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„Die Alternative zum Sterben ist Weitermachen“

Gao Jifan, Chef des weltgrößten Photovoltaikkonzerns Trina Solar, erklärt Solarworld für tot. Firmengründer Frank Asbeck wehrt sich. China habe ihn ausspioniert, agiere mit unfairen Praktiken. Er will weiter kämpfen.

Frank Asbeck ist ein begeisterter Zeitungsleser. Aber ein Interview im Handelsblatt hat dem ansonsten so fröhlichen Gründer von Solarworld heute schon früh am Morgen den Tag vermiest. „Solarworld wird sterben. Die Frage ist nur, wann“, hatte sein chinesischer Erzfeind Gao Jifan in diesem Interview prophezeit. Der Chef des weltgrößten Photovoltaikkonzerns Trina Solar sieht den Bonner Konkurrenten Solarworld als eine „Firma ohne jede Wettbewerbsfähigkeit“. Asbeck selbst sei „arrogant“. Jetzt schlägt der deutsche Ökopionier zurück.

In dem Artikel sei viel über die führende Stellung der Chinesen im Solarsektor und deren Know-how zu lesen gewesen, erklärte Asbeck. Er frage sich aber, warum die Chinesen es dann nötig hätten, seine Solarworld „über Militärhacker ausspähen zu lassen“? Die „Lauschangriffe“ von Trina, Yingli Solar und Co. würden im Gegenteil beweisen, dass Deutschlands letzter großer Solarmodulhersteller weiterhin technologisch „vorne“ sei.

Solarworld ist schwer angeschlagen. Bei der Bilanzpressekonferenz des Konzerns am Mittwoch in Bonn zeigte sich das ganze Ausmaß der Misere. Zwar ist der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr leicht angestiegen – auf 803 Millionen Euro. Aber der Verlust hat sich mit gut 92 Millionen beinahe verdreifacht. Im Tagesgeschäft verdient Solarworld kein Geld, der Konzern verbrennt es. Die liquiden Mittel sind binnen eines Jahres um 100 Millionen Euro abgeschmolzen. Solarworld hat aktuell nur noch ein Kapitalpolster in der Höhe von 88 Millionen Euro zur Verfügung.

Die Situation in Bonn ist dramatisch. Die Gesamtrisikolage von Solarworld hat sich gegenüber dem Vorjahr „erhöht“, heißt es im Konzernbericht. Konkret verschärft haben sich die politischen und regulatorische Rahmenbedingungen (gekappte Förderungen), die Risiken das alternative Technologien jene von Solarworld vom Markt verdrängen könnten, die Risiken aus der Verstärkung des Wettbewerbs (bröckelnde Marktanteile, Margendruck), die Risiken, dass wegen des verstärkten Preisdrucks manche Lieferanten nur noch gegen Vorkasse oder Garantien liefern, die Risiken, dass die Nachfrage nach Produkten von Solarworld insgesamt nachlässt, die Personalrisiken (höhere Fluktuation) und schließlich die Liquiditätsrisiken.

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Sollte Solarworld einen dauerhaft negativen operativen Cashflow erzielen, könnte dies kurz bis mittelfristig „bis hin zur Bestandsgefährdung führen“, heißt es im Konzernbericht. Insgesamt schätzt der fünfköpfige Solarworld-Vorstand die Risikolage des Unternehmens als „sehr hoch“ ein. Für die „grauenvollen Geschäftszahlen“ macht Konzernchef Asbeck Firmen wie Trina Solar verantwortlich.

„Die Chinesen haben uns frontal angegriffen“, wettert Deutschlands Sonnenkönig gegen die Wettbewerber aus Fernost. Mithilfe unbegrenzter Staatskredite hätten die Chinesen Module und Zellen unter Herstellungskosten auf den Weltmarkt geschleudert, um westliche Konkurrenten aus dem Markt zu drängen. In Folge seien die Preise für Paneele um bis zu 30 Prozent eingebrochen. Gleichzeitig schoss bei Solarworld die Nettoverschuldung von 217 Millionen Euro auf derzeit 302 Millionen Euro in die Höhe.

Was kann Solarworld gegen die „unfairen Handelspraktiken“ der Chinesen tun, fragt Asbeck? Nach einer Kunstpause gibt er grau gelockte Unternehmer im Trachtenjanker selbst die Antwort: „Die Alternative zum Sterben ist Weitermachen“. Er will seinen Konzern gesundsparen. Konkret streicht Solarworld mehr als jede zehnte Stelle. Von den aktuell etwa 3.300 Mitarbeitern müssen bis 2019 rund 400 Beschäftigte gehen. Der Personalabbau soll zu gleichen Teilen in der Verwaltung und in den drei Produktionswerken erfolgen.

Statt wie bisher technologisch zweigleisig zu fahren, fokussiert sich Solarworld zudem künftig darauf, ausschließlich Photovoltaikpaneele auf Basis von monokristallinen Solarzellen zu produzieren. Die andere Ausgangstechnologie – multikristalline Zellen – wird aufgegeben, da diese einen geringen Stromertrag bei der Umwandlung von Sonnenlicht versprechen.


Anti-Dumping-Zölle gegen Chinesen

Asbeck will sich gegen die Chinesen zudem mit Anti-Dumping-Zöllen zur Wehr setzen. Auf sein Treiben hin hat die EU-Kommission jüngst die bestehenden Handelsbarrieren auf chinesische Solarprodukte um 18 Monate verlängert. In Europa bestehen seit 2013 Mindestpreise auf chinesische Solarmodule- und Zellen. Wer sich nicht an die Mindestpreise hält, wird mit Strafzöllen bedacht. Solarworld-Chef Asbeck wirft Konkurrenten wie Trina Solar aber vor, diese Regelungen zu unterlaufen.

China würde systematisch versuchen, mit unlauteren Praktiken künftige Schlüsselindustrien an sich zu reißen. „Wir haben 70.000 Arbeitsplätze in Europa durch chinesisches Dumping verloren“, ätzt Asbeck. Der Ökopionier warnt: Die Solarindustrie sei erst der Anfang. „Hier wird eine Hegemonialisierung in Schlüsselbereichen der Industrie vorgenommen“, sagt Asbeck. Er fürchtet, dass China in der Batterieindustrie, die für Elektroautos entscheidend ist, ebenfalls eine dominante Rolle anstrebt. In der Folge würden wir „frappierende Angriffe auf die deutsche Automobilindustrie“ erleben, prophezeit Asbeck. Er sieht sich als Vorkämpfer für „freien, fairen Wettbewerb“.

Asbecks größtes Problem im Überlebenskampf ist aber die mangelnde Größe von Solarworld. Die jährliche Fertigungskapazität der Bonner ist vier Mal geringer als jene des Marktführers Trina Solar. Die Preisschlacht im Photovoltaikmarkt wird aber über die produzierte Masse gewonnen. Je größer die Produktion, desto geringer sind die Stückkosten. Skaleneffekte bringen zudem Vorteile im Einkauf. Solarworld-Chef Asbeck weiß das. Er will bis 2019 die jährliche Fertigungskapazität von 1,5 auf 2 Gigawatt steigern. Sein Ziel: Im Jahr 2019 „ein sichtbar positives Ebit zu erreichen“, sagt Asbeck. Für das kommende Jahr erwartet er hingegen erneut einen Verlust.

Arash Roshan Zamir ist aber skeptisch, ob Solarworld überhaupt bis 2019 durchhält. Denn das Umfeld für den Konzern bleibe „enorm schwierig“, sagt der Analyst von Warburg Research. „Der Preisverfall auch bei monokristallinen Solarmodulen hält an“, erläutert Roshan Zamir. Götz Fischbeck, Chef der Beratungsfirma Smart Solar Consulting, fürchtet gar, dass der globale Solarmarkt 2017 erstmals in der Geschichte nicht wachsen könnte. „Es wäre ein Novum, hängt aber davon ab, ob China den Zubau, wie angekündigt, tatsächlich beschränkt“, sagt Fischbeck. Tritt dieses Szenario ein, würden die Modulpreise wohl auch dieses Jahr drastisch einbrechen. Für Solarworld wird es aber auch unabhängig davon eng – spätestens 2019.

In zwei Jahren muss Solarworld 377 Millionen Euro an Anleihen und Darlehen zurückzahlen. Aus dem Tagesgeschäft kann Solarworld diese Summe wohl nicht stemmen. Und ob die Bonner eine Bank finden, die der Firma einen Anschlusskredit gewährt, ist ebenso fraglich. „Eine reguläre Refinanzierung halte ich aus heutiger Sicht für kaum realistisch“, sagt Fischbeck. Der Solarexperte macht den Solarworld-Anlegern kaum Hoffnung: „Im Zweifel ist ein erneuter Schuldenschnitt wahrscheinlicher“. 2013 mussten die Solarworld-Eigner auf 95 Prozent ihres Kapitals verzichten, um die hochverschuldete Firma zu retten.

Solarworlds Fortbestand wird zudem durch einen Rechtsstreit gefährdet. Im Sommer 2016 verdonnerte ein US-Gericht Solarworld in einem erstinstanzlichen Urteil dazu, umgerechnet 720 Millionen Euro Schadensersatz an den Siliziumhersteller Hemlock Semiconductor wegen nicht eingehaltener Lieferverträge zu zahlen. Solarworld hat dagegen Berufung eingelegt.

2017 dürfte nun das entscheidende Urteil in zweiter Instanz gefällt werden. Sollte dieser Richterspruch abermals negativ für Solarworld ausfallen, droht dem Konzern die Insolvenz. Solarworld-Chef Asbeck machte seinen Anlegern aber zumindest in diesem Punkt jetzt Hoffnung. Erst vergangenen Freitag habe Solarworld das letzte Mal mit Hemlock gesprochen. „Wir sind in sehr ordentlichen Gesprächen auf Führungsebene“, sagte Asbeck. Dabei sei er sich mit Hemlock einig, dass „wir eine freundschaftliche Lösung herbeiführen werden“.

Ein Vergleich mit Hemlock dürfte aber teuer werden. In der Vergangenheit musste Solarworld für Vergleiche mit mehreren Siliziumlieferanten oder Wertberichtigungen von Anzahlungen an Siliziumlieferanten „in Summe mehr als 200 Millionen Euro an Verlusten hinnehmen“, analysiert Solarexperte Fischbeck.