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Umweltministerin schreibt an Unternehmen: Ratspräsidentschaft für grüne Investitionen nutzen

In der deutschen EU-Ratspräsidentschaft will Umweltministerin Schulze eine nachhaltige Wirtschaftspolitik fördern. Europas Unternehmen sollen helfen.

Zumindest bis zum Ausbruch der Coronakrise hielten die meisten Deutschen den Klimawandel für eine der größten Herausforderungen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze wurde zum Quälgeist der Großen Koalition: Die SPD-Politikerin machte den Kampf gegen die Erderwärmung zum Dauerthema im Kabinett. Am Ende gelang es ihr, gegen viele Widerstände das erste Klimaschutzgesetz Deutschlands durchzuboxen.

Angesichts der Pandemie und der damit einhergehenden Schäden für die Wirtschaft war der Klimaschutz zuletzt auf der politischen Agenda nach unten gerutscht. Doch jetzt bietet sich Schulze erneut eine Gelegenheit, das Thema voranzubringen.

„Deutschland will die EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 dazu nutzen, die Umsetzung des europäischen Green Deal als nachhaltige Wachstumsstrategie nach Kräften voranzubringen“, heißt es in einem Schreiben der Ministerin an die Chefs der 427 größten, börsennotierten europäischen Unternehmen, darunter auch sämtliche Dax-Konzerne.

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Sie sei zuversichtlich, dass Europa gestärkt aus der schweren Krise hervorgehen könne, schreibt Schulze weiter. „Die anstehende Investitionsoffensive hin zu einer klimaneutralen und nachhaltigen Wirtschaft bietet große Chancen für zukunftsfähige Arbeitsplätze und nachhaltige Wertschöpfung in Europa.“

Wenn der Staat nun mit Milliarden die Konjunktur anschiebt, dann könnte er, so die Hoffnung, auch gleich noch den Umbau zu einer klimafreundlichen Wirtschaft mitanschieben.

Das Schreiben wurde zusammen mit einer Umfrage am Dienstag digital verschickt. Es liegt dem Handelsblatt vor, ebenfalls der Fragebogen an die Unternehmen, deren Antworten bis 9. Juni zurückerwartet werden. In der Umfrage, die der Berliner Think Tank Adelphi zusammen mit der Ökoratingagentur ISS ESG aufgesetzt hat, geht es nicht nur um Fragen an die Unternehmen zu ihrem Einsatz gegen den Klimawandel oder ob Staatshilfen in der Coronakrise auf nachhaltige Aktivitäten ausgerichtet werden sollten.

EU-Taxonomie für wirtschaftliche Nachhaltigkeit

Schulze will auch ein Thema vorantreiben, das zwar sperrig ist, aber entscheidend dafür sein wird, künftige Investitionsströme in grüne Technologien zu lenken. Gemeint ist die sogenannte EU-Taxonomie, ein allgemein verbindliches Klassifizierungssystem, mit dem wirtschaftliche Aktivitäten auf ihre Nachhaltigkeit hin bewertet werden können.

Ein solches System würde europaweit eine gemeinsame Sprache etablieren und für Verbraucher als auch für Investoren Transparenz schaffen, welche Produkte, welche Projekte nachhaltig sind und welche nicht. Die Taxonomie ist zudem als Basis für ein EU-Label für nachhaltige Finanzprodukte vorgesehen.

Und es würde festgelegt werden, welche Projekte künftig noch mit EU-Mitteln gefördert werden dürfen. Insofern stellt die Taxonomie wichtige Weichen für den Übergang zu einer nachhaltigen, kohlenstoffarmen Wirtschaft.

Bislang liegt lediglich ein allgemeiner Rahmen für grüne Investitionen vor, auf den sich das Europäische Parlament und der Rat Ende 2019 geeinigt hatten. Eine Expertengruppe der EU-Kommission hatte im März 2020 ihre Arbeit abgeschlossen und zu den ersten zwei von insgesamt sechs Umweltzielen im Klimabereich technische Prüfkriterien für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten vorgeschlagen. Diese bilden die Basis für sogenannte delegierte Rechtsakte, die laut Taxonomie-Verordnung bis Ende 2020 erlassen werden sollen.

„Klare Nachhaltigkeitskriterien“

Um diesen Zeitplan zu halten, müssen die Arbeiten in den nächsten Monaten vorangetrieben werden – und Deutschland will dabei kräftig mitmischen, wenn es im zweiten Halbjahr die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat deutlich gemacht, dass Klimaschutz für sie weiter Priorität hat trotz der aktuellen Fokussierung auf die Coronakrise.

Technologien wurden – mit Ausnahme von Kohlekraft – bislang nicht explizit ausgeschlossen. Auch nicht Atomkraft, einer der größten Streitpunkte in den bisherigen Verhandlungen. So will das Umweltministerium unter allen Umständen verhindern, dass Kernenergie Teil der Liste nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten wird.

Während manche Länder wie Frankreich argumentieren, Stromerzeugung aus Atomkraft sei nachhaltig, vertritt Deutschland aufgrund der ungelösten Frage, wie radioaktiver Müll endgelagert wird, die gegenteilige Position. „Ich werde nicht nachlassen, für eine Abkehr von der Atomkraft zu werben“, so die Ministerin. „Atomkraft ist weder nachhaltig noch ein Klimaretter.“ Sie sei riskant, teuer und hinterlasse radioaktiven Abfall für Generationen.

„Wir brauchen klare Nachhaltigkeitskriterien“, heißt es im Ministerium. Die Umfrage unter den europäischen Unternehmen soll nicht nur zeigen, wo Firmen und Banken in Sachen Nachhaltigkeit stehen. Sie soll auch für das Thema sensibilisieren und herausfinden, wo Herausforderungen und Lösungen liegen könnten.

Der enge Zeitrahmen, der für die weitere Entwicklung und Aktivierung der Taxonomie vorgesehen ist, wird wahrscheinlich für viele Unternehmen und Banken eine Herausforderung darstellen, heißt es.

Deutschland als Sustainable-Finance-Standort

Die Erkenntnisse der Umfrage sollen Grundlage für Diskussionen von Wirtschaftsvertretern sowie Finanz- und Umweltministerien während der deutschen Ratspräsidentschaft sein. Die Folgen für die Unternehmen durch die Taxonomie sind erheblich. So müssen Nicht-Finanzunternehmen künftig beispielsweise über den Umsatzanteil, der sich an der Taxonomie orientiert, berichten.

Finanzmarktteilnehmer, die grüne Finanzprodukte in Europa anbieten, müssen Angaben zu Aktivitäten machen, die wesentlich zur Eindämmung des Klimawandels beziehungsweise zur Anpassung an den Klimawandel beitragen.

Neben Umweltministerin Schulze treibt auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) das Thema Nachhaltigkeit voran. Schon vor einem Jahr hat das Finanzministerium ein Ziel ausgerufen: Deutschland solle „zu einem führenden Sustainable-Finance-Standort“ ausgebaut werden. Die Bundesregierung hat dazu im vergangenen Juni einen Beirat für „Sustainable Finance“ eingesetzt, in dem Vertreter der Wirtschaft und der Wissenschaft sitzen.

Allerdings hat man im Finanzministerium auch schnell gelernt, wie schwierig manche Projekte sind. So wurden schon vor einem Jahr grüne Bundesanleihen angekündigt. Jedoch stellte sich schnell die Frage, wie sichergestellt werden soll, dass mit den Einnahmen dann auch nur nachhaltige Ausgaben im Bundeshaushalt abgedeckt werden. Über den Etat entscheidet letztlich der Bundestag.

Ratspräsidentschaft könnte für Klimastrategie nützlich sein

Die grünen Bundeswertpapiere finden sich auch in einem Zwischenbericht, den der Beirat im März vorgelegt hat. Grundsätzlich soll die öffentliche Hand ihre Ausgaben an Kriterien der Nachhaltigkeit ausrichten, heißt es darin. Das könnte nun angesichts der Corona-Pandemie von besonderer Bedeutung sein. Schließlich erhöht der Staat nun massiv seine Ausgaben. Derzeit berät das Gremium unter anderem, wie mögliche Konjunkturpakete klimafreundlich gestaltet werden könnten.

Und auch die Experten im Beirat setzen Hoffnungen auf das zweite Halbjahr: „Es bietet sich an, die europäische Ratspräsidentschaft Deutschlands dafür zu nutzen“, schreiben sie mit Blick auf das Vorantreiben der nachhaltigen Finanzstrategie in Europa. So könnten Akzente in der Gestaltung der anstehenden mittelfristigen Finanzplanung der EU gesetzt werden.

Doch am Ende, das weiß man auch in der Bundesregierung, werden die öffentlichen Anstrengungen allein nicht nützen. „Klar ist aber auch, dass wir nur erfolgreich sein können, wenn Initiativen nicht nur vom Staat ausgehen“, erklärte Finanzstaatssekretär Jörg Kukies schon bei der Vorlage des Zwischenberichts des Beirats.

Das Schreiben von Umweltministerin Schulze an die 427 europäischen Unternehmen kann deshalb auch als der Versuch verstanden werden, die Wirtschaft auf eine gemeinsame Klimastrategie einzuschwören.