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Vorsicht, Protektionismus

Globalisierung - Vorsicht, Protektionismus

Was für ein Jahr: Obwohl 2016 noch gar nicht zu Ende ist, sprechen manche Medien bereits vom „schlimmsten Jahr der Geschichte“. Der Brexit, das faktisch gekippte Freihandelsabkommen TTIP, der Niedergang der einstigen Weltmacht USA, dazu die politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen in den einstigen Aufsteigernationen Russland, Brasilien oder der Türkei - die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein.

Angesichts dieser Rahmenbedingungen sind viele Experten verwundert über die robuste wirtschaftliche Verfassung Deutschlands. Sie nehmen zudem erstaunt die Tatsache zur Kenntnis, dass die ohnehin exportstarken deutschen Konzerne und Mittelständler 2016 auf einen neuerlichen Rekordwert zusteuern.

So erwartet der Außenhandelsverband BGA für das laufende Jahr bei den Ausfuhren ein leichtes Plus von bis zu zwei Prozent auf 1.220 Milliarden Euro. Das dynamische Tempo, mit dem die Exporte in den vergangenen Jahren wuchsen, ist jedoch Geschichte. Verbandschef Anton F. Börner kennt auch den Hauptgrund dafür: „An allen Ecken und Enden der Welt kriselt es.“

Die Unsicherheit, die daraus resultiert, trifft das klassische Exportgeschäft, noch stärker aber die Investitionen deutscher Firmen im Ausland. „Die Globalisierung stockt derzeit gewaltig“, beobachtet Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank. „Die Direktinvestitionen im Ausland gehen rund um den Erdball zurück. Der Welthandel stagniert. Der Protektionismus nimmt zu, und die Anhänger des Freihandels werden weniger.“

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Dazu kommt: Viele Schwellenländer, die um die Jahrtausendwende als neue Standorte mit günstigen Arbeitskräften bei extrem niedrigen Transportkosten erschlossen wurden, sind heute keine Billigheimer mehr. Ihr Lohnstückkostenvorteil ist deutlich zurückgegangen, die Wettbewerbsfähigkeit hat gelitten. Gleichzeitig hat sich die Technologie weiterentwickelt. In vielen Industrien ist die Arbeitsintensität deutlich geringer als vor zehn Jahren.


Konzerne bleiben in Europa

Eine nachlassende Euphorie deutscher Unternehmer bei Auslandsengagements haben auch die Experten von KPMG ausgemacht. In ihrem jüngst veröffentlichten „Investment Report 2016“ analysieren die Berater die Auslandsinvestitionen deutscher Unternehmen. Dazu haben sie 200 große, international agierende Firmen befragt. Das Fazit: „Deutsche Unternehmen scheuen zunehmend die Wachstumsmärkte und verpassen dadurch Chancen“, sagt Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business bei KPMG in Deutschland.

In Zahlen bedeutet das: Um fast ein Fünftel sind die deutschen Investitionsprojekte im Ausland von 2011 bis 2015 zurückgegangen. Über die Hälfte dieses Rückgangs entfällt dabei laut der KPMG-Studie auf die vier BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China. „Insbesondere in den Wachstumsmärkten China und Indien gehen die Investitionen deutscher Unternehmen seit einiger Zeit zurück“, registriert Glunz.

In den kommenden fünf Jahren treibt es deutsche Firmenchefs wieder stärker in Richtung eigener Scholle: 59 Prozent der Befragten wollen in den kommenden fünf Jahren verstärkt im europäischen Ausland investieren - die Multis mit mehr als einer Milliarde Euro Jahresumsatz sogar noch häufiger als mittelständische Unternehmen. Auch die USA, die sich gerade reindustrialisieren, werden als Investitionsstandort in den nächsten Jahren laut der KPMG-Umfrage vermehrt an Bedeutung gewinnen. China hält sich bei den beliebtesten Investitionszielen der nächsten fünf Jahre mit 51 Prozent immerhin wacker auf Platz zwei.

„In den Hauptwachstumsmärkten Indien, Afrika und Südamerika bleibt hingegen die Investitionsbereitschaft deutscher Unternehmen überraschenderweise weiterhin niedrig“, stellt Glunz fest. Dabei lohne gerade Indien einen intensiveren Blick, meint Frank Hemker, Leiter Country Practice Indien bei KPMG in Deutschland: „Indiens Wirtschaft befindet sich, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, erst auf dem Stand Chinas von 2007. In vielerlei Hinsicht ist das Potenzial Indiens allerdings sogar noch größer. In wenigen Jahren wird der asiatische Subkontinent das bevölkerungsreichste Land der Erde sein.“ Auch um Afrika machen deutsche Unternehmer bei direkten Engagements nach wie vor einen weiten Bogen, lässt sich aus der KPMG-Studie herauslesen.


Die Scheu vor exotischen Märkten

Auf Dauer könnte das Zögern beim Sprung ins Ausland zum echten Problem für die deutsche Volkswirtschaft werden, warnt Glunz: „Deutsche Unternehmen haben mit rund 27.000 Unternehmen mehr Tochtergesellschaften im Ausland als US-amerikanische Firmen und stehen damit an Position eins in der Welt. Allerdings laufen sie durch ihr vergleichsweise zurückhaltendes Engagement auf den weniger entwickelten Märkten Gefahr, im internationalen Wettbewerb zurückzufallen.“

Erschwerend kommt eine typisch deutsche Besonderheit hinzu: Hiesige Unternehmen bevorzugen laut KPMG organisches Wachstum und setzten auf sogenannte Greenfield-Investments aus eigener Kraft. Anders die Konkurrenz aus den USA, aus China oder Japan. Die startet nicht bei null auf der grünen Wiese, sondern steigt im großen Stil ein und kauft Firmen vor Ort, um sich rasch Marktanteile in diesen Ländern zu sichern.

Die Scheu vor exotischen Märkten ist vor dem Hintergrund der immens gestiegenen Risiken, vor allem im politischen Bereich, nur allzu verständlich. Tatsächlich jedoch scheinen die höheren Risiken aber gar nicht der Hauptgrund dafür zu sein, dass deutsche Firmen zögerlicher bei ihren ausländischen Direktinvestments werden, stellt KPMG fest. Nur eines von vier deutschen Unternehmen hält es für wahrscheinlich, dass innerhalb der kommenden fünf Jahre ein unvorhergesehenes Ereignis wie Naturkatastrophen oder politische Umwälzungen massiven Einfluss auf sein Auslandsgeschäft haben könnte.

Risiken im Blick behalten Gerade mit Blick auf die Türkei - einem Land, dessen politische und rechtliche Situation sich innerhalb kurzer Zeit nahezu komplett gewendet hat - , wird deutlich, wie fahrlässig diese Strategie sein kann. Dem Risikomanagement kommt nach den Worten von KPMG-Bereichsvorstand Glunz daher eine ganz wesentliche Bedeutung zu, wenn man im Ausland keine Bruchlandung erleben will. Er rät, beispielsweise die Lieferketten so zu gestalten, dass der Ausfall eines wichtigen Partners ohne weiteres kompensiert werden kann.

DZ-Bank-Chefvolkswirt Bielmeier warnt aber vor der Illusion, dass es Going Global jemals zum Vollkaskotarif geben könne. „Das Risiko gehört zum Investoren- und Unternehmerleben dazu. Sie können politische Risiken immer nur einpreisen. Entscheidend ist, dass sie an die positive Zukunft eines Landes oder Standorts glauben sollten, bevor sie investieren.“ Und Martin Schubert, Partner bei der Personalberatung Eric Salmon & Partners, fordert: „In Deutschland müssen wir die Internationalität im Führungskreis verstärken und die Integration von ausländischen und deutschen Führungskräften vorantreiben.“

KONTEXT

Brasiliens Wirtschaftskrise

Frust und Wirtschaftskrise

Die Unzufriedenheit in Brasilien mit der Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff hängt in hohem Maße auch mit der Wirtschaftskrise zusammen. Brasilien ist Deutschlands wichtigster Handelspartner in Lateinamerika. Die Exporte nach Brasilien betrugen 2014 laut Auswärtigem Amt etwa 11,8 Milliarden Euro. Die Einfuhren aus Brasilien sanken mit 6,6 Milliarden Euro um fast acht Prozent.

Rezession

Dem Land droht die tiefste Rezession seit den 1930er Jahren. 2015 brach die Wirtschaftsleistung um 3,8 Prozent ein, das Bruttoinlandsprodukt betrug 5,9 Billionen Real (1,48 Bio. Euro). Der Internationale Währungsfonds erwartet für 2016 minus 3,5 Prozent.

Arbeitslosigkeit

Bis April waren 11,1 Millionen Menschen arbeitslos, die Quote lag bei 10,9 Prozent, 40 Prozent höher als vor einem Jahr. Der Konsum ist eingebrochen, durch eine Inflation von zehn Prozent ächzen die Bürger unter steigenden Preisen. Da der Binnenmarkt in dem 200-Millionen-Einwohner-Land einen Anteil von 80 Prozent am BIP hat, liegt in der schwachen Nachfrage ein Hauptgrund des Einbruchs.

Strukturelle Probleme

Durch ein hohes Staatsdefizit fehlen Mittel für Investitionen, die Infrastruktur ist marode. Auch deutsche Autobauer wie Volkswagen müssen Einbrüche bei den Verkaufszahlen verkraften. Zudem gibt es Probleme wie überbordende Bürokratie.

Rohstoff-Exportabhängigkeit

Der niedrige Ölpreis lässt die Einnahmen sinken. Zudem ist der Ölkonzern Petrobras, mit 80 000 Angestellten größter Arbeitgeber, in einen enormen Korruptionsskandal verwickelt. Das staatlich kontrollierte Unternehmen verbuchte 2015 einen Verlust von 8,6 Milliarden Euro und ist zum massiven Sparen gezwungen.

KONTEXT

So profitieren Mittelständler von der Globalisierung

Wachstumstreiber

Die Weltexporte sind weitaus stärker gestiegen als die nationalen Bruttoinlandsprodukte. Die Globalisierung war und bleibt auch in Zukunft ein Wachstumstreiber.

(Quelle: Hermann Simon, "Hidden Champions - Aufbruch nach Globalia")

Hermann Simon, "Hidden Champions - Aufbruch nach Globalia"

Kaufkraft

Die Musik wird weiterhin in Amerika und Europa spielen. Das gilt nicht nur für die Höhe der Bruttoinlandsprodukte, sondern auch für deren absolute Zuwächse. Hinzu kommt China als dritter Pol mit dem größten Zuwachs an Kaufkraft. Viele weitere Regionen werden an Bedeutung gewinnen, aber dennoch im Jahr 2025 deutlich hinter diesen drei Polen der Weltwirtschaft zurückbleiben.

Marktposition

Deutsche Mittelständler, die im globalen Wettbewerb mithalten wollen, müssen die erste Priorität darauf legen, ihre Marktpositionen in Europa und den USA zu halten beziehungsweise in vielen Fällen die Position in den USA zu stärken.

Marktstellung

An zweiter Stelle steht der Aufbau starker Marktstellungen in China und Indien.

Perspektive

ASEAN, Osteuropa/Russland, Lateinamerika und längerfristig Afrika bieten ebenfalls attraktive Wachstumsperspektiven. Die treibende Kraft in Afrika ist dabei die Bevölkerungsexplosion. Die Nutzung all dieser Chancen beinhaltet für Mittelständler eine Herkulesaufgabe.

Rückschläge

Trotz der grundsätzlich optimistischen Einschätzung lassen sich Rückschläge in der Globalisierung - insbesondere im Zuge von Krisen - nicht ausschließen. Protektionismus, Globalisierungsgegner oder die Bevorzugung nationaler Champions können den freien Handel behindern.

Die richtige Balance

Die Welt ist zwar "flacher" als vor 20 Jahren, aber "flach" ist sie bis heute nicht. Regionale, nationale und lokale Unterschiede werden weiter bestehen. Es geht deshalb auch in Zukunft darum, die richtige Balance zwischen Standardisierung und Differenzierung zu finden. Mittelständler dürften hier im Vorteil sein, da sie im Hinblick auf die resultierenden Anpassungsnotwendigkeiten flexibler sind als Großunternehmen.

KONTEXT

Vier Thesen zur globalen Machtwende

Der globale Südgürtel

Asien, Lateinamerika und Afrika formieren sich: Die Länder des globalen Südens bilden neue Allianzen und zeigen ungeahnte Stärke. Durch Digitalisierung und Globalisierung konnten diese Regionen in rasantem Tempo aufholen und befinden sich in etlichen Bereichen bereits vor den USA und Europa.

Afrika - Asien - Lateinamerika

Allen voran China, zeigen die bisher als Entwicklungsländer belächelten Nationen in Asien, Lateinamerika und Afrika eine Wirtschaftskraft, die den Westen überrascht. Zwischen China, Afrika und Lateinamerika ist ein Dreieck politischer und wirtschaftlicher Zusammenarbeit entstanden. In Asien wird sich die "Seidenstraße" China als neues Zentrum des Welthandels etablieren.

China, der »Game Changer«

China setzt die neuen Regeln fest. Ob in Asien, Afrika, Südamerika oder Europa und sogar der Antarktis: China baut seine Vormachtstellung aus und kontrolliert immer größere Bereiche des Welthandels und Finanzsystems. Auch in Forschung und Entwicklung erleben wir ein neues, innovatives China. Schon bald werden sich die Verhältnisse umkehren: in China entwickelt, in Europa produziert.

Städte - die globalen Akteure

Bald werden 70 Prozent der Menschen in Städten leben. Dieses Wachstum wird sich auf die heutigen Entwicklungsländer konzentrieren, allen voran Lateinamerika. In den Städten werden auch 80 Prozent des weltweiten BIP produziert werden. Städte werden schon bald eine Größe und Macht erreicht haben, dass sie wie Quasi-Staaten agieren und globale Bedeutung erlangen werden.

Doris Naisbitt

Doris Naisbitt ist Direktorin des Naisbitt China Institute, Kolumnistin, Autorin zweier Bestseller für Chinas Jugend, und mit John Naisbitt Koautorin des Bestsellers Chinas Megatrends, Innovation in China and China Model. Doris Naisbitt ist Ehrendoktorin der Pukyong National Universität, Korea, und Gastprofessorin an der Beijing Foreign Studies Universität.

John Naisbitt

John Naisbitt rangierte mit "Megatrends" zwei Jahre an der Spitze der Bestsellerliste der New York Times, meist als Nummer Eins. Seine in viele Sprachen übersetzten Bücher erreichen ein Millionenpublikum. John Naisbitt wirkte als Topmanager in Weltkonzernen, war Berater Lyndon B. Johnsons und stellvertretender Erziehungsminister unter Kennedy. Er ist gefragter Redner und hält 21 Ehrendoktorate.

Quelle

"Machtwende - Wie die Länder des globalen Südgürtels unsere Welt verändern werden", von John und Doris Naisbitt.382 Seiten, HardcoverErschienen am 18. Juni 2016Goldegg Verlag Berlin & WienISBN 978-3-903090-12-5

"Machtwende - Wie die Länder des globalen Südgürtels unsere Welt verändern werden"