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Volkswagen ist trotz Diesel-Ballast auf Rekordkurs

Trotz schwachen Umfelds konnte VW im vergangen Jahr Absatz und Ergebnis steigern. Doch die Dieselaffäre ist noch nicht abgeschüttelt.

Das Thema Diesel wird Volkswagen nicht so schnell loslassen. Auch auf der diesjährigen Hauptversammlung des Wolfsburger Autokonzerns – mehr als drei Jahre nach dem Bekanntwerden der Manipulationen – wird der Dieselbetrug einmal mehr im Zentrum der Diskussionen stehen.

Kritische Aktionäre wollen sogar ausgerechnet Jürgen Resch, den Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), in den Aufsichtsrat wählen lassen. Dabei ist Resch, der mit Dutzenden von Klagen für Dieselfahrverbote in etlichen deutschen Städten sorgte, so etwas wie der Intimfeind des Volkswagen-Konzerns.

Klar ist indessen, dass seine Kandidatur maximal Symbolcharakter haben wird und er gegen die realen Machtverhältnisse keine Chance hat. Die Familien Porsche und Piëch werden mit ihrer Stimmenmehrheit die eigenen Kandidaten durchdrücken – der Wiederwahl von Hans Michel Piëch und Oliver Porsche für den Aufsichtsrat steht also nichts im Wege.

Dies gilt umso mehr, als die VW-Aktionäre abgesehen von den anhaltenden Folgen des Dieselskandals vergleichsweise wenig Anlass zu Klagen über die wirtschaftliche Entwicklung des Konzerns haben. Zwar musste VW inzwischen 30 Milliarden Euro für die Bewältigung der Abgasaffäre zurücklegen, und ein Ende ist noch immer nicht absehbar. Doch im realen Autogeschäft läuft es für den Konzern vergleichsweise gut. Viele Kunden scheinen den Skandal längst vergessen zu haben.

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Der VW-Konzern hat die Zahl der ausgelieferten Fahrzeuge im vergangenen Jahr noch einmal leicht um knapp ein Prozent auf 10,8 Millionen Exemplare gesteigert. Volkswagen konnte damit den ersten Platz als weltweit größter Automobilhersteller vor den Dauerrivalen Toyota und der Allianz Renault-Nissan ein weiteres Mal verteidigen.

Ein solch gutes Verkaufsergebnis war angesichts des weltweit eher schwachen Trends in der globalen Automobilindustrie 2018 nicht mehr selbstverständlich. Weltweit wurden mit 93 Millionen Einheiten rund ein Prozent weniger Autos zugelassen als im Vorjahr.

Auch in China, dem wichtigsten Einzelmarkt für Volkswagen, ging es 2018 nach Jahrzehnten des Wachstums erstmals wieder bergab. Zudem gab es in Europa wegen der neuen Zulassungsstandards nach WLTP-Norm massive Produktionsprobleme, mit denen die VW-Töchter Audi und Porsche noch heute zu kämpfen haben.

Operativer Rekordgewinn

Dank der höheren Verkaufszahlen legte der Umsatz um 6,3 Milliarden auf rund 236 Milliarden Euro zu. Auch die Gewinnentwicklung kann sich im Branchenvergleich sehen lassen. Weltweit dürften die operativen Erträge in der Autoindustrie um mehr als ein Zehntel gesunken sein. VW konnte das operative Ergebnis 2018 dagegen noch einmal leicht, um 100 Millionen Euro, auf den neuen Rekordwert von 13,9 Milliarden Euro steigern.

Wie schon im Vorjahr wurde das VW-Ergebnis dabei abermals durch Kosten von 3,2 Milliarden Euro im Zusammenhang mit der Dieselaffäre belastet. Im Vergleich zu Kosten von 16,2 und 6,4 Milliarden Euro in den Jahren 2015 und 2016 ist das aber bereits ein relativ niedriges Niveau.

Auch beim Ergebnis nach Steuern wird deutlich, dass der Konzern nach der Dieselaffäre wirtschaftlich inzwischen wieder eine höhere Stabilität erreicht hat. Den Nettogewinn konnte der Wolfsburger Konzern immerhin um sechs Prozent auf knapp 12,2 Milliarden Euro verbessern.

Dazu trug maßgeblich auch ein deutlich verbessertes Finanzergebnis von 1,7 Milliarden Euro bei. Im Jahr zuvor stand hier noch ein Minus von 146 Millionen Euro in den Büchern. Zum starken Anstieg trugen vor allem währungsbedingte Bewertungseffekte und ein niedrigerer Zinsaufwand bei. Außerdem konnte VW Finanzierungsgeschäfte günstiger absichern.

Positiv haben sich auch die steigenden Beteiligungserträge bei den beiden chinesischen Gemeinschaftsunternehmen ausgewirkt. Diese Erträge verbucht VW nicht im operativen Geschäft, sondern im Finanzergebnis gemäß des Eigenkapitalanteils („at equity“). Der Automarkt in China ist für Volkswagen über die zurückliegenden Jahre hinweg extrem wichtig geworden. Der Konzern verkauft dort zusammen mit den beiden chinesischen Partnern FAW und SAIC mehr als 40 Prozent seiner Autos.

Trotz der Marktschwäche in China hat der VW-Konzern im vergangenen Jahr mehr Geld aus der Volksrepublik bekommen. Die beiden Joint Ventures bescherten den Wolfsburgern Dividenden in Höhe von etwa 3,4 Milliarden Euro. Im Jahr zuvor waren es noch etwa 200 Millionen Euro weniger. Volkswagen ist mit einem Anteil von etwa 18 Prozent der Marktführer in China und konnte 2018 den eigenen Marktanteil in der Volksrepublik dank seiner erfolgreichen neuen Stadtgeländewagen (SUVs) noch einmal etwas steigern.

Für die Aktionäre zu Hause in Deutschland zahlt sich das Engagement im fernen Asien auf jeden Fall aus. Mit der Dividende geht es weiter nach oben, Volkswagen bewegt sich nach den skandalbedingten Einbrüchen auch damit wieder in Richtung Normalniveau.

Die Hauptversammlung soll an diesem Dienstag eine Dividende von 4,80 Euro pro Stammaktie und 4,96 Euro je Vorzugsaktie beschließen, ein Plus von jeweils 23 Prozent. Die Ausschüttungsquote steigt damit auf 20,4 Prozent (Vorjahr: 17,6 Prozent). Als Ziel hat sich der VW-Konzern 30 Prozent gesetzt, aus Sicht der Anteilseigner gibt es also durchaus noch weiteren Verbesserungsbedarf.

Entlastung beim Cashflow

Auch was die Belastung der Konzernliquidität angeht, lassen die Folgen der Dieselkrise langsam nach. Während 2017 noch 16 Milliarden Euro vor allem in die USA geflossen sind, um die Ansprüche geschädigter Dieselfahrer zu befriedigen, waren es im vergangenen Jahr nur noch gut fünf Milliarden Euro. Größere Forderungen aus den USA sind künftig nicht mehr zu erwarten.

Diese Entwicklung hat sich entsprechend in der Kapitalflussrechnung niedergeschlagen. Der operative Cashflow im Konzern war 2018 mit 7,3 Milliarden Euro erstmals wieder positiv. Im Automobilbereich stieg er ebenfalls, und zwar von 11,7 Milliarden auf 18,5 Milliarden Euro.

Die Steigerung hätte noch besser ausfallen können, hätte man wegen der WLTP-Probleme nicht Autos vorproduzieren und lagern müssen. Nach internen Schätzungen wurde dadurch etwa 2,4 Milliarden Euro an Liquidität gebunden. Das ist Wasser auf die Mühlen von Kritikern wie Arndt Ellinghorst vom Investmenthaus Evercore ISI, die Volkswagen immer wieder vorwerfen, der Konzern gehe alles andere als effizient mit seinem Umlaufvermögen um.

Der Netto-Cashflow nach Abzug von Sachinvestitionen und aktivierten Entwicklungskosten sowie nach Zufluss aus Desinvestitionen hat sich in der Autosparte deutlich verbessert, ist aber noch negativ geblieben: Aus minus 5,9 Milliarden Euro (2017) sind minus 306 Millionen Euro geworden. Einschließlich der Finanzsparte verbuchte der Konzern operativ noch einen Netto-Cash-Abfluss von mehr als 12 Milliarden Euro, nach 19 Milliarden Euro im Vorjahr.

Die Nettoverschuldung im Konzern erhöhte sich dadurch kräftig um 13 Prozent auf knapp 135 Milliarden Euro. Dank des ordentlichen Gewinns kann VW aber auch ein spürbar höheres Eigenkapital von 117 Milliarden ausweisen, sodass die Eigenkapitalquote mit 25,6 Prozent mehr oder weniger konstant blieb.

Und in Sachen Cashflow gelobt Finanzvorstand Frank Witter weitere Besserung. „Cash ist King“, sagte er vor wenigen Wochen auf einer internen Managementveranstaltung. Das hängt nicht nur damit zusammen, dass Investoren generell stärker auf diese Größe achten. Im Fall VW sorgt zudem der Dieselskandal weiter für Unsicherheit in Sachen Liquiditätsbedarf: Die rechtliche Aufarbeitung ist zwar in den USA weitestgehend abgeschlossen.

Doch rückt in diesem Jahr immer mehr die deutsche Justiz ins Blickfeld, die über Anlegerklagen und Schadensersatzansprüche betroffener Autofahrer befinden muss. Entscheiden die Richter im Sinne der Kläger, würde sich Volkswagen noch weiteren Milliardenansprüchen ausgesetzt sehen. Zudem wird 2019 für den Konzern zum Jahr des Umbruchs, in dem der Einstieg in die Elektromobilität gelingen soll. Das erfordert große Anstrengungen und viel Geld.

Immerhin demonstriert das Topmanagement um Konzernchef Herbert Diess und Finanzvorstand Witter größte Zuversicht, dass man diese Herausforderung erfolgreich meistern wird. Dieselkritiker Resch könnte insofern zufrieden sein, dass sich VW auf dem richtigen Kurs bewegt – auch wenn er nicht im Aufsichtsrat sitzen wird.


Das sind die Stärken und Schwächen von VW

Stärke 1: Rentables China-Geschäft

Das China-Geschäft hat für Volkswagen enorme Bedeutung, auch wenn die Umsätze in der Volksrepublik nicht in der Gewinnrechnung von VW enthalten sind. Die beiden Gemeinschaftsunternehmen SAIC-VW und FAW-VW, an denen die Wolfsburger mit 50 Prozent und 40 Prozent beteiligt sind, werden nur „at equity“ mit ihrem Eigenkapitalanteil einbezogen.

Sie überweisen jedoch jährlich mehr als drei Milliarden Euro nach Wolfsburg und produzierten 2018 4,1 Millionen Fahrzeuge. Mehr als 40 Prozent seiner Autos verkauft der Wolfsburger Autohersteller damit allein in der Volksrepublik.

Die beiden Joint Ventures erzielen zusammen rund 70 Milliarden Euro Umsatz und arbeiten doppelt so profitabel wie der Wolfsburger Mutterkonzern. Das Gemeinschaftsunternehmen mit SAIC erreichte 2018 fast 16 Prozent Vorsteuerrendite, FAW-VW knapp zwölf Prozent.

Andere Hersteller hätten gern eine ähnlich starke Position auf dem chinesischen Markt. Mit seinen verschiedenen Marken – auch Audi, Skoda und Porsche sind in der Volksrepublik vertreten – kommt der deutsche Konzern auf einen Marktanteil von gut 18 Prozent.

Der Wolfsburger Konzern profitiert davon, dass das eigene China-Engagement schon vor mehr als 30 Jahren begonnen hat. Während andere westliche Hersteller noch über den Einstieg auf dem chinesischen Automarkt nachdachten, konnte Volkswagen seinen Marktanteil schon Schritt für Schritt vor Ort ausbauen.

Nach 20 Jahren mit ununterbrochenem Wachstum macht die Goldgräberstimmung in der Volksrepublik aktuell zwar eine Pause. Denn wegen des ungelösten Handelskonflikts mit den USA sind die Verkaufszahlen für Neuwagen seit Mitte des vergangenen Jahres rückläufig, was auch Volkswagen zu spüren bekam. Und auch im ersten Quartal 2019 sanken die Verkaufszahlen, wenn auch nicht so stark wie bei den meisten Konkurrenten.

Langfristig dürften die Wachstumsaussichten jedoch gut bleiben, denn der Fahrzeugbestand ist mit 100 je 1000 Einwohner noch immer niedrig. In Deutschland zählen die Statistiker mehr als 500 Pkws auf 1000 Einwohner. Schon in der zweiten Hälfte dieses Jahres könnte es daher wieder aufwärtsgehen, sagt etwa Ferdinand Dudenhöffer, Automobilprofessor an der Universität Duisburg-Essen.

Stärke 2: Bewertungsreserven

Die Marktkapitalisierung von Volkswagen kann sich trotz der durchwachsenen Performance in den letzten Jahren durchaus sehen lassen. Mit rund 80 Milliarden Euro gehört der Wolfsburger Autohersteller zu den Schwergewichten im Frankfurter Leitindex Dax. Allerdings verblasst die Summe gegenüber starken IT-Werten wie etwa SAP mit 130 Milliarden Marktkapitalisierung. Fast schon krass wirkt der Vergleich mit dem amerikanischen E-Autohersteller Tesla, der auf rund 40 Milliarden Euro Börsenwert kommt.

Und dies, obwohl er nicht einmal 500.000 Autos pro Jahr produziert, während VW fast elf Millionen Fahrzeuge ausliefert. Wer diesen Unterschied für ungerecht hält, der sollte eines nicht vergessen: Die Börse bewertet die Zukunft. Und die wird für VW nicht immer gut eingeschätzt.

Aber das bedeutet eben auch, dass in der Bewertung des Wolfsburger Konzerns Potenzial stecken könnte, wenn er zum Beispiel mit seiner Elektrooffensive in den kommenden Jahren vorankommt und in absehbarer Zeit tatsächlich deutlich mehr Elektroautos produzieren kann als Tesla.

Zudem gibt es für den Autokonzern weitere Möglichkeiten, etwas für seine Marktkapitalisierung zu tun. Börsenexperten sind der festen Überzeugung, dass das gesamte Gebilde Volkswagen deutlich mehr wert wäre, wenn die Gruppe in mehrere Einzelteile zerlegt würde. Manche Optimisten glauben sogar, die Bewertung des VW-Konzerns könnte dadurch zwei- bis dreimal so hoch ausfallen wie heute.

Der Konzern ist inzwischen dabei, Randbereiche zu identifizieren, auf die ein klassischer Autohersteller wie Volkswagen in Zukunft verzichten könnte. An erster Stelle fällt immer wieder der Name der Lkw-Sparte Traton. Synergien zur Pkw-Fertigung gibt es kaum, die in der Produktion verwendeten Bauteile unterscheiden sich erheblich. Ähnliches gilt für die Motorradtochter Ducati, den Turbinenbau von MAN Energy Solutions und die Maschinenbausparte Renk.

Ein besonderes Juwel, das man verselbstständigen könnte, wäre außerdem der Sportwagenbauer Porsche. Welch gewaltige Milliardenbeträge sich durch den Börsengang eines Herstellers von Luxusautos erreichen lassen, hat Fiat bereits mit Ferrari vorgemacht.

Schwäche 1: Endlose Klage-Risiken

Mehr als drei Jahre sind inzwischen seit dem Bekanntwerden der Dieselmanipulationen durch den Volkswagen-Konzern ins Land gegangen. Der Wolfsburger Autohersteller hat es in dieser Zeit immerhin geschafft, die rechtlichen Probleme in den USA weitestgehend zu lösen. Nicht aber in Deutschland, wo sich die Justiz mehr Zeit gelassen hat und die juristische Aufarbeitung der Abgasaffäre daher gerade erst im Gange ist.

Große Probleme drohen für den Fall, dass außer dem früheren Vorstandschef Martin Winterkorn auch noch aktive Konzernmanager von deutschen Ermittlern wegen des Dieselskandals angeklagt werden sollten. Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft geht dem Verdacht nach, dass Volkswagen Börsen und Kapitalmärkte zu spät über die drohenden Milliardenstrafen aus den USA informiert hat. Träfe dieser Verdacht zu, dann hätten Topmanager des Konzerns Marktmanipulation begangen.

Die Ermittlungen der Braunschweiger Staatsanwaltschaft richten sich gegen den früheren Konzernchef Martin Winterkorn, den aktuellen Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch und den heutigen Vorstandschef Herbert Diess. Für den Konzern wäre es alles andere als einfach, wenn sich der aktive Konzernchef auf der Anklagebank wiederfinden würde.

Herbert Diess hat durchblicken lassen, dass er auch bei einer Anklage nicht an einen Rücktritt denken würde. Er sei mit sich „im Reinen“ und würde sich ähnlich verhalten wie im Sommer 2015. In Wolfsburg wird damit gerechnet, dass spätestens zum Sommer die Entscheidung auf dem Tisch liegt, ob es in dem Manipulationsverfahren zu einer Anklage kommt.

Völlig offen ist ferner der Ausgang von zwei Massenklagen. Vor dem Oberlandesgericht Braunschweig (OLG) klagen Tausende Volkswagen-Aktionäre auf Schadensersatz nach dem Kapitalanlegermuster-Verfahrensgesetz (KapMuG). Insgesamt fordern Investoren Schadensersatz von bis zu acht Milliarden Euro.

Ebenfalls vor dem OLG Braunschweig machen Autofahrer Schäden geltend, die sie vor allem durch den Verfall des Wiederverkaufswertes ihrer Fahrzeuge erlitten hätten. Mehr als 400 000 Autofahrer haben sich dieser Musterfeststellungsklage angeschlossen.

Schwäche 2: Hohe Komplexität

Der Konzern hört nicht auf zu wachsen. Auch im vergangenen Jahr ist die Zahl der VW-Beschäftigten wieder um einiges angestiegen: von 642.000 auf 665.000, ein Zuwachs von 3,5 Prozent. Der Volkswagen-Konzern hat damit die Größe mittlerer deutscher Großstädte wie Stuttgart oder Düsseldorf erreicht. So mancher in Wolfsburg meint, dass der VW-Konzern damit zu groß geworden sei. Nicht mehr steuerbar und nicht mehr zu kontrollieren, wie der weltgrößte Autohersteller durch den Dieselskandal schmerzlich erfahren musste.

Vorstandschef Herbert Diess wird nachgesagt, dass er in der Zentrale in Wolfsburg gern die eine oder andere Managementebene auflösen würde. Die Entscheidungswege im Konzern sollen kürzer und vor allem schneller werden. Als besonderen Hemmschuh hat das Management die Verwaltung ausgemacht. Bis zu 7000 Stellen könnten dort in den nächsten fünf Jahren gestrichen werden. Volkswagen hofft darauf, dass sich die Abläufe in der Verwaltung digitalisieren lassen – und damit um einiges effizienter werden.

Der Kampf gegen die Komplexität ist für VW auch strategisch von erheblicher Bedeutung. Denn der Konzern muss in den nächsten Jahren die Digitalisierung des automobilen Geschäfts bewältigen. Die Software- und IT-Ausstattung wird zum wichtigsten Unterscheidungsmerkmal der Fahrzeuge. Vorstandschef Diess spricht bereits heute vom Auto als „Smartphone auf vier Rädern“.

Um dem gerecht zu werden, muss ein tradierter Automobilhersteller wie VW viel stärker als bisher eigenes IT-Know-how aufbauen und die Softwareentwicklung viel stärker in den Konzern hereinholen. Doch daran hapert es, wie das aktuelle Beispiel des neuen Golf 8 zeigt. Das VW-Erfolgsmodell soll in der neuen achten Generation deutlich digitaler werden als seine Vorgänger.

Doch weil die Ingenieure in Wolfsburg die neuen Anforderungen nicht schnell genug in den Griff bekamen, werden in diesem Jahr wohl nur 10.000 statt der ursprünglich vorgesehenen 80.000 Exemplare die Bänder verlassen. Volkswagen wird also ebenfalls auf diesem Feld schneller werden müssen. Auch vor diesem Hintergrund kann man sich überzogene Komplexität künftig nicht mehr leisten.