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„Es gibt keine Tabus“ – Bauer will Wachstum jenseits des Mediengeschäfts

Der operative Bauer-Chef spricht über die Chancen von Print und neue Geschäfte. Und er erklärt, warum Kartellämter Facebook und Google helfen.

Achter Stock in Hamburg, ganz oben im Familienunternehmen Bauer, dem auflagenstärksten Zeitschriftenverlag Europas. Veit Dengler hat gerade Tiroler Journalistenschülern die eigenen Prinzipien erklärt. Er ist in Vermittlungslaune. In seinem ersten großen Interview erklärt der einstige Manager, Berater und österreichische Politiker, wie sich der Bauer-Konzern ändert. Immer wieder weist er in seinem Büro auf die Titel des Hauses, die auch aus Australien, Polen und England stammen.

Herr Dengler, Ihr Unternehmen ist als Zeitschriftenhaus groß geworden. Nun nennen Sie sich „Multi-Business-Unternehmen“. Nichts daran erinnert an Medien. Ist Ihnen Ihre Abstammung peinlich geworden?
Nein. Publishing ist weiter ein extrem solides Geschäft, genauso wie unsere mehr als 100 Radiobeteiligungen in vielen Ländern. Insgesamt geht es darum, fallende Umsätze bei klassischen Medien durch neue Aktivitäten zu kompensieren. Dabei setzen wir auf Onlinevergleichsportale sowie auf digitale Services für Klein- und Mittelunternehmen, in Zukunft möglicherweise auch andere. Vielleicht haben wir in einigen Jahren nicht vier, sondern fünf, sechs Geschäftsfelder.

Trotz aller Aktivitäten: Der Umsatz stagniert bei rund 2,3 Milliarden Euro.
Wir jammern ungern und jagen keinen Moden nach. Wichtig ist uns der nüchterne Blick, unsere Stärken liegen im Exekutieren. Im Internet sind wir vielleicht spät dran, haben aber auch viele Fehler vermieden. Wir wollen intelligente Manager sein, die dazukaufen, wenn wir Chancen sehen – die aber auch verkaufen, wenn es nicht mehr anders geht.

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Klingt nach Portfoliomanagen ohne Sentimentalitäten.
Nein, das ist kein reines Beteiligungsgeschäft. Und Sentimentalitäten gibt es natürlich auch. Heinz Bauer und die Generationen vor ihm haben beeindruckende Geschäfte aufgebaut. Entscheidend ist: Wir lieben unsere Produkte und sind sehr auf unsere Kunden ausgerichtet.

Von 2013 bis 2017 haben Sie den Wandel der Gruppe rund um die „Neue Zürcher Zeitung“ voran‧getrieben. Was können Sie hier in Hamburg tun, was Ihnen in Zürich versagt blieb?
Bauer hat mehr unternehmerischen Mut und ist schlicht größer. Yvonne Bauer leitet das Unternehmen, wir haben im Executive Board extrem kurze Entscheidungswege, das heißt, die Governance unterscheidet sich maßgeblich. Es herrscht ein sehr offenes Gesprächsklima, alles ist auf die Sache fokussiert, es gibt keine Politik. Einen Verwaltungsrat oder Aufsichtsrat gibt es nicht. Im Übrigen zählt der Glamourfaktor hier nicht. Das ist kein Ego-Betrieb.

Sie haben – wie einige andere neu geholte Topmanager – kaum Zeitschriftenerfahrung. Ist das ein Experiment?
Wir wollen Wachstum jenseits des Mediengeschäfts. Da braucht man eine Mischung von Menschen mit vielen Fähigkeiten. Manchmal hilft der „fremde Blick“.

Jenseits des Mediengeschäfts bauen Sie beispielsweise Vergleichsportale auf. Mit welchem Erfolg? Hierzulande dominieren längst Check24 und Verivox.
In Deutschland wartet keiner auf uns. Der Markt für Vergleichsportale hat sich hier früh entwickelt. Dadurch ist der Markt sehr kompetitiv, und wir sind der Meinung, dass man nicht mit Vollgas in jeden schwierigen Markt gehen muss. Märkte wie Skandinavien, Spanien und Osteuropa sind da für uns aktuell lukrativer.

„Powerpoint haben wir verbannt“

Dienstleistungen für Mittelständler sind Ihr neuester Hoffnungsbereich. Was machen Sie da genau?
Mittelständische Unternehmen müssen von Kunden und Lieferanten im Netz gefunden werden. Dabei helfen wir. Das neue Angebot von Bauer ist, wenn Sie so wollen, eine Art Generalunternehmer fürs Internet. Wir bauen Webseiten, richten Suchwort-Marketing ein, kümmern uns um Social Media. Wir haben in Polen, in Dänemark und in Israel entsprechende Unternehmen gekauft. Diese Firmen werden expandieren.

Bauer ist ein über 17 Länder weitgespanntes Medienimperium, von den USA bis Australien. Wie steuert man das?
Früher managten wir nach Ländern, inzwischen managen wir nach Geschäftsbereichen, und zwar über Staatsgrenzen hinweg. Das Radio-Business wird von London aus geleitet, das Zeitschriftengeschäft von einem multinationalen vierköpfigen Team. Operativ müssen die Verantwortlichen möglichst frei sein. Zentral kümmern wir uns um Strategie und um größere Investments.

Was ist, wenn jemand in Melbourne eine Idee hat?
Dann reden wir darüber. Wir klären vieles in Gesprächen und schreiben Memos. Powerpoint haben wir verbannt. Neu eingeführt haben wir zum Beispiel auch eine „International Publishing Group“: In zehn Arbeitsgruppen tauschen wir uns über Ländergrenzen hinweg aus, etwa zu Quiz- oder TV-Magazinen und deren Synergiepotenzialen sowie zu lokalen Learnings. Wir reden viel stärker als früher über Silogrenzen hinweg über unsere Formate. Unser Ziel ist im Übrigen eine technische Infrastruktur, mit der wir unkompliziert über Länder hinweg zusammenarbeiten oder Content teilen können.

Sie sind „Globalisierer“.
Das wäre mir zu hoch gegriffen. Wir sind ein europäisches Medienunternehmen mit 70 Prozent Auslandsumsatz, das über Grenzen hinweg handelt. Im Kern handelt es sich um jeweils nationales Geschäft. Übrigens sind wir nicht happy über den Brexit. Als europäisches Unternehmen glauben wir, dass eine enge Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen den europäischen Ländern viele Vorteile für unser Unternehmen und unsere Verbraucher bringt.

Noch hängen Sie am tendenziell rückläufigen Zeitschriftengeschäft. Sparen Sie hier?
70 Prozent unserer Umsätze kommen aus dem Publishing. Und für fast die Hälfte davon sorgt Deutschland. Kostensenken ist jedoch ‧keine Strategie, sondern Alltag. Wir müssen produktiver werden und überlegen uns dafür im Rahmen des Transformationsprozesses neue Arbeitsweisen. Hierfür investieren wir unter anderem in ein neues Redaktionsmanagementsystem. Irgendwann wollen wir dann auch Machine-Learning einsetzen.

Wann werden die Zeitschriften nur 50 Prozent zum Geschäft beisteuern?
Das ist nicht planbar. Da können Sie auch mit Darts werfen! Das Wichtigste ist, sich schnell anpassen zu können. In Großbritannien büßt unser Zeitschriftengeschäft nur ein bis zwei Prozent pro Jahr ein, in Australien dagegen haben wir gut zweistellige Fallraten. Und doch haben wir dort jüngst die Nummer zwei im Markt gekauft sowie in Frankreich die Programmzeitschrift „Télécâble Sat Hebdo“. Wir müssen für alles gerüstet sein.

Gibt es Tabus bei Ihren Anpassungen?
Nein. Tabus haben mit Religion zu tun, religiös sind wir nicht.

Familienunternehmen haben ungeschriebene Gesetze.
Auf Dauer Geld zu verlieren, das geht wahrscheinlich nicht.

Wie groß ist Ihre Kriegskasse?
So etwas gibt es hier nicht. Unsere Finanzierungskraft ist stark und richtet sich nach den Gelegenheiten.

Was haben Sie 2018 investiert?
Das sagen wir nicht. Es ist das Vorrecht der Familie, bestimmte Zahlen nicht zu kommunizieren.

Wann werden gedruckte Zeitschriften verschwinden?
Gedruckte Magazine werden Sie und mich überleben. Das Auto existiert schon 100 Jahre – und es gibt noch immer Pferdezüchter. Was sich verändern wird, ist die Auswahl an Magazinen; viele Blätter wird es natürlich nicht mehr geben. Was uns aber immer wieder positiv überrascht, ist, dass Genres wie zum Beispiel TV-Magazine unglaublich stabil sind.

Und das trotz des Erfolgs neuer Streamingdienste?
Es gibt eben nicht nur jüngere Zielgruppen. Jugendzeitschriften stehen natürlich unter Druck, in Spanien haben wir uns daher auch aus dem Kids-Segment zurückgezogen. Unsere „Bravo“ ist heute stark in Social Media und verkauft immer noch viele CDs. Schwierig wird es aber auch für werbeabhängige Hochglanzmagazine. Die Rückgänge im Werbemarkt sind einfach schneller als die im Lesermarkt.

„Wir wagen immer wieder Experimente“

Sie verlegen doch selbst „Madame“ und „Cosmopolitan“.
Diese Zeitschriften entwickeln sich auch gut, dennoch müssen wir hart kämpfen. In Australien hat der Konkurrenztitel „Vogue“ viel Erfolg mit dem Aufbau eines ganzen Ökosystems rund um die Zeitschrift, mit Events und Digital-Innovationen. Wir sind uneitel und scheuen uns nicht, vom Wettbewerb zu lernen. In Großbritannien entwickeln wir zum Beispiel gerade ähnliche 360-Grad-Projekte rund um die Special-Interest-Themen Motorradfahren und Reiten.

Wo gibt es weiße Flecken auf der Landkarte der Magazine?
Große freie Segmente gibt es nicht. Aber wir wagen immer wieder Experimente. Zum Beispiel haben wir jetzt in Deutschland einen Ableger von „Gourmet Traveller“ aus Australien gestartet und bedienen so eine neue Nische im Food-Segment.

Der letzte größere Flop in Ihrem Haus war „People“ in Deutschland.
Das Schicksal ist bekannt, das war vor meiner Zeit. Ich mag das Wort „Fehlerkultur“ nicht, Fehler sollte man vermeiden. Bauer hat eine Testkultur. Man muss Dinge ausprobieren, und wenn es nicht funktioniert, macht man eben wieder zu.

Die Bauer Media Group besitzt in Magdeburg die Regionalzeitung „Volksstimme“. Stimmt es, dass Sie sich für jene Regionalpresse-Objekte interessieren, die die Kölner DuMont-Gruppe abstoßen will, vor allem die „Mitteldeutsche Zeitung“ in Halle?
Dazu kann ich nichts sagen. Wir schauen uns vieles an. Regionalzeitungen sind rückläufig und kein einfaches Geschäft.

Medieninhalte sind vermehrt bei Google und Facebook zu finden. Wie ist Ihr Verhältnis zu den globalen Plattformen?
Die Plattformen sind wichtig und mächtig. Zu den besten Freunden von Facebook und Google gehören ironischerweise Kartellämter. Die haben noch immer ziemlich kuriose Marktdefinitionen. Im vorigen Jahr wollten wir in Großbritannien einen Konkurrenten kaufen, der sich – so wie wir unter anderem auch – mit Range Rovern und Land Rovern beschäftigt. Das Kartellamt hätte das nicht zugelassen. Mit der Begründung, dadurch hätten wir den Markt für Range-Rover- und Land-Rover-Magazine dominiert. Das ist absurd. Die Ämter sind nicht auf der Höhe der Zeit, was das Medienverhalten der Menschen betrifft. Das führt dazu, dass Zeitschriftenverlage ihre Portfolios nicht effizient managen oder auch konsolidieren können. Das kann sie schneller umbringen.

Was fordern Sie von der Politik?
Vernünftige Marktdefinitionen. Und nicht solche, die aus den 1990er-Jahren stammen.

Der Gesetzgeber hat den Verlagen mit einem Leistungsschutzrecht geholfen. Danach müssten Facebook und Google Geld zahlen für Presseinhalte. Hilft das?
Das Leistungsschutzrecht halte ich für eine Fehlinvestition von politischem Kapital. Es bringt uns Verlagen wirtschaftlich nur Peanuts, wenn überhaupt.

„Mit Podcasts verdient man kein Geld“

Wo beeinflussen die Tech-Konzerne Ihr Geschäft unmittelbar?
Wir spüren die Effekte auf dem Werbemarkt. Facebook ist ein Monopolist, ein Publisher, und beeinflusst uns im politischen Diskurs. Deshalb sollte das Unternehmen auch dieselben Rechte und Pflichten haben wie jedes andere Medienunternehmen. Facebook muss für die Inhalte verantwortlich sein – so, wie wir es auch sind.

Auch in der Yellow Press stimmt nicht jedes Wort …
Wenn wir etwas schreiben, das nicht stimmt, dann können Sie klagen – und manchmal werden wir verurteilt. Wir unterliegen dem Presserecht. Es gibt eine rechtliche Verantwortung im System. Die fehlt bei Facebook.

Sie erwähnen nur Facebook. Was ist mit dem Google-Konzern und seiner Videoplattform Youtube?
Das sind zwei Unternehmen mit völlig unterschiedlichen Interessen. Google will – sieht man von Youtube ab – ein freies Internet ermöglichen; Facebook hat einen Walled Garden, ein geschlossenes Ökosystem. Deshalb halte ich Facebook für problematischer als Google. Sie wollen Nutzer zu sich ziehen und auf ihren Plattformen behalten.

Wie viel Potenzial steckt im Radiogeschäft?
Wir sind der größte Radiobetreiber in Europa. Das Geschäft ist erstaunlich resilient, mit nach wie vor einstelligen Wachstumsraten. Und es transponiert gut in die digitale Welt, zum Beispiel für Smartspeaker wie „Echo“ von Amazon.

Podcasts sind Radiosendungen für jedermann. Ist der Boom nachhaltig?
Podcasts sind ein journalistisches Medium. Von der Hörerzahl her explodieren sie – aber niemand verdient damit Geld. Podcasts sind nicht mehr als eine zusätzliche Dienstleistung, die zunehmend auch kostengünstig automatisiert erstellt werden kann. Das ist nichts für uns als losgelöstes Geschäftsmodell.

Mediengeschäft ist traditionell ein Familiengeschäft. Bleibt das so? Oder kommen zunehmend Stiftungsmodelle?
Der einzige Garant der Unabhängigkeit ist der wirtschaftliche Erfolg. Stiftungen wären die weiße Flagge, das Signal, dass wir es nicht schaffen. Zeitungen und Zeitschriften haben absolut eine große Zukunft – auch wenn sie eines Tages nicht mehr auf bedrucktem Papier stattfinden sollte.

Wie hoch ist eigentlich der Digitalisierungsanteil bei Bauer?
Ich halte diese Kennzahl für grundfalsch. Sie ist für den Kapitalmarkt erfunden worden und soll zeigen, wie cool ein Unternehmen ist, wie wenig es sich mit dem langweiligen Papiergeschäft beschäftigt. Aber das ist doch keine Kundensicht! Wir sind immer beides – analog und digital, so wie unsere Kunden.

Herr Dengler, vielen Dank für das Interview.