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Türken-Großdemo beunruhigt deutsche Politik

Pro-Erdogan-Kundgebung in Köln - Türken-Großdemo beunruhigt deutsche Politik

„Irrsinn“, „Skandal“, „Missbrauch“ - so wettern Leserbriefschreiber in Köln seit Tagen gegen eine für Sonntag geplante Pro-Erdogan-Demonstration.

Mehr als 15.000 Teilnehmer will die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) dafür zusammen mit anderen türkischen Gruppen mobilisieren. Nach Einschätzung der Kölner Polizei könnten sogar bis zu 30.000 Menschen teilnehmen Die UETD gilt als verlängerter Arm der AKP, der Partei des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Das Thema der Kundgebung lautet „Ja zur Demokratie. Nein zum Staatsstreich“. Mitte Juli war in dem Land ein Umsturzversuch von Teilen der Streitkräfte gescheitert.

In der deutschen Politik wird die Großdemonstration mit Sorge gesehen. Zum einen, weil sie in Gewalt umschlagen könnte und zum anderen, weil sie eine gigantische Propaganda-Veranstaltung für Erdogan werden könnte.

Der migrationspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagfraktion, Volker Beck, rief denn auch Veranstalter und Teilnehmer zu einem klaren Bekenntnis zur Demokratie auf. „Die UETD muss sagen, für welche Demokratie sie auf die Straße geht, will sie als Organisation Türkischer Demokraten in Deutschland ernst genommen werden“, sagte Beck dem Handelsblatt. „Die UETD muss die Angriffe auf Pressefreiheit und unabhängige Justiz durch Erdogan zurückweisen. Sonst ist ihr Ja zur Demokratie unwahrhaftig und in Wirklichkeit ein Ja zur Erdokratur.“

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Aus Becks Sicht wirke der Demonstrationsaufruf der UETD wie ein „bedingungsloses Ja zum Staatsstreich“ des türkischen Präsidenten gegen die türkische Demokratie nach dem Putschversuch des Militärs. „Für die Integration in Deutschland ist das ein fatales Signal.“

Beck erwartet daher eine klare Positionierung der UETD zu Berichten von Amnesty International über Folter und Vergewaltigung im türkischen Gewahrsam, zur Verhaftung oder Entlassung von Tausenden Richtern und Staatsanwälten und zu den Anschlägen auf die Pressefreiheit vor und nach dem Putschversuch. „Ohne Distanzierung von Erdogans willkürlichen Repressalien wird die Demonstration am Sonntag als Demonstration für eine Diktatur Erdogans in der verstanden werden“, sagte der Grünen-Politiker.

Laut Kölner Polizei sind schon 2000 Polizisten zum Sonntagsdienst eingeteilt. Für ein Verbot der Demonstration - wie es von einigen Politikern ins Spiel gebracht worden ist - gibt es nach Einschätzung der Polizei keine Grundlage. Das sei nur bei schwerwiegenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit denkbar.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat die Teilnehmer zudem zur Mäßigung aufgerufen. „Innenpolitische Spannungen aus der Türkei zu uns nach Deutschland zu tragen und Menschen mit anderen politischen Überzeugungen einzuschüchtern, von welcher Seite auch immer, das geht nicht“, sagte der SPD-Politiker der „Süddeutschen Zeitung“ vom Samstag. „Und das werden wir auch nicht zulassen“, fügte er hinzu.


NRW-Ministerpräsidentin Kraft mahnt Türken zur Besonnenheit

Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) rief türkischstämmige Bürger zu Besonnenheit auf. „Tragen Sie einen innenpolitischen Konflikt der Türkei nicht in ihre Wahlheimat Nordrhein-Westfalen, in ihre Familien, ihre Freundeskreise und auch nicht in ihre Herzen“, sagte Kraft in einer am Mittwoch veröffentlichten Videobotschaft. Jeder habe das Recht, für seine Überzeugungen zu demonstrieren. „Aber bitte bleiben Sie besonnen, und bleiben Sie vor allem friedlich. Denn Ausgrenzung, Hass und Gewalt gegen andere dürfen und werden wir in keinerlei Weise tolerieren.“

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) warnte Veranstalter und Teilnehmer eindringlich vor Aufrufen zur Gewalt. „Sollte diese Kundgebung für Gewaltaufrufe missbraucht werden, wird die NRW-Polizei rigoros einschreiten“, sagte Jäger am Donnerstag in Düsseldorf. Die Kurdische Gemeinde Deutschland kritisierte die für Sonntag angemeldete Kundgebung scharf, verzichtete aber zugleich auf eine eigene Gegendemonstration.

Zur Begründung erklärte die Kurdische Gemeinde in Gießen, sie wolle die zu der Großkundgebung erwarteten Erdogan-Anhänger durch eine Gegendemonstration „nicht aufwerten“. Weiter hieß es: „Zum anderen möchten wir nicht, dass Deutsch-Kurden im Zusammenhang mit Gewalt erwähnt werden.“

Köln ist oft Schauplatz türkischer Kundgebungen, weil es dafür günstig liegt. Allein in Nordrhein-Westfalen leben eine Million Menschen mit türkischen Wurzeln, die meisten im Ruhrgebiet. Fast alle türkischen und muslimischen Verbände haben in Köln ihren Sitz, darunter die Ditib, die direkt der türkischen Religionsbehörde untersteht. „Köln ist quasi die Hauptstadt der Türkeistämmigen in Westdeutschland“, erklärt Yunus Ulusoy vom Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung der Universität Duisburg-Essen.

Warum verspüren Menschen, die schon in zweiter oder dritter Generation in Deutschland leben, ausgerechnet jetzt das Bedürfnis, für Erdogan auf die Straße zu gehen? UETD-Generalsekretär Bülent Bilgi sagt, es gehe letztlich gar nicht um Erdogan, sondern um den vereitelten Putsch. Viele Migranten seien verärgert darüber, wie die deutschen Medien darüber berichteten. „Man sagt, ok, es gab einen Putsch, es sind 264 Menschen gestorben, aber das wischt man sofort beiseite und tut so, als wäre das eine Nebensächlichkeit.“


Rechte Gruppierungen mobilisieren für Gegen-Demonstration

Ludwig Schulz, Türkeiforscher am Deutschen Orient-Institut Berlin, bestätigt, dass viele Deutschtürken die Vereitelung des Putsches vor allem als Erfolg der türkischen Gesellschaft und Demokratie sähen. Die Begeisterung für Erdogan habe vielerlei Gründe: Viele Türkischstämmige informierten sich überwiegend aus regierungstreuen türkischen Medien. Dazu kämen türkischer Nationalstolz und ein Gefühl von Ablehnung durch die deutsche Mehrheitsgesellschaft. „Es ist wohl eine Mischung aus berechtigter Kritik an unserem einseitigen Türkeibild und einer umgekehrt geschönten Sicht vieler Türkischstämmiger auf die Türkei“, meint Schulz.

Dabei seien jedoch lang nicht alle Deutschtürken Erdogan-Anhänger, erläutert der Türkei-Experte Roy Karadag von der Universität Bremen. „Unter den Deutschtürken gibt es zunehmend Konflikte darüber, wer hier eigentlich in ihrem Namen sprechen, agieren und mobilisieren kann“, sagt der Politikwissenschaftler. 2013 seien zum ersten Mal Deutschtürken nach Istanbul geflogen, um dort gegen die Regierung Erdogan zu protestieren. „Deswegen demonstriert die UETD jetzt in Köln - sie will damit zeigen, dass die meisten Deutschtürken für Erdogan sind.“

Nach neuen Polizeiangaben wurde die Versammlung nicht explizit von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) angemeldet. Vielmehr habe der Anmelder, eine Privatperson, „uns gegenüber deutlich gemacht, dass er für eine Vielzahl türkischer Vereine spricht“, sagte Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies.

Gegen die Großkundgebung wurden laut Kölner Polizei für Sonntag vier Gegendemonstrationen angemeldet. Dazu zählt auch eine Kundgebung der rechten Partei Pro NRW. Die Polizei befürchtet Ausschreitungen und hatte ein Verbot gefordert, doch das Verwaltungsgericht Köln sieht dafür keine ausreichenden Anhaltspunkte. Das Oberverwaltungsgericht in Münster bestätigte das Urteil in zweiter Instanz.

Auch bei der Gruppierung „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa) gebe es Mobilisierungsaufrufe, sagte Mathies. Die Anmelderin der Rechten-Kundgebung rechnet nach Angaben des Kölner Polizeipräsidenten mit rund 400 Teilnehmern. Mathies wollte jedoch nicht ausschließen, dass die Teilnehmerzahl auf bis zu tausend ansteigen könnte. Weitere Gegendemonstrationen wurden aus dem linken Spektrum und von Jugendorganisationen deutscher Parteien angemeldet.

Kölns Polizeipräsident Mathies kündigte ein unnachgiebiges Vorgehen der Polizei bei Gesetzesverstößen im Umfeld der Demonstrationen an. Die Polizei wird demnach 2300 Beamte in den Einsatz schicken, darunter elf Hundertschaften aus Nordrhein-Westfalen und jeweils eine Hundertschaft aus Rheinland-Pfalz und Hessen. Zudem werden Mathies zufolge acht Wasserwerfer für einen Einsatz bereit stehen.

KONTEXT

Türken in Deutschland

Wie viele Türken leben in Deutschland?

Im Jahr 2015 leben rund 1,5 Millionen Türken in Deutschland. Damit sind die Türken die am größten vertretene ausländische Bevölkerungsgruppe in Deutschland. Ihre Zahl nimmt jedoch ab. 2011 waren es noch rund 1,6 Millionen. 1997 gab es sogar über zwei Millionen Türken in Deutschland.

Wie viele Türken wurden in Deutschland eingebürgert?

Im Jahr 2015 wurden 19.674 Türken in Deutschland eingebürgert. Auch diese Zahl ist rückläufig. Im Vorjahr waren es noch 22.463, im Jahr 2003 sogar 56.244.

Wie lang ist die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von Türken in Deutschland?

Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer eines Türken in Deutschland beträgt 30 Jahre.

Welche berufliche Stellung haben Türken in Deutschland?

Mit 42 Prozent sind die meisten Türken in Deutschland Arbeiter. Einfache Angestellte sind 21 Prozent. Als höhere Angestellte können sich dagegen nur zwei Prozent bezeichnen. Verbeamtet ist im Jahr 2013 keiner.

Welche Schulen besuchen türkische Kinder?

Die meisten türkischen Kinder und Jugendliche gehen im Jahr 2014 in Deutschland auf eine Hauptschule (14 Prozent) oder auf eine berufliche Schule mit mittlerem Abschluss (13,9 Prozent). Nur 4,5 Prozent besuchen ein Gymnasium.

Wie viel verdienen Türken in Deutschland?

Das monatliche Nettoeinkommen eines Türken in Deutschland beträgt im Jahr 2013 durchschnittlich rund 1.200 Euro.

Wie viele deutsch-türkische Partnerschaften gibt es?

Wenn deutsche Männer eine ausländische Partnerin wählen, dann kommt sie am häufigsten aus der Türkei (12 Prozent). Und auch deutsche Frauen lebten 2014 vor allem mit Türken (18 Prozent) zusammen.

Wie viele Türken fühlen sich aufgrund ihrer Herkunft benachteiligt?

18 Prozent der Türken fühlen sich häufig wegen ihrer Herkunft benachteiligt. 29 Prozent machen sich sogar große Sorgen um die Ausländerfeindlichkeit in Deutschland.

Wie viele Türken wollen für immer in Deutschland bleiben?

Die Absicht, in Deutschland zu bleiben, ist bei den Türken von allen ausländischen Bevölkerungsgruppen am geringsten. Nur 66 Prozent wollen dies laut dem Sozialbericht 2016 vom Statistischen Bundesamt. Die schwierige soziale Situation der Türken, sowie die stärker verbreitete subjektive Erfahrung von Benachteiligung könnten dieses Ergebnis erklären.

KONTEXT

Wer hat Einfluss auf Erdogan?

Hintergrund

Demokratisch legitimierte Institutionen dürfen nicht vom Militär gestürzt werden - das ist die einhellige Reaktion vieler Staats- und Regierungschefs auf den Putschversuch in der Türkei. Doch die postwendende Ankündigung von Präsident Recep Tayyip Erdogan einer "Säuberung" lässt nichts Gutes für Demokratie und Rechtsstaat ahnen.

Der Westen

Die Beziehungen zum Westen haben sich in den vergangenen Monaten weiter verschlechtert. Gründe sind die Eskalation des innertürkischen Konflikts mit den Kurden, Einschränkungen von Parlamentarierrechten und hartes Vorgehen gegen Journalisten. Von US-Präsident Barack Obama bis zu Bundeskanzlerin Angela Merkel sind Staats- und Regierungschefs auf Distanz zu Erdogan gegangen. Von ihnen dürfte er sich nun erst recht nichts sagen lassen.

Angela Merkel

Seit Übernahme des Kanzleramts 2005 spricht sich Merkel gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union aus. Sie hat zu dem impulsiven Erdogan nie einen engen Draht aufbauen können. Viel besser gelang ihr das mit Premierminister Ahmet Davutoglu, mit dem sie in Brüssel die Verhandlungen über den Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei führte - der aber auf Betreiben Erdogans im Juni abtreten musste. Mit der Armenienresolution des Bundestags ist das Verhältnis zur Türkei im Frühsommer dann auf dem Tiefpunkt angelangt. Der Bundestag hatte die Massaker im damaligen Osmanischen Reich 1915 an den Armeniern als Völkermord eingestuft.

Wladimir Putin

Die Türkei hatte Ende November 2015 ein russisches Kampfflugzeug im syrischen Grenzgebiet abgeschossen. Putin tobte und verhängte schmerzhafte Sanktionen gegen die bis dahin befreundete Türkei. Nun sollen die Beziehungen wieder normalisiert werden, nachdem Erdogan jüngst einen Brief an Putin schrieb, den der Kreml als die geforderte Entschuldigung für den Abschuss gelten ließ. Aber selbst wenn die beiden Präsidenten wieder zueinander fänden - Putin gilt nicht gerade als guter Lehrer in den Fächern Demokratie und Rechtsstaat.

Die EU

Erdogan weiß um die Macht der Türkei, Flüchtlinge von ihrem Weg in die EU abzuhalten. Manchmal konnte man den Eindruck haben, dass Brüssel in Demokratie- und Menschenrechtsfragen gegenüber der Türkei stillhielt, um Ankara nicht zu verprellen.

G20

Anfang September treffen sich Obama, Merkel, Putin und Erdogan beim Gipfel der 19 führenden Industrienationen und der EU (G20) in China. Der neue Ministerpräsident Binali Yildirim verkündete erst kürzlich, außenpolitisches Ziel Ankaras sei es, "die Zahl der Freunde zu mehren, die der Feinde zu verringern". Bis September könnte Erdogan Säuberungswelle aber schon weitgehend abgeschlossen sein.

KONTEXT

Gülen-Bewegung: Weltoffener Islam oder unvereinbar mit dem westlichen Gesellschaftsbild?

Was charakterisiert die Hizmet-Bewegung?

Unter der geistigen Führerschaft des seit 1999 im US-Bundesstaat Pennsylvania lebenden Gülen will Hizmet nach eigenen Angaben Bildung, Wissenschaft und Dialog auf der Basis eines modernen Islam fördern. In der Türkei hat die Bewegung in den Medien, der Polizei und der Justiz viele Unterstützer. Weltweit betreibt Hizmet hunderte Schulen - getreu Gülens zentraler Forderung, Schulen zu bauen statt Moscheen.

Was werfen Kritiker der Bewegung vor?

Seine Gegner legen dem 75-jährigen Gülen zur Last, einen radikalen Islamismus zu befördern - und in der Türkei einen Staat im Staat aufgebaut zu haben. Auch in Deutschland ist die Bewegung umstritten: Kritiker bemängeln fehlende Transparenz in der dezentral aufgebauten Hizmet-Bewegung. In Wahrheit wolle Hizmet mit ihrer Bildungsarbeit einer Islamisierung der Gesellschaft den Weg ebnen.

Was sagen andere?

Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen gibt zu bedenken, dass sich das Gülen-Schrifttum programmatisch an einem konservativ-islamischen Gesellschaftsbild orientiere - dem Bild einer Gesellschaft, das insbesondere hinsichtlich der Rechte von Frauen, der Meinungs- und Religionsfreiheit sowie der Trennung von Religion und Staat "dem Gesellschaftsbild der Mehrheitsgesellschaft entgegensteht".

Wie ist Hizmet in Deutschland organisiert?

Als Ansprechpartner der deutschen Hizmet-Bewegung versteht sich die Stiftung Dialog und Bildung in Berlin. Nach deren Angaben engagieren sich bundesweit etwa 150.000 Menschen in der Bewegung. Die Hizmet-Anhänger betreiben demnach hierzulande rund 160 Nachhilfevereine, 30 Schulen und ein Dutzend Dialogvereine.

Was hält die Hizmet-Bewegung ihren Kritikern entgegen?

Der Stiftungs-Geschäftsführer Ercan Karakoyun betont, Hizmet stehe für einen weltoffenen und toleranten Islam. "Das sieht in Deutschland so aus, dass hier unterschiedliche Bildungsprojekte auf die Beine gestellt werden und dass man in Kontakt tritt mit Andersgläubigen und Andersdenkenden in der Gesellschaft, um so interkulturelle Dialoge zu ermöglichen", sagte er am Montag im WDR-Fernsehen.

Was sagt Hizmet in Deutschland zum Putschversuchin der Türkei?

Die Stiftung Dialog und Bildung verurteilte den Putschversuch in einer Stellungnahme vom vergangenen Samstag "aufs Schärfste". Zudem schrieb Geschäftsführer Karakoyun im Kurzbotschaftendienst Twitter: "Die schlechteste Demokratie ist besser als jeder Putsch."

Wie beurteilen die Sicherheitsbehörden die Gülen-Bewegung?

In einem Bericht zur Hizmet-Bewegung kam der Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Juli 2014 zu dem Ergebnis, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine geheimdienstliche Beobachtung "derzeit nicht gegeben" seien. Es lägen "keine tatsächlichen Anhaltspunkte" dafür vor, dass die Gülen-Bewegung mit ihren Aktivitäten verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge.

Aber?

Zwar vertrete Gülen ein "konservatives Islambild im Sinne eines allumfassenden Systems der Gesellschaft", das auch die staatliche Ordnung umfasse. Die "mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung kollidierenden Elemente in der Lehre Gülens" fänden jedoch keinen Ausdruck in politischen Aktivitäten, die auf die Beseitigung zentraler Verfassungsgrundsätze ausgerichtet seien, schrieben die Stuttgarter Verfassungsschützer.