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Vorsitzende der Krupp-Stiftung soll mit Konkurrenten über Fusion der Aufzugsparte gesprochen haben

Thyssen-Krupp kommt nicht zur Ruhe. Ausgerechnet die Stiftungsvorsitzende soll eine Abtrennung der profitablen Aufzugsparte an Kone ausgelotet haben.

Ihre Worte schienen keine Zweifel zuzulassen. „Die Krupp-Stiftung sieht sich auch in Zukunft dem Willen ihres Stifters Alfried Krupp von Bohlen und Halbach verpflichtet, die Einheit des Unternehmens möglichst zu wahren“, sagte Ursula Gather am Freitag. Die Vorsitzende des Kuratoriums reagierte damit auf Vorwürfe aus der Belegschaft, sie habe das Unternehmen im Konflikt mit ausländischen Finanzinvestoren im Stich gelassen.

Das Wort Verrat steht im Raum. Vor wenigen Tagen war Thyssen-Krupp-Konzernchef Heinrich Hiesinger zurückgetreten, weil er nicht mehr an den nötigen Rückhalt der Anteilsvertreter glaubte. Die Krupp-Stiftung ist mit 21 Prozent größter Aktionär.

Am Freitag traf sich daraufhin das elfköpfige Kuratorium zu einer Sondersitzung.

Im Anschluss veröffentlichte die Stiftung ein Bekenntnis zu ihren Grundsätzen. Sie bekundete ihr „großes Bedauern über die Entscheidung von Hiesinger“ und dankte ihm „ausdrücklich für seine erfolgreiche Arbeit“. Auch weiterhin habe der Vorstand, nun mit dem Interimsvorstand Guido Kerkhoff, das „vollste Vertrauen“ der Stiftung.

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Über das Wochenende erfuhr das Handelsblatt aus Konzernkreisen Hintergründe, die einen tiefen Konflikt zeigen. Demnach traten bereits vor zwei Jahren die Eigner des finnischen Aufzugherstellers Kone an Gather heran. Ihr Ansinnen: eine Fusion mit der Aufzugsparte von Thyssen-Krupp.

Gather empfing Kone-Großaktionär Antti Herlin

Und obwohl Gather als Kuratoriumsvorsitzende kein Mandat hatte, über solche Fragen auch nur zu sprechen, war sie bereit zu einem Treffen. Gather empfing den Milliardär und Großaktionär von Kone, Antti Herlin, in der Villa Hügel, dem Stiftungssitz und ehemaligen Wohnhaus der Gründerfamilie Krupp in Essen.

Anschließend schrieb Herlin einen Brief an Thyssen-Krupp. War auch die Konzernführung für ein Treffen bereit? Vorstandschef Heinrich Hiesinger lehnte freundlich, aber deutlich ab. Die Abgabe der profitabelsten Sparte an einen Wettbewerber kam für ihn nicht infrage.

Ohne die Einnahmen aus dem Geschäft mit Aufzügen und Fahrtreppen konnte der Ruhrkonzern seine anderen Sparten nicht sanieren. Die Aufzugsparte ist ein integraler Bestandteil von Thyssen-Krupp, sagt ein Topmanager. Diese Sicht hätten Hiesinger und der Vorstand schon seit Jahren.

Gather äußerte sich nicht dazu, warum sie sich mit dem Kone-Großaktionär Herlin traf. Die Stiftung teilte am Wochenende auf Anfrage des Handelsblatts mit: „Bei den vom Mehrheitsaktionär von Kone erbetenen Kontakt hat die Stiftung stets auf die Zuständigkeit des Unternehmens zu Fragen der Aufzugsparte verwiesen. Über geführte Gespräche war der Vorstand der Thyssen-Krupp AG stets informiert. Allein dem Unternehmen obliegen Äußerungen und Entscheidungen zu Anfragen von Wettbewerbern.“

Gerade deshalb ist für Konzerninsider das Vorgehen von Gather grotesk. Als Vorsitzende des Kuratoriums ist sie für die Förderprogramme der Stiftung zuständig und nicht für die Verwaltung des Stiftungsvermögens. Diese Aufgabe liegt laut der Stiftungssatzung beim Vorstand. Gather hat kein Mandat, mit Außenstehenden über Käufe oder Verkäufe von Thyssen-Krupp zu diskutieren.

Eine Veräußerung der Aufzugsparte, die für bis zu 50 Prozent des Konzerngewinns steht, wäre zudem ein Verstoß gegen den Willen des Firmenerben Alfried Krupp. Der letzte Alleininhaber des deutschen Traditionsunternehmens verstarb 1967. Kurz vor seinem Tod gründete er eine Stiftung, in die er sein gesamtes Vermögen einbrachte – inklusive aller Anteile an dem Unternehmen.

In der Stiftungssatzung verwies Krupp auf seinen letzten Willen, in dem er den Zweck der Stiftung bestimmte. Der erste Punkt: „Die Einheit des Unternehmens Fried. Krupp dem Willen seiner Vorfahren entsprechend auch für die fernere Zukunft zu wahren.“ Seitdem ist viel passiert. Es folgten mehrere Übernahmen. Nach jahrelangen Verhandlungen mit der Thyssen-Gruppe entstand 1999 das Unternehmen, wie man es heute kennt: ein Mischkonzern mit mehreren Sparten, die einander stützen.

Doch 2006 entschied sich der Konzern, gegen den Willen von Berthold Beitz, dem langjährigen Vertrauten von Alfried Krupp und Generalbevollmächtigten, für den Bau eines Stahlwerks in Brasilien. Es war die größte Fehlinvestition in der Konzerngeschichte. Sie führte letztlich zu Verlusten von zehn Milliarden Euro. Ab 2011 musste die Konzernführung den Willen des Patriarchen Alfried Krupp brechen. Mehrere Sparten wurden abgestoßen. 2013 verstarb Berthold Beitz.

Gather ließ sich selbst in den Thyssen-Aufsichtsrat entsenden

Die Stiftung berief Ursula Gather, Rektorin der Universität Dortmund, als seine Nachfolgerin. Die Mathematikerin Gather galt als hochtalentiert und strebsam. Doch war das genug? Gather ist eine exzellente Wissenschaftlerin. Doch sie arbeitete nie in einem großen Unternehmen. Weder kannte sie sich mit dem Geschäft von Thyssen-Krupp aus noch mit den Untiefen der Finanzwirtschaft oder den Gepflogenheiten von Hedgefonds, wenn sie ein Unternehmen ins Auge fassen.

Das schien auch nicht nötig. Als Mitglied des Kuratoriums war es nicht Gathers Aufgabe, sich um das operative Geschäft von Thyssen-Krupp zu kümmern. Sie war für andere Belange der Stiftung zuständig. Diese unterstützt Wissenschaft und Forschung, fördert Bildung, das Gesundheitswesen, Kultur und Sport.

Selbst wenn es Gather also nicht zustand, sich mit Konkurrenten von Thyssen-Krupp zu treffen, so konnten ihre Gespräche eigentlich keinen Schaden anrichten. Sie hatte schließlich kein Mandat. Das änderte sich aber im Januar 2018. Gather übernahm den Sitz von Ralf Nentwig im Aufsichtsrat der Thyssen-Krupp AG. Sie griff dabei auf ein Sonderrecht der Stiftung zurück und ließ sich selbst in das Gremium entsenden. Jetzt hatte sie einen Posten, der Einfluss auf das operative Geschäft von Thyssen-Krupp zuließ.

Seitdem soll Gather mehrfach mit Jens Tischendorf gesprochen haben, der für Cevian im Aufsichtsrat sitzt. Der Finanzinvestor hält 18 Prozent am Konzern und gilt als scharfer Kritiker der Strategie des gerade zurückgetretenen Thyssen-Chefs Hiesinger. Auch Cevian brachte schon einen Verkauf der Aufzugsparte ins Spiel.

Die scheinbare Nähe von Gather und Cevian erzürnte die Mitarbeiter von Thyssen-Krupp. Während die Finanzinvestoren ihren Konzernchef in die Mangel nahmen, schwieg die Stiftung. Hiesinger sah die Zeichen an der Wand – und ging, so sah es die Belegschaft. „Traurig, wütend und enttäuscht“, waren sie, hieß es in einem Brandbrief an Gather. Die Kuratoriumsvorsitzende habe „den Mann, den Berthold Beitz zur Rettung unseres Unternehmens geholt hat, nicht so unterstützt, wie er es verdient gehabt hätte“.

Gather beteuerte ihre Unschuld. Vertraute von ihr verweisen darauf, Gather habe im Aufsichtsrat stets für Hiesingers Pläne gestimmt. Seinen Abgang habe sie nicht gewollt und auch nicht betrieben, geben Menschen aus ihrem Umfeld an.

Zweifel an Hiesingers Strategie

Kritikern zufolge soll sie hingegen seit Januar in Zwiegesprächen mit anderen Aufsichtsräten Zweifel an Hiesingers Strategie gestreut haben. Auf der Sitzung am Freitag wollte die Stiftung die Lage befrieden. Es soll der Boden für einen Kompromiss geschaffen werden, hieß es.

Der ist nötig, denn Aufsichtsratschef Ulrich Lehner sucht einen Nachfolger für Hiesinger. Finanzvorstand Guido Kerkhoff hat den Posten nur vorübergehend übernommen. Der zukünftige Chef müsste von allen getragen werden, von der Stiftung und von Cevian, hieß es in hochrangigen Kreisen. Nur so bekomme er die Ruhe, um Thyssen-Krupp umzubauen.

Das Interesse Außenstehender an Thyssen-Krupps attraktivster Sparte wird damit nicht enden. Der Vorstoß der Kone-Eigner war keine Überraschung. Jahrelang hatte Thyssen-Krupp selbst versucht, das Aufzuggeschäft mit dem finnischen Unternehmen zu fusionieren. Doch 2006 war es mit diesem Bemühen vorbei.

Die EU-Kommission ermittelte gegen das sogenannte Aufzugkartell. Fünf Hersteller hatten weitgehende Preisabsprachen getroffen. Thyssen-Krupp kostete der Skandal mit einer halben Milliarde Euro Bußgeld am meisten, Kone kam mit weniger als einem Drittel der Strafe davon.

Die Finnen hatten ausgepackt. Im Gegenzug für eine umfassende Aussage erlangte Kone einen Status als Kronzeuge und damit erheblichen Rabatt von der EU. Auf den „Verrat“, als den ihn Beitz damals bezeichnete, folgte seine Weisung an alle Manager: keine Gespräche mehr mit Kone. Hiesinger hielt sich daran. Gather nicht. Nun ist er nicht mehr da.