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„Accounts sofort löschen“ – Silicon-Valley-Größe Lanier rechnet mit Facebook und Google ab

Auf der Cebit in Hannover prangert Buchautor Jaron Lanier das Geschäftsmodell der Internetkonzerne an. Es ist ein Weckruf in brisanten Zeiten.

Als ein junger Mann noch ein Selfie mit ihm machen will, dreht bei Jaron Lanier die Stimmung. „No, no!“, ruft Lanier, der mit seinen langen Rastalocken zweifellos ein hervorragendes Fotomotiv abgibt. Dazu wirbelt er kräftig mit den Armen.

Geduldig hat der Amerikaner aus Berkeley bei San Francisco bei der Technologiemesse Cebit ein Buch nach dem anderen signiert. Doch den Wunsch eines Messebesuchers in Hannover schlägt Lanier ab. Er kann sich denken, wo das Selfie sonst landen dürfte: auf Facebook, Twitter oder Instagram. Und das wäre so gar nicht in Laniers Sinne.

„Zehn Gründe, warum du deine Social-Media-Accounts sofort löschen musst“: So heißt Laniers neuestes Buch. Seit knapp einer Woche ist es auf Deutsch erhältlich, 204 hastig zusammengeschriebene Seiten mit einer unmissverständlichen Botschaft: Facebook und Co. zersetzen unsere Gesellschaft, weil sie uns manipulieren und süchtig machen.

Dahinter steckt mehr als die Mahnung eines Aussteigers. Jaron Lanier ist in den USA und auch hierzulande kein Unbekannter. 2014 gewann er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Er gilt als Virtual-Reality-Pionier und einflussreiche Stimme im Silicon Valley. Kürzlich war er schon bei der Ted Conference in Vancouver zu Gast.

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Nun hat man ihn auch zur Cebit eingeladen. Lanier darf sogar als Erster auf die Bühne. Er selbst, das sagt er gleich zu Beginn, ist in keinem sozialen Netzwerk vertreten. Es gibt zwar Accounts unter seinem Namen, doch die seien allesamt „Fake“.

Und noch etwas stellt Lanier klar: Er sei kein Gegner der großen Internetkonzerne. „Ich liebe das Silicon Valley“, sagt er. Etliche seiner Freunde arbeiteten bei Google. „Ich habe selbst eine Firma an Google verkauft.“

Er sei auch nicht pauschal gegen das Geschäft mit Werbung. „Aber was als Werbung begann, hat sich in massive Überwachung und ausgefeilte Methoden zur Verhaltensmanipulation gewandelt“, sagt Lanier.

Was genau ihm so große Angst macht, ist nicht allein die Datensammelwut von Facebook und Google. Es ist das, was schlaue Algorithmen und böswillige Programmierer mit diesen Daten anstellen. „Wir sind so sehr daran gewöhnt, dass wir nicht mehr merken, wie bizarr und krank das ist“, sagt Lanier in Hannover.

Alles schon mal gehört, könnte man meinen. Doch der 48-Jährige klagt nicht bloß an. Lanier, der für Microsoft arbeitet, unterfüttert seine Analyse mit Erkenntnissen aus Computerwissenschaft und Psychologie.

So legt er etwa dar, dass negative Emotionen beim Menschen schneller hervorzurufen seien als positive. Deshalb neigten die auf rasche Weiterentwicklung programmierten Algorithmen eher dazu, Gefühle wie Wut und Paranoia bei den Nutzern zu bedienen. Algorithmen steuern etwa den Nachrichtenstrom bei Facebook.

Laniers neuestes Werk ist als Weckruf gedacht. Ein Weckruf an alle, die, wie Lanier flehentlich zu verstehen gibt, die größte Gefahr hinter dem Geschäftsmodell von Facebook und Google noch immer nicht erkannt hätten: dass die Nutzer ihren freien Willen verlieren.

„Es scheint, dass dies gerade mein eigenes Land zerstört“, sagt der Amerikaner. Er spielt damit zum Beispiel auf die Präsidentschaftswahlen vor zwei Jahren an. Mehrere russische Staatsbürger und Firmen sind in den USA angeklagt, Einfluss auf die Wahl genommen zu haben – auch mittels sozialer Medien.

Ohnehin könnte das Timing für sein Buch – wenn auch unbeabsichtigt – kaum besser sein. Facebook ringt mit einem Datenskandal: Das mittlerweile insolvente Datenanalyse-Unternehmen Cambridge Analytica war an Millionen Nutzerdaten gelangt.

Als das im Frühjahr bekannt wurde, war Laniers Manuskript längst fertig, „aber die bisherigen Ereignisse im Jahr 2018 sind für meine Thesen extrem relevant und brisant“, wie Lanier in einem Nachtrag schreibt.

Und die Lösung? Die soeben EU-weit in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung könne nur ein erster Schritt sein. Um die Kontrolle über die Daten zurückzugewinnen, sollten die Nutzer – so ein Vorschlag Laniers – künftig für das Angebot zahlen.

Doch bis sich das Geschäftsmodell von Facebook und Google eines Tages geändert habe, helfe nur ein radikaler Schritt: von allen Plattformen abmelden. „Ich habe keine Ahnung“, sagt Lanier, „wo das sonst noch hinführt.“