Warnhinweis nötig

Was das Produktlabel von Glyphosat angeht, bekommt Bayer in den USA Unterstützung von Seiten des Justiz. Am Montag urteilte ein Bundesgericht im kalifornischen Sacramento, dass der Konzern auf dem „Beipackzettel“ des Unkrautvernichters nicht vor einer Krebsgefahr warnen muss. Der Bundesstaat Kalifornien hatte dies zuvor angeordnet.

Dazu hatte die kalifornische Regierung aber offensichtlich kein Recht. Denn die Formulierung des Roundup-Produktlabels ist in den USA eine Bundesangelegenheit, die von der Umweltbehörde EPA wahrgenommen wird. Die EPA aber sieht keine Anhaltspunkte für eine Krebsgefahr von Roundup und lehnt deshalb entsprechende Verpflichtungen zu Warnhinweisen ab.

Ob Glyphosat nun krebserregend ist oder nicht, ist nicht abschließend geklärt. Die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation, IARC, hatte 2015 den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft, also in der gleichen Kategorie wie rotes Fleisch und Mate-Tee. Hingegen sehen sämtliche großen Zulassungsbehörden kein Risiko beim sachgemäßen Gebrauch des Unkrautvernichters.