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Trump lässt die Nato zittern – und feiert sich im Anschluss selbst

Am Ende waren die Europäischen Regierungschefs und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nur noch erleichtert, dass dieser Gipfel beendet war – ohne das befürchtete große Zerwürfnis mit US-Präsident Donald Trump. „Es war ein intensiver Gipfel“, fasste Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die beiden Tage des Treffens der 29 Nato-Regierungschefs zusammen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nannte das Treffen „besonders reichhaltig“. Eine krasse Untertreibung.

Am Mittag des zweiten Gipfeltags hatte es für zwei Stunden so ausgesehen, als würde Trump alles platzen lassen. In einem Wutanfall in der offiziellen Sitzung über die Sicherheitslage der Welt verlangte er plötzlich: Alle Partner müssten sofort ihre Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung erhöhen – anderenfalls würden die USA allein für ihre Sicherheit sorgen.

War das nun die im Vorfeld befürchtete Austrittsdrohung? Auf einer hektisch anberaumten Sondersitzung zum eigentlich bereits am Vortag abgeschlossenen Thema Verteidigungsausgaben gelang es den Europäern und Stoltenberg wider Erwarten, Trump nicht nur am Tisch zu halten, sondern sogar für die Nato zu begeistern. „Sie haben zusätzlich Geld auf den Tisch gelegt. Die Verteidigungsausgaben gehen überall nach oben. Wegen mir!“, tönte Trump auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. „Die Nato ist gut für uns“, rief er.

Auf erleuchteter Bühne, die Presse im abgedunkelten Raum, feierte er 40 Minuten lang seinen ganz persönlichen Nato-Erfolg. Weil er „ein stabiles Genie“ sei, habe er erreicht, was alle US-Präsidenten vor ihm nur gefordert hätten. Mal nannte er 33 Milliarden, mal 40 Milliarden Dollar an zusätzlichen Ausgaben, die ihm die Partner zugesichert hätten. Wie viel denn nun genau, fragten Journalisten. Das solle man doch bitte bei Stoltenberg erfragen, wich Trump aus. Die Nato sei nie so stark gewesen, dank ihm. Und ja, die Zusagen seien jetzt wirklich fair.

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Sogar Deutschland lobte er. „Ich habe ein gutes Verhältnis zu Angela“, so Trump. Gut, die Gaspipeline gefalle ihm nicht, darüber werde man reden. Zu Beginn des Nato-Gipfels hatte er Deutschland noch bezichtigt, Milliarden an Russland für Gas zu zahlen, während die USA die Abschreckung gegenüber Russland finanzieren müssten.

Immerhin: Die Europäer und Kanadier waren in der Sondersitzung endlich mit ihren wieder und wieder vorgetragenen Argumenten zu Trump durchgedrungen. Denn die jetzt von Trump so hochgelobten Zusagen sind keineswegs neu. Am Dienstag hatte Stoltenberg zur Vorbereitung des Gipfels die in den Haushalten verankerten Steigerungen der Verteidigungsausgaben bis 2018 zusammengefasst. Sie sind, betrachtet man Fixpreise von 2010, seit Trumps Amtsantritt um 41 Milliarden Dollar gestiegen, sagte Stoltenberg.

Betrachtet man dagegen die Verteidigungsausgaben der einzelnen Jahre, so liegen die der Europäer und Kanadier zusammen im Jahr 2018 um 40 Milliarden Euro höher als im Jahr 2014, als die Nato-Regierungschefs sich zum Aufstocken ihrer Rüstungsausgaben verpflichtet hatten. Auch Stoltenberg wünscht sich allerdings, dass die Europäer ihre Rüstungsausgaben schneller erhöhen, als es ihre bisherigen Finanzpläne vorsehen.

Merkel sagte entsprechend gelassen in die Kameras, dass natürlich auch Deutschland „mehr in die Ausrüstung, nicht die Aufrüstung“ der Bundeswehr stecken werde, und dass es generell die Bereitschaft gebe, mit Blick auf die Sicherheitslage mehr für Verteidigung auszugeben.

Stoltenberg betonte, das Treffen sei zwar nicht nach Drehbuch abgelaufen. „Der Gipfel hat aber substanzielle Beschlüsse geliefert.“ Das allein zähle. Die Nato sei damit so handlungsfähig wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr, und auch Trump habe verstanden, dass die Europäer den USA durch die Truppenstützpunkte erst ermöglichten, ihre globalen Sicherheitsziele zu verfolgen.

Über die zentralen Ergebnisse des Nato-Gipfels freuten sich am Ende des zweiten Tages die Osteuropäer: Die Nato wird ihre Militäroperationen im Baltikum, in Polen und notfalls am Schwarzen Meer verstärken. Denn die Nato sieht Russland auch im vierten Jahr nach der Annexion der Krim als größtes Sicherheitsrisiko.

Die Truppen der „Speerspitze“, an der sich die Bundeswehr in Litauen beteiligt, werden aufgestockt, wie zuvor von Außen- und Verteidigungsministern besprochen. Außerdem sollen künftig 30 Bataillone, 30 Kampfschiffe und 30 Flugzeuge binnen 30 Tagen nachrücken können.

Den Nicht-Nato-Mitgliedern Ukraine, Georgien und Moldau sagte das Bündnis seine weitere Unterstützung zu. So steht es im Kommuniqué, in dem außerdem Russland aufgefordert wird, seine Truppen aus allen drei Ländern abzuziehen. Mit Georgien, Ukraine, Aserbaidschan und Mazedonien berieten die 29 Regierungschefs am Donnerstag zudem über eine Osterweiterung der Nato – Pläne, die im Kreml auf harsche Kritik stoßen.

Auf seiner Pressekonferenz trat Trump zudem Befürchtungen entgegen, er werde die Annexion der Krim bei seinem Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin am Montag akzeptieren. Er gelobte im Gegenteil, dass er dies keineswegs vorhabe: „Ich bin nicht glücklich über die Krim“, sagte Trump. Er habe die Krim geerbt von Barack Obama, und wenn er Präsident gewesen wäre, dann hätte es die neue Brücke von Russland auf die Krim nie gegeben. „Ist Putin mein Freund? Nein! Ist er mein Feind? Nein!“, sagte Trump. Vielmehr sei er sein „Konkurrent“. Er kenne Putin nicht besonders gut. Aber vielleicht werde er ja mal ein Freund.

Auch in Russland reagierten Experten irritiert auf die zwischen Abschreckung und Freundschaft mäandernden Aussagen Trumps. „Wie man bei solchen Schlangenlinien eine Verhandlungsposition aufbauen soll, weiß ich wirklich nicht“, sagte der Moskauer Verteidigungsexperte Alexej Arbatow dem Handelsblatt.

Während Trump den Nato-Gipfel aufmischte, bemühten sich in Washington die Gesetzgeber um Schadensbegrenzung. Der US-Kongress verabschiedete parallel zum Gipfel in Brüssel zwei Resolutionen, die die Unterstützung der USA für die Nato bekräftigten.

Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, sagte: „Die Nato ist unverzichtbar. Sie ist heute genauso wichtig wie bisher.“ Die demokratischen Kongressführer Nancy Pelosi und Chuck Schumer verurteilten Trumps Umgang mit Deutschland scharf. „Präsident Trumps unverschämte Beleidigungen und Verunglimpfungen eines der standhaftesten Verbündeten Amerikas, Deutschland, ist eine Schande“, sagten sie und warfen ihm vor, Putin loyaler gegenüberzustehen als den Nato-Partnern.

Doch während Stil und Benehmen Trumps auf Kritik stoßen, halten viele Republikaner in der Sache zu ihm. Der Senator Lindsey Graham sagte, Trump verurteile zu Recht, „dass Deutschland Gas von den Russen kauft“. Auch Ryan betonte: „Jedes Mal, wenn ich mich mit unseren Verbündeten in Europa treffe, äußere ich dieselben Bedenken bezüglich Nord Stream 2.“