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Warum Verlage trotz steigender Abo-Zahlen tief in der Krise stecken

Die Krise trifft das Anzeigengeschäft vieler Medienhäuser. Auch wenn es für eine Gesamtbilanz zu früh ist: Die ersten Verlage beantragen Kurzarbeit.

Das Nachrichtenmagazin prüft ebenfalls, Kurzarbeit einzuführen. Foto: dpa
Das Nachrichtenmagazin prüft ebenfalls, Kurzarbeit einzuführen. Foto: dpa

Hähnchen-Brokkoli-Auflauf, Curry-Reis-Eintopf oder Rührei mit Wildlachs – was kommt auf den Tisch? Eine Frage, die die App „Chefkoch“, die zum Hamburger Verlagshaus Gruner + Jahr gehört, täglich neu beantworten muss und damit in Zeiten des Coronavirus und den Ausgangsbeschränkungen einen wahren Ansturm erlebt. Die Zahl der Nutzer der Chefkoch-App hat sich im Vergleich zum Vorjahr teilweise verdoppelt, heißt es bei Gruner + Jahr.

„Jede Krise bringt eine Veränderung der Mediennutzung“, beobachtet Andrea Malgara, Managing Director bei Mediaplus. Die Agentur hat die Reichweiten Ende März gemessen und festgestellt: Digitale Wirtschaftsseiten haben ein Zuwachs an Reichweite von im Schnitt 30 Prozent, Unterhaltungsseiten ebenfalls ein Plus von 30 Prozent. Digitale Nachrichtenseiten sowie Kochseiten gehören ebenso zu den stärksten Gewinnern.

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Nicht nur die Reichweite der Onlinemedien habe sich erhöht, auch die Nutzung der klassischen Printmedien – vor allem was die Lesedauer betrifft. Doch trotz der Rekordhöhen, die manche Publikation erreicht, ist die Stimmung in den deutschen Medienunternehmen alles andere als euphorisch. Immer mehr Medienhäuser erwägen Kurzarbeit: Nach der Südwestdeutschen Medienholding (SWWH) hat auch die Funke Mediengruppe Hilfen bei der Bundesagentur für Arbeit beantragt.

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Das Anzeigengeschäft stockt. Nach Angaben der Funke-Geschäftsführung vor allem bei den Regionalmedien. Die Redaktionen, die meist unter Hochdruck arbeiten, sind bislang von den Kurzarbeit-Regelungen ausgenommen. Auch bei der SWWH hieß es in einem Schreiben der Geschäftsführung an die Mitarbeiter: Die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise träfen das Unternehmen „mit großer Wucht“.

Der „Spiegel“ prüft ebenfalls, Kurzarbeit einzuführen. Zugleich plant das Nachrichtenmagazin einen Sparkurs, um den drohenden Anzeigeneinbruch abzufedern. „Wir werden unsere Etatplanung für das Jahr 2020 korrigieren und nehmen uns in einem ersten Schritt vor, 10 Millionen Euro einzusparen“, teilte das Hamburger Medienhaus am Freitag mit. „Gleichzeitig werden Erlös-Projekte, die für dieses Jahr geplant waren, priorisiert und vorangetrieben.“

Zunächst wolle man sich darauf konzentrieren, dort einzusparen, wo es ohne zusätzliche Kosten schnellen Erfolg bringe. „Wesentliche organisatorische Veränderungen oder betriebsbedingte Kündigungen stehen deshalb kurzfristig nicht auf dem Plan“, hieß es weiter.

Magazine aktuell stillgelegt

Die Bauer Media Group hat erste drastische Konsequenzen aus der Coronakrise gezogen. Das Medienhaus zieht sich aus dem Neuseeland-Geschäft zurück. Die Entscheidung trifft alle Titel von Bauer Media Neuseeland aus dem Entertainment, Lifestyle und Newsbereich – zusammen mit allen Digitalredaktionen. Betroffen sind mehr als 300 Mitarbeiter. Das Ende eines jahrzehntelangen Engagements in Neuseeland.

Bauers Rückzug hat einen handfesten Grund: Magazine sind in Neuseeland als Teil der Maßnahmen der Regierung gegen die Coronakrise aktuell stillgelegt. In den Zeiten der verschärften Ausgangsbeschränkungen dürfen nur noch nachrichtenrelevante Tageszeitungen ihren Betrieb weiterführen. Bauer Media bekundete, dass man nichts unversucht gelassen habe, Teile oder das ganze Neuseeland-Geschäft zu retten.

In Hamburg, wo die Bauer Media Group („Neue Post“, „Cosmopolitan“, „Bravo“) ihre Zentrale hat, herrscht noch Zuversicht. „Unser Publishing-Geschäft in Deutschland unterscheidet sich stark von dem in Neuseeland – insbesondere durch unseren Fokus auf den Vertriebsmarkt – und ist daher wesentlich stabiler“, meint Sven Dams, CEO Publishing Germany bei der Bauer Media Group.

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Die Titel der Bauer Media Group werden bis zu 70 Prozent über den Lebensmitteleinzelhandel verkauft, der gerade rege frequentiert wird. Dagegen ist der Verkauf im Bahnhofsbuchhandel und an Flughäfen, die gemieden werden, kaum ausgeprägt.

Und doch: „In der Vermarktung stehen wir vor deutlich größeren Herausforderungen als im Vertrieb, der bisher sehr stabil ist. Viele Unternehmen sind von der Coronakrise betroffen – darunter auch unsere Kunden und Partner. In welchem Umfang wir Einbußen verzeichnen werden müssen, ist aktuell noch nicht absehbar“, sagt Dams weiter.

Das Anzeigengeschäft ist der Knackpunkt für die Medienunternehmen. „Die Coronakrise führt natürlich auch zu Verunsicherung und kommunikativen Herausforderungen vieler Unternehmen und Werbekunden, die sich teilweise auch in Stornierungen bereits gebuchter Kampagnen ausdrücken“, räumt ein Sprecher des Medienkonzerns Axel Springer auf Anfrage ein.

Rekordreichweiten für Medien

Das Berliner Unternehmen, das einen Jahresumsatz von 3,2 Milliarden Euro erzielt, befindet sich inmitten eines radikalen Umbaus. Im vergangenen Jahr stieg Investor KKR ein, das Unternehmen verließ die Börse. Im Unternehmensbereich News Media National sollen 50 Millionen Euro eingespart werden. Noch laufen Freiwilligenprogramme, die Mitarbeitern den Abschied vom Unternehmen erleichtern sollen. Das Unternehmen hofft, auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten zu können. Ob das gelingt, ist unklar. Die Coronakrise kommt zu einer ungünstigen Zeit.

„Gleichzeitig ist das Bedürfnis nach verlässlicher und verantwortungsvoller Information durch unabhängige Medien nie größer gewesen, was die Rekordreichweiten unter anderem von ,Bild‘ und ,Welt‘ eindrucksvoll belegen“, sagt der Springer-Sprecher. Ein Lichtblick, an dem sich viele Medienschaffende gerade erwärmen. Media Impact, der hauseigene Vermarkter von Axel Springer, habe auf diese Lage unter anderem mit neuen Vermarktungs-Angeboten reagiert, sagt der Springer-Sprecher.

Das Interesse der Menschen nach Informationen und Unterhaltung ist groß. Parallel gibt es nach Angaben von Axel Springer einen „deutlichen Anstieg der Abo-Abschlüsse bei „Bild Plus“ und „Welt Plus“. „Hier verkaufen wir teilweise doppelt so viele Abos wie geplant“, sagt der Springer-Sprecher. „Dabei konvertieren vor allem Hintergrundartikel zum Thema Coronakrise sehr gut, wobei ein großer Teil der aktuellen Artikel zur Coronakrise, wie etwa auch die Live-Berichterstattung bei Bild, frei zugänglich ist.“

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Auch Gruner + Jahr stellt Gratis-Lesestoff zur Verfügung: Befristet zunächst bis zum 30. April bieten das Unternehmen und sein Joint-Venture, die Deutsche Medien-Manufaktur (DMM), digitale Magazine kostenfrei an. In dem Portfolio sind alle ePaper von G+J, die digitalen Bezahlangebote „Stern Plus“ und „Stern Crime Plus“ sowie ausgewählte Marken der DMM enthalten. Mit im Angebot sind auch „Stern“, „Geo“, „Gala“, „Brigitte“ und „Guido“ sowie „Eltern“, „Essen & Trinken“, „Chefkoch“, „Schöner Wohnen“ sowie das Fußballmagazin „11Freunde“.

Bei Gruner + Jahr will man diese Aktion in Zeiten des Social Distancings als Geste der Solidarität verstanden wissen. Nutzer, die sich für den kostenfreien Service registrieren, müssten nach Ablauf der Zeit nicht extra kündigen. Bei der Neukundengewinnung setzen Verlage normalerweise auf eine dauerhafte Registrierung der Leser.

Dabei ist auch bei Gruner + Jahr die Situation alles andere als entspannt. Die Tochter des Medienkonzerns Bertelsmann hatte erst vor einer Woche die Zahlen des vergangenen Geschäftsjahres präsentiert, wonach der Umsatz leicht auf 1,4 Milliarden Euro gesunken war. Nach Angaben des Unternehmens eine Folge der Digitalisierungsmaßnahmen.

Nun muss das Haus, so wie viele andere Medienunternehmen, die Coronakrise verkraften. „Natürlich gehen die Verkäufe an Bahnhöfen und auf Flughäfen zurück, dafür steigen die Absätze im Lebensmittelhandel und die Abo-Abschlüsse“, sagt ein Firmensprecher. „Für eine Gesamtbilanz ist es zu früh.“