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Sterben wirklich 12.000 Menschen im Jahr an Diesel-Abgasen?

Die Deutsche Umwelthilfe kämpft gegen Dieselabgase. Die machen angeblich viele Menschen krank. Aber lässt sich das überhaupt messen? Eine Spurensuche.

Das Video kann einem Angst machen. Der junge Typ, der eben noch tief durchgeatmet hat, fängt auf einmal an zu husten. Und er ist nicht allein. Der Junge mit dem Basketball. Das Mädel mit der Mütze. Sie alle husten plötzlich und schnappen nach Luft, manche brauchen sogar ein Asthma-Spray.

So wirbt die Deutsche Umwelthilfe für ihren Kampf gegen Dieselabgase. Die Botschaft des Clips: „Jährlich sterben in Deutschland über 12.000 Menschen vorzeitig am Dieselabgasgift NO2. Viermal so viele wie bei Verkehrsunfällen. Politiker und Konzernvorstände schauen tatenlos zu.“

Das alles klingt dramatisch. Und nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, in dem die Richter Ende Februar Fahrverbote für Dieselautos zulassen, auch ziemlich überzeugend. Aber stimmt es auch?

Wie viele Menschen sterben durch Stickoxide in Deutschland?

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Anruf bei einem, der es wissen könnte. Professor Martin Hetzel ist Chefarzt an der Stuttgarter Lungenfachklinik vom Roten Kreuz. In der Stadt also, die besonders stark von der Luftverschmutzung betroffen sein soll.

Der Experte holt tief Luft. Dann sagt er: „Stickoxide in einer so geringen Konzentration wie in unseren Städten können keine krankmachende Wirkung haben.“ Es sei deshalb „schlicht unmöglich, auch nur einen Todesfall“ darauf zurückzuführen.

Das findet auch Hans Drexler. Der studierte Mediziner und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Durch Berechnungen von Stickoxid auf Tote zu schließen, ist wissenschaftlich unseriös.“

Wie gefährlich sind Stickoxide?

Wie aber kommt dann die Deutsche Umwelthilfe auf ihre Zahl von mehr als 12.000 Diesel-Opfern? Die Organisation stützt sich auf eine Studie der Europäischen Umweltagentur.

Darin arbeiten die Autoren mit einer ganzen Menge von Daten. Überall in Deutschland messen Behörden die Konzentration von Schadstoffen wie Stickoxid in der Luft. Außerdem gibt es Daten darüber, wie viele Menschen „vorzeitig“ sterben, das heißt: bevor sie ein gewisses Durchschnittsalter erreicht haben.

Mit statistischen Verfahren setzen die Autoren diese beiden Werte zueinander in Bezug. Sie errechnen Wahrscheinlichkeiten, zu wie vielen „vorzeitigen Todesfällen“ es in Regionen kommt, in denen der Grenzwert für Stickoxid überschritten wird. Es gibt also nicht etwa 12.000 Leichen, bei denen ein Arzt Stickoxide als Todesursache festgestellt hat, sondern lediglich mehrere Statistiken und Vermutungen über einen möglichen Zusammenhang.

Genau darin sehen Mediziner wie Martin Hetzel ein Problem. Andere Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht und zu wenig Bewegung seien um ein Vielfaches gefährlicher für die Gesundheit als das Einatmen von Stickoxiden. „Die kann man aber nicht messen, sondern höchstens durch Umfragen ermitteln“, sagt Hetzel. Deshalb lasse sich ihr Einfluss in Untersuchungen wie jener der Europäischen Umweltagentur kaum wirksam berücksichtigen.

Es sind aber auch andere Zahlen im Umlauf. Im vergangenen Jahr kam ein Forscherteam aus mehreren Ländern auf ähnlich viele Todesfälle durch Stickoxide – allerdings in ganz Europa und nicht nur in Deutschland.

Durch Überschreiten der Grenzwerte gebe es europaweit pro Jahr mehr als 11.400 vorzeitige Todesfälle, an denen Diesel-PKW zu 60 Prozent schuld seien, sagte Ray Minjares. Er ist einer der Autoren der Studie, die im Wissenschaftsmagazin „Nature“ erschien.

Auch das Umweltbundesamt hat sich mit der Gefahr von Stickoxiden befasst – und kam im März zu dem Schluss: Für das Jahr 2014 lassen sich statistisch rund 6000 vorzeitige Todesfälle mit Herz-Kreislauf-Krankheiten erklären, die auf Belastungen mit Stickoxid zurückgehen. Wer hat nun Recht?

Haben Stickoxide Auswirkungen auf die Gesundheit?

Fakt ist: In der Europäischen Union liegt der Grenzwert für Stickoxide bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Diesen Wert hat Ende der 1990er-Jahre die Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlen. Unsinn, finden Kritiker. Der Grenzwert sei „relativ willkürlich gewählt“, schreibt etwa Werner Ressing, der damals zuständige Beamte im Bundeswirtschaftsministerium, in einer Stellungnahme für das Bundesverwaltungsgericht.

Der Stuttgarter Lungenarzt Hetzel hat sich lange vor der Diskussion um Dieselabgase mit Schadstoffen am Arbeitsplatz befasst. Dort seien seit vielen Jahren bis zu 950 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft erlaubt – „und das 40 Stunden die Woche, ein ganzes Arbeitsleben lang.“ Arbeiter im Steinkohlebergbau habe man auf Basis dieser Werte untersucht. „Ohne negative Folgen für die Gesundheit“.

Hetzel verweist auch auf die USA: Dort gelte ein Grenzwert von 103 Mikrogramm. In Deutschland habe die höchste gemessene Stickoxid-Belastung zuletzt bei 78 Mikrogramm gelegen. „Wir haben hierzulande kein Stickoxid-Problem“, schließt der Mediziner. „Sondern ein Stickoxid-Grenzwertproblem.“

Wie kommt die EU dann dazu, in ihrer Richtlinie für Luftqualität nur 40 Mikrogramm pro Kubikmeter anzusetzen? In der Vorgabe steht: Sie soll die Allgemeinbevölkerung schützen. Also auch Alte, Kranke und Kleinkinder.