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„Die EU wird uns keinen besseren Deal geben“

Die Europäer haben den Ausstiegsvertrag abgesegnet. Dennoch steht die britische Premierministerin vor einer großen Herausforderung: Sie muss den Kompromiss im Unterhaus durchsetzen.

Spanien sorgte am Schluss noch für Aufregung, doch auch die Vetodrohung im Streit um Gibraltar konnte den Brexit-Deal nicht mehr aufhalten. Die britische Premierministerin Theresa May konnte am Sonntag zufrieden sein: Sie hat ihn tatsächlich ausgehandelt, den Austritt des Landes aus der EU.

Die Brüsseler Vertragsunterzeichnung ist dabei nur Ouvertüre. Das Drama folgt im britischen Unterhaus. Mitte Dezember stimmen die 650 Abgeordneten über das Brexit-Paket ab, und bisher zeichnet sich keine Mehrheit für den Ausstiegsvertrag ab.

Wie schwierig es wird, bekam May bereits im Parlament zu spüren: In zwei hitzigen Debatten arbeiteten sich die Abgeordneten an dem 585-seitigen Ausstiegsvertrag und der zusätzlichen politischen Erklärung ab. Die Premierministerin habe schlecht verhandelt und das stolze Königreich zum Befehlsempfänger Brüssels degradiert, lautet die einhellige Kritik aus beiden Brexit-Lagern.

Mehr als 80 Konservative haben angekündigt, mit Nein stimmen zu wollen. Wenn auch die Opposition geschlossen bleibt, wäre der Brexit-Deal gestorben.

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Damit ist das Szenario vom ungeordneten Brexit immer noch möglich. Für die Wirtschaft auf beiden Seiten des Ärmelkanals wäre es das Worst-Case-Szenario: Ohne den Ausstiegsvertrag fiele die vereinbarte Übergangsperiode bis Ende 2020 weg. Großbritannien würde sich am 29. März 2019 über Nacht außerhalb von Binnenmarkt und Zollunion wiederfinden.

Viele Regierungen und Unternehmen planen deshalb schon länger für den Ernstfall. Es drohen Lastwagenstaus an der Grenze, Störungen im Flugverkehr und Medikamentenengpässe in britischen Krankenhäusern.

„Die Chancen, dass das Parlament den Deal im ersten Anlauf verabschiedet, stehen im besten Fall 50:50“, schätzt Rupert Harrison, Fondsmanager bei Blackrock und Ex-Stabschef im britischen Finanzministerium. Er geht davon aus, dass May zwei Anläufe im Unterhaus benötigt. Fiele der Vertrag ein weiteres Mal durch, würde das Unterhaus wahrscheinlich in Brüssel um Aufschub bitten und den Brexit-Stichtag weiter hinausschieben. „Niemand weiß, was dann passiert“, so Harrison.

Die Einigung von Brüssel beruhigt auch die deutsche Wirtschaft nicht komplett. „Der ,No Deal‘ ist noch nicht ausgeräumt“, warnt etwa DIHK-Präsident Eric Schweitzer. „Bei etlichen deutschen Unternehmen wachsen die Sorgen darüber deutlich.“ Schon jetzt werfe der Brexit seinen Schatten voraus: Die Ausfuhren von Deutschland nach Großbritannien seien dieses Jahr um fast vier Prozent zurückgegangen, entgegen dem sonstigen EU-Trend der deutschen Exporte. Die britische Regierung will diese Woche neue Berechnungen veröffentlichen, wie groß der wirtschaftliche Schaden eines „No Deal“ genau wäre.

„Es gibt überhaupt keine Klarheit, wie die Diskussion am Ende ausgehen wird“, klagt auch ein Sprecher der Fluggesellschaft Lufthansa.

Man bereite sich weiterhin auf verschiedene Szenarien vor – auch auf einen ungeordneten Brexit. Viele Firmen hätten dann ein Problem. „Wer sich alle Optionen bis heute offenhält“, sagt Michael Wallraven von der Software-Beratungsfirma Llamasoft, „dem bleibt nicht mehr genügend Vorlaufzeit, seine Lieferkette im Notfall umzukrempeln.“

Derweil kämpfen im Unterhaus weiterhin Ratio und politische Leidenschaft gegeneinander. Am Wochenende lud die nordirische DUP ausgerechnet Mays Erzrivalen und Brexit-Hardliner Boris Johnson als Hauptredner ein. Bislang hatten die zehn DUP-Abgeordneten im Unterhaus Mays Minderheitsregierung gestützt, seit dem Brüsseler Deal steuern sie auf Konfrontationskurs.

Statt eines besinnlichen Advents stehen der Premierministerin nun nervenaufreibende Wochen bevor. May setzt darauf, dass sie die Zahl der Tory-Rebellen auf etwa 20 drücken kann. Die „Whips“, die Einpeitscher der Fraktionsführung, arbeiten mit allen Tricks: Sie drohen mit Liebesentzug im nächsten Wahlkampf oder bieten Posten und Titel an.

Der Brexiteer John Hayes etwa bekam gerade ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk und darf sich künftig Sir nennen. Normalerweise werden Ritterwürden erst an Neujahr verkündet. Auf Sir John kann May also wohl zählen.

„Wenn der Deal nicht durchkommt, stehen wir wieder ganz am Anfang, nur mit mehr Uneinigkeit und Unsicherheit“, warnt May. „Die EU wird uns keinen besseren Deal geben.“ Sie mahnt die Abgeordneten, an die Arbeitsplätze ihrer Wähler und die Zukunft ihrer Kinder zu denken. Mit dieser Haltung trifft sie einen Nerv, ihre Umfragewerte sind zuletzt deutlich gestiegen.