Zwischenfälle mit aggressiven Passagieren – die Notfallpläne der Airlines
In Flugzeugen gelten strenge Sicherheitsvorschriften. Doch die Airlines sehen sich einem immer größer werdenden Problem gegenüber: pöbelnde oder gar gewalttätige Passagiere. Der internationale Verband der Fluggesellschaften bezeichnet den Trend als besorgniserregend und fordert Maßnahmen.
Wenn Passagiere während eines Fluges ausrasten, kann das zu einem ernsten Sicherheitsproblem führen. So wie Ende Mai, als ein Fluggast der Asiana Airlines beim Landeanflug auf das südkoreanische Daegu in 200 Metern Flughöhe absichtlich die Tür des Notausgangs öffnete. Auf Twitter sind mehrere Videos des Vorfalls zu sehen, wie hier von der Nachrichtenagentur Reuters:
An Asiana Airlines plane landed safely in South Korea after a passenger opened its door mid-flight. Video footage filmed by a person on the flight showed wind rushing in from the open door https://t.co/eTtVOhMjtn pic.twitter.com/KRNSU2WF18
— Reuters (@Reuters) May 26, 2023
Behördenangaben zufolge hatten einige Passagiere durch den Zwischenfall Atemprobleme, zwölf wurden in Krankenhaus gebracht, ernstere Verletzungen habe es aber nicht gegeben.
Auch diese Twitter-Videos zeigen Eskalationen in Flugzeugen:
A passenger was being escorted off a plane from Manchester to Amsterdam for unruly behavior when all hell breaks loose. This incident occurred last year but they continue to occur on commercial flights. It’s time someone comes up with a teleportation device. Do you agree? pic.twitter.com/4gtmq3dXra
— Woman of Wonder 🐳 (@WonderW97800751) June 15, 2023
Watch these passengers take down an unruly fellow flier after he allegedly tried to open an airplane door mid-flight (warning: distressing) pic.twitter.com/nC9VsM8Ii4
— NowThis (@nowthisnews) June 15, 2021
Kritische Zwischenfälle nehmen weiter zu
Vorfälle mit aggressiven oder gewalttätigen Passagieren sind leider kein Einzelfall. Einer Analyse des Internationalen Verband der Fluggesellschaften (IATA) hat die Zahl der Zwischenfälle mit sogenannten "Unruly Passengers" im vergangenen Jahr zugenommen.
Während es 2021 durchschnittlich einen von 835 Flügen traf, sei es im vergangenen Jahr jeder 568. Flug gewesen. "Der zunehmende Trend widerspenstiger Passagierzwischenfälle ist besorgniserregend", sagte Conrad Clifford, stellvertretender Generaldirektor der IATA.
Passagiere und Besatzung hätten Anspruch auf ein sicheres und problemloses Erlebnis an Bord. Dazu sei es notwendig, dass die Passagiere den Anweisungen der Besatzung Folge leisten. "Obwohl unsere professionellen Besatzungen für den Umgang mit widerspenstigen Passagierszenarien gut ausgebildet sind, ist es inakzeptabel, dass die für die Sicherheit aller geltenden Regeln von einer kleinen, aber hartnäckigen Minderheit der Passagiere missachtet werden. Es gibt keine Entschuldigung dafür, den Anweisungen der Besatzung nicht Folge zu leisten."
Die häufigsten Verstöße an Bord
Zunächst sei die Zahl der Verstöße zwar zurückgegangen, nachdem die Maskenpflicht auf den meisten Flügen aufgehoben wurde. Dann sei die Häufigkeit im Laufe 2022 aber wieder gestiegen und am Ende des Jahres habe sich gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg um 37 Prozent ergeben.
Die häufigsten Vorfälle gab es laut IATA bei Nichteinhaltung der Vorschriften an Bord, wie etwa Rauchen auf den Toiletten, Ignorieren der Anschnallpflicht sowie verbale Beschimpfungen und Trunkenheit.
Vorfälle körperlicher Misshandlung seien nach wie vor sehr selten, dennoch habe man im Jahr 2021 einen alarmierenden Anstieg um 61 Prozent verzeichnet, hochgerechnet kam es bei einem von 17.200 Flügen vor.
Die Gründe für Agressivität
Mehr Infografiken finden Sie bei Statista
Die Ursachen für aggressives Verhalten von Passagieren sind vielfältig. Laut Skybrary, einem Portal für Flugsicherheit, sind neben Trunkenheit oder Drogenkonsum auch psychische Probleme, Flugangst und Ermüdung oft der Auslöser für auffälliges Verhalten.
In manchen Fällen staut sich Wut und Ärger schon vor dem eigentlichen Flug an, etwa durch lange Warteschlangen, Abflugverzögerungen, Bedingungen bei der Sicherheitskontrolle oder verpasste Anschlüsse.
Eskalationsstufen im Flugzeug
Damit das Flugpersonal im Falle von aggressivem Verhalten an Bord angemessen reagiert, hat die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) vier Bedrohungsstufen festgelegt:
Stufe 1 – Störendes Verhalten (verbal)
Stufe 2 – Körperlich missbräuchliches Verhalten
Stufe 3 – Lebensbedrohliches Verhalten (oder Zurschaustellung einer Waffe)
Stufe 4 – Versuchter oder tatsächlicher Einbruch in den Flugbesatzungsraum
Bei Stufe 1 und 2 lautet die Empfehlung der ICAO, dass das Kabinenpersonal aggressive Passagiere mündlich oder mittels einer Warnkarte auf die Konsequenzen ihres Handelns und die Art der Maßnahmen aufmerksam machen soll, die ergriffen werden könnten, wenn sich ihr Verhalten nicht ändert.
Konsequenzen bei schwerwiegenden Vorfällen
Sollten sich Personen nach der Ermahnung nicht einsichtig zeigen, kann die Rückbeförderung verweigert werden oder gegebenenfalls eine behördliche Meldung erfolgen, mit der Möglichkeit einer Verhaftung und Strafverfolgung.
Lassen sich kritische Situationen nicht verbal lösen, kann das Kabinenpersonal sogenannte Rückhaltesysteme verwenden, die dann während des gesamten Fluges am Passagier verbleiben. Muss physisch eingegriffen werden, ist es üblich, dass die Crew Unterstützung von mitreisendem Polizisten oder anderen körperlich kräftigen Passagieren in Anspruch nimmt.
Vorfälle dieser Art können zu unangenehmen Konsequenzen für alle Passagiere führen, etwa weil ein Flughafenbereich nach der Landung abgeriegelt oder die Maschine umgeleitet werden muss.
Airlines sollen präventiv handeln
Um unerwünschte Vorfälle zu verhindern fordert die ICAO Fluggesellschaften auf, Präventivstrategien zu entwickeln. Dazu gehöre es, Passagiere nicht nur beim Einsteigen ins Flugzeug, sondern etwa schon auf den Flugsteigen und beim Check-in zu beobachten. Personen, die durch Trunkenheit oder seltsames Verhalten auffallen, zu melden und gegebenenfalls im Falle von Problemen die Beförderung zu verweigern.
Das fordert der Verband
The frequency of unruly passenger incidents has gone ⬆️ significantly in 2022 vs 2021 despite the relaxation of measures such as the removal of 😷 on most ✈️.
What is the industry doing to address this issue❓ ❓ 👇 👇 https://t.co/0gCerOK5Yd#IATAAGM pic.twitter.com/WBH22rITlJ— IATA (@IATA) June 4, 2023
Um der wachsenden Zahl an Zwischenfällen entgegen zu wirken, fordert der IATA Strafen für widerspenstige Passagiere, unabhängig von ihrem Herkunftsland. Festgehalten sind solche Befugnisse im Montrealer Protokoll 2014 (MP14). Der Verband fordert alle Staaten auf, den Durchsetzungsmaßnahmen zuzustimmen. Bisher haben rund 45 Nationen, auf die 33% des internationalen Passagierverkehrs entfallen, MP14 ratifiziert.
Außerdem sollen neue Leitlinien helfen, Zwischenfällen vorzubeugen. So soll es etwa an Flughäfen in Bars, Restaurants und Duty-Free-Shops Aufklärungskampagnen geben, die Passagiere auf mögliche Folgen von unerwünschtem Verhalten an Bord aufmerksam machen.
"Niemand möchte verhindern, dass die Leute Spaß haben, wenn sie in den Urlaub fahren – aber wir alle haben die Verantwortung, uns anderen Passagieren und der Crew gegenüber respektvoll zu verhalten. Im Interesse der Mehrheit entschuldigen wir uns nicht dafür, dass wir gegen das schlechte Verhalten einer kleinen Anzahl von Reisenden vorgehen wollen, die einen Flug für alle anderen sehr unangenehm machen können", so Clifford.
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