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Uber auf bayrisch

Ein kleines Dorf in Bayern macht, was sonst kaum irgendwo in Deutschland funktioniert: Einen intelligenten Fahrservice, gemeinsam mit einem deutschen Start-up. Anderswo wartet man lieber auf den US-Anbieter Uber.

Von Berlin aus betrachtet, liegt Freyung am Ende der Welt: Im Südosten des Bayerischen Waldes, kurz vor der tschechischen Grenze, ein Kaff mit knapp 7000 Einwohnern, 92 Prozent davon katholisch. Es gibt einen Bahnanschluss, aber nur im Sommer. Zu den Hauptattraktionen gehören laut Tourismusinformation der zweitschönste Wanderweg Bayerns und die erste Volksmusikakademie im Freistaat.

Auch digital ist Freyung ein Vorreiter: Als erster Ort in Deutschland hat der Rat der Gemeinde einstimmig beschlossen, eine sogenannte „intelligente Mobilitätslösung“ zu testen. Praktisch handelt es sich dabei um Sammeltaxis, die alte Menschen zum Arzt bringen, Mütter zum Markt und Jugendliche unter ihresgleichen. Gerufen werden sie per App. Ein Algorithmus sorgt dafür, dass die Autos auf dem Weg noch andere Leute einsammeln, die in dieselbe Richtung wollen. Dadurch soll das Mitfahren nicht viel mehr kosten als der öffentliche Nahverkehr.

Eines Tages, so die Vision, werden sich die Autos selbst fahren. Es ist ein bisschen wie bei Uber, mit dem Unterschied, dass die Plattform nicht den amerikanischen Geldgebern gehört, sondern einer niederbayerischen Kommune. Die Software ist gemietet, sie kommt von einem deutschen Start-up namens Door to Door. Chapeau, Freyung, das muss man sich erstmal trauen.

In Berlin, wo Door to Door zu Hause ist, trauen sie sich so was nicht. Der Shuttle-Service, mit dem Tom Kirschbaum und Maxim Noroudi ihre Algorithmen testen, darf hier keine realistischen Beträge von den Fahrgästen nehmen, sondern muss zu einem lächerlichen Preis fahren, also richtig kräftig draufzahlen. So will es der Gesetzgeber. Ausnahmeregelung? Fehlanzeige.

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Ähnlich erging es Gunnar Froh, dem Gründer von Wundercar, in Hamburg. Er bekam schlicht keine Genehmigung für seine Idee, Berufspendler ein Auto teilen zu lassen. Froh ist mit seiner Firma nach Südostasien ausgewandert. Clevershuttle, ein Start-up, das zu einem Fünftel der Deutschen Bahn gehört, bekam zwar Genehmigungen für Berlin, Leipzig und München, darf aber jeweils nur mit zehn Fahrzeugen auf die Straße.

Wenn es um Start-ups geht, herrscht in Deutschland entgegen aller Sonntagsreden immer noch Skepsis. Klar, wir hätten alle furchtbar gern, dass das nächste Facebook von hier kommt. Doch bevor wir wissen, welche der Mini-Buden das sein wird, wetten wir lieber erstmal nicht darauf. Auf dem Digitalgipfel wurden in der vergangenen Woche wieder jede Menge schlaue Dinge angemahnt und gefordert. „Die Welt wartet nicht auf Deutschland“, sagte Kanzlerin Angela Merkel.

Und worauf wartet Deutschland? Darauf, dass die großen, bekannten Autokonzerne irgendwann verstanden haben, wie die Mobilität der Zukunft aussieht? Oder darauf, dass die amerikanischen Start-ups rüberkommen und es uns erklären?

Jeder, der schon mal spätabends am Flughafen in Berlin-Tegel länger als 20 Minuten in der Taxi-Schlange gestanden hat, weiß, dass Ride-Sharing nicht die schlechteste Idee ist. Keine Staus mehr, weniger Abgase, keine Parkplatzsuche, breitere Bürgersteige oder größere Gärten. Einer OECD-Studie zufolge könnten selbstfahrende Taxi-Flotten 90 Prozent des Individualverkehrs in den Städten ersetzen – vorausgesetzt, sie werden in den bestehenden, öffentlichen Nahverkehr integriert.

So machen sie es jetzt in Duisburg. Die Verkehrsbetriebe Duisburg sind deutschlandweit der zweite Kunde, der künftig die Software von Door to Door testen will, um seine Kunden von der Endhaltestelle bis nach Hause zu bringen. Ob es funktioniert? Weiß keiner. Vielleicht ist Door to Door bald wieder Geschichte. Vielleicht fährt irgendwann doch Uber die Menschen zur Volksmusikakademie, oder Daimler. Wenn das Konzept aufgeht, ist das auch das Verdienst einer kleinen Gemeinde am Rande des bayerischen Waldes. Ein Ort, der im Winter nicht mal einen Bahnanschluss hat, aber Mut.