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Bei Vertragsverletzungsverfahren liegt Deutschland unter allen EU-Staaten auf Platz zwei

Deutsche Politiker ermahnen gern andere Länder, sich an europäisches Recht zu halten. Doch Deutschland ist kein Vorbild, insbesondere das Verkehrsministerium nicht.

Gegen sein Ministerium sind 18 EU-Verfahren anhängig. Foto: dpa
Gegen sein Ministerium sind 18 EU-Verfahren anhängig. Foto: dpa

Andreas Scheuer (CSU) hat ein gesundes Selbstbewusstsein. Oder ein „interessantes“ Rechtsverständnis, je nachdem wie man die Sache sieht. Auf die Frage, ob er falsch gehandelt habe, weil er mit der Vergabe der Pkw-Maut nicht auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) gewartet habe, antwortete der Bundesverkehrsminister kürzlich in einer Talkshow: „Nein. Ich habe eine andere Rechtsauffassung als der EuGH.“

Diese Einstellung steht durchaus stellvertretend für das generelle deutsche Verhältnis zum EU-Recht. Die Deutschen sind Europameister darin, andere Länder zu ermahnen, sich gefälligst an Recht und Gesetz zu halten. Doch wenn es darum geht, sich selbst innerhalb des EU-Rechts zu bewegen, dann sieht die Sache doch etwas anders aus. Da überspannt die Bundesregierung verhältnismäßig oft den Bogen.

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So sind derzeit allein gegen Deutschland 76 EU-Vertragsverletzungsverfahren anhängig. Dies zeigt eine Aufstellung des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Grünen, die dem Handelsblatt vorliegt.

Allein 40 der 76 Verfahren wurden seit dem 7. September 2017 eingeleitet. Deutschland dürfte damit im europäischen Vergleich weiterhin mit die meisten Verfahren auf sich ziehen.

So waren laut aktuellstem Jahresbericht der EU aus dem vergangenen Herbst, der einzig einen europäischen Vergleich ermöglicht, 2018 in der EU insgesamt 1.500 Vertragsverletzungsverfahren anhängig, davon 80 gegen Deutschland.

Unter den damals noch 28 EU-Staaten lag Deutschland damit auf Platz zwei hinter Spanien. Insbesondere in den Bereichen Verkehr, Binnenmarkt, Energie und Umwelt seien neue Verfahren gegen die Bundesrepublik eröffnet worden.

Spitzenreiter in Deutschland ist das Verkehrsministerium

„Die Bundesregierung muss EU-Vorgaben endlich ernst nehmen und diese zukünftig schnell und rechtskonform umsetzen“, fordert Grünen-Politiker Markus Tressel. „Was passieren kann, wenn EU-Vorgaben nicht korrekt umgesetzt werden, haben wir beim Thomas Cook-Desaster gesehen.“ Hier kostet die Nachlässigkeit der Bundesregierung den Steuerzahler Hunderte von Millionen Euro für die Rückzahlung Anzahlungen für Reisen von durch eine unzureichende Insolvenzabsicherung.

Spitzenreiter bei den laufenden Vertragsverletzungsverfahren ist laut der Antwort des Wirtschaftsministeriums Verkehrsminister Scheuer. Gegen sein Haus sind aktuell 18 EU-Verfahren anhängig, zehn davon wurden seit dem 7. September 2017 eingeleitet. Hinzu kommt ein Verfahren, das Österreich gegen Deutschland wegen der Pkw-Maut angestrengt hatte. „Das passt in das desolate Bild, welches das Haus unter Minister Scheuer abgibt“, sagt Tressel.

Auf Rang zwei rangiert das Bundesfinanzministerium, gegen das 16 Verfahren laufen, acht davon wurden ebenfalls erst in den vergangenen zweieinhalb Jahren angestrengt. So leitete die EU-Kommission im Herbst vergangenen Jahres ein Verfahren ein, weil Finanzminister Olaf Scholz (SPD) Betreiber von Online-Plattformen wie Amazon für den Schaden haften lassen will, wenn Händler keine Umsatzsteuer an den Staat abführen.

Scholz wollte damit den Steuertricksereien insbesondere chinesischer Anbieter einen Riegel vorschieben. Allerdings gilt die Bestimmung auch für Anbieter der EU, womit die EU-Kommission eine der vier Grundfreiheiten der Union – die Warenverkehrsfreiheit – verletzt sieht.

Deutschland sieht sich durch die vielen Verfahren durchaus einigem Spott ausgesetzt. Vor wenigen Tagen erst verwies Großbritanniens Premier Boris Johnson darauf, dass die EU-Kommission gegen sein Land viel seltener vorgehe als gegen Deutschland. Das sei ein klares Zeichen dafür, dass Großbritannien „EU-Standards nicht unterminiert“, so Johnson.

Immerhin eine gute Nachricht gibt es: Laut dem EU-Bericht kamen zumindest 2018 relativ wenig neue Verfahren gegen Deutschland hinzu. Allerdings war Berlin in dem Jahr auch ausgesprochen lange mit der Suche nach einer neuen Regierung beschäftigt. Gesetze, die gegen EU-Recht verstoßen konnten, gab es deshalb eher wenige.