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Die Stahl- und die Chemiebranche kämpfen um staatliche Förderung

Die Bundesregierung will der Industrie dabei helfen, klimaneutral zu werden. Doch bislang hat sie nur 2,5 Milliarden Euro dafür vorgesehen. Die Unternehmen sind enttäuscht.

Der Thinktank Agora Energiewende rechnet damit, dass die Stahlindustrie in Europa rund 30 Milliarden Euro investieren muss, um die eigenen Produktionsprozesse klimaneutral zu gestalten. Foto: dpa
Der Thinktank Agora Energiewende rechnet damit, dass die Stahlindustrie in Europa rund 30 Milliarden Euro investieren muss, um die eigenen Produktionsprozesse klimaneutral zu gestalten. Foto: dpa

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sieht die Politik in der Pflicht, die energieintensive Industrie auf dem Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen. „Wir werden alle Hebel in Bewegung setzen, damit die Transformation gelingt", sagt der Minister.

Das klingt gut und soll Unternehmen aus Branchen wie Stahl oder Chemie beruhigen. Die Botschaft ist klar: „Ihr könnt euch darauf verlassen, wir helfen euch."

Doch in der Praxis bleiben die Zusagen weit hinter dem Bedarf der Unternehmen zurück. Das wird deutlich, wenn man einen Blick auf die geplante Verteilung der sieben Milliarden Euro wirft, die im Konjunkturprogramm von Anfang Juni für die Umsetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie vorgesehen sind. Lediglich 2,5 Milliarden Euro sind dafür vorgesehen, den Transformationsprozess der Branchen Stahl und Chemie zu unterstützen.

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Die Zahl geht aus einem Brief hervor, den Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Bareiß an den Vorsitzenden des Bundestags-Haushaltsausschusses, Peter Boehringer (AfD), geschrieben hat. Dem Brief hängt eine Übersicht über die geplante Verwendung der sieben Milliarden Euro an.

Zwei Milliarden Euro fließen demnach in die Erzeugung von grünem Wasserstoff, eine Milliarde Euro in den Aufbau der Wasserstoff-Infrastruktur, 1,5 Milliarden Euro in den Verkehrssektor – und weitere 2,5 Milliarden Euro sind für die Stahl- und die Chemieindustrie vorgesehen.

Wie der Betrag auf die beiden Branchen aufgeteilt wird, ist im Moment noch unklar. Seitens der Bundesregierung sei bislang keine Aufteilung vorgesehen, teilte das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage mit. Die Förderung werde vielmehr „auf Basis geeigneter Projekte erfolgen, die vonseiten der Unternehmen vorgeschlagen werden“.

Wirtschaftsressort arbeitet an Fördermechanismen

Ebenfalls noch nicht absehbar ist, welcher Anteil auf Investitionszuschüsse für neue Anlagen (Capex-Förderung) entfällt und welcher Anteil dabei helfen soll, die höheren laufenden Kosten für den Betrieb der Anlagen mit grünem Wasserstoff zu stemmen (Opex-Förderung). Derzeit liefen noch die Arbeiten für ein übergeordnetes Förderkonzept, heißt es im Wirtschaftsressort. Eine genaue Aussage dazu, wann die Förderung beginnen kann, könne man noch nicht machen.

Nach Angaben des Ministeriums wird angestrebt, „möglichst bald Fördermechanismen zu veröffentlichen und diese im Rahmen der Möglichkeiten des Haushaltes möglichst lange laufen zu lassen“. Noch in diesem Jahr soll laut Wirtschaftsministerium das Interessenbekundungsverfahren für die Vergabe der Mittel erfolgen.

Die Bundesregierung setzt sich bei der EU-Kommission dafür ein, dass die geförderten Vorhaben als „wichtige Vorhaben von europäischem Interesse“ („Important Projects of Common European Interest“, kurz IPCEI) eingestuft werden. Für IPCEI-Projekte gelten gelockerte Beihilferegeln. Als Vorbild dienen dabei ähnliche Förderungen für die Mikroelektronik und für den Aufbau einer Batteriezellenfertigung, die die EU-Kommission ebenfalls als IPCEI-Projekte eingestuft hatte.

Investitionsbedarf von 30 Milliarden Euro

Klar ist, dass der Betrag von 2,5 Milliarden Euro weit an den tatsächlichen Erfordernissen vorbeigeht. So rechnet etwa der Thinktank Agora Energiewende damit, dass die Stahlindustrie in Europa rund 30 Milliarden Euro investieren muss, um die eigenen Produktionsprozesse klimaneutral zu gestalten. Allein der größte deutsche Stahlhersteller Thyssen-Krupp rechnet nach eigenen Angaben mit einem Investitionsvolumen von zehn Milliarden Euro, um den gesamten Anlagenpark zu erneuern.

Der niedersächsische Stahlhersteller Salzgitter geht von zwei Milliarden Euro aus. Nicht eingerechnet sind dabei Kosten, die im Vergleich zur kohlebasierten Produktion durch teurere Vormaterialien wie grünen Wasserstoff entstehen. So kostet grüner Wasserstoff derzeit etwa viermal so viel wie Erdgas, das ebenfalls zur Produktion von Rohstahl verwendet werden kann.

In Regierungskreisen verweist man darauf, die 2,5 Milliarden Euro seien nicht alles, was man der Industrie zu bieten habe. So stelle man derzeit die Weichen für eine Opex-Förderung für die Produktion von grünem Wasserstoff. Wirtschaftsstaatssekretär Andreas Feicht verweist in diesem Zusammenhang auf den Plan der Bundesregierung, den für die Wasserstoff-Elektrolyse eingesetzten Strom von der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu befreien. Tatsächlich sinken dadurch die Herstellungskosten für grünen Wasserstoff deutlich.

In den betroffenen Branchen sieht man das allerdings nicht als Opex-Förderung. „Hier wird der Strom von einer Umlage befreit, die es in anderen Ländern nicht oder nicht in dieser Höhe gibt. Unter dem Strich kommt das Strompreisniveau damit nur der Konkurrenzfähigkeit ein Stück näher“, klagt ein Industrievertreter.

Nach Branchenschätzungen liegt der Preisaufschlag pro Tonne grünem Stahl bei etwa 200 Euro. Aktuell liegt der Stahlpreis bei etwa 470 Euro je Tonne Warmband. Der Wechsel zu klimaneutralen Produktionsverfahren würde den Stahl also um rund 50 Prozent verteuern. Völlig unklar ist aber noch, inwieweit die Abnehmer bereit sind, diesen Aufschlag zu zahlen. Die Branche fordert daher eine Preisabsicherung etwa in Form von Differenzkontrakten, um die Nachfrage abzusichern.

Stahlbranche: Pläne der Politik reichen nicht aus

Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, ist von den bisherigen Zusagen der Politik enttäuscht. „Der Aufbau einer funktionierenden Wasserstoffwirtschaft ist für eine klimaneutrale Stahlindustrie unverzichtbar. Für die Stahlunternehmen ist es von großer Bedeutung, dass die Bundesregierung rasch Maßnahmen auf den Weg bringt, die eine Umstellung auf CO2-arme Produktionsverfahren ermöglichen und die deutlich höheren Betriebskosten einer wasserstoffbasierten Stahlerzeugung absichern“, sagte Kerkhoff. Die erforderlichen Instrumente müssten zudem mit ausreichend finanziellen Mitteln ausgestattet werden. „Die Pläne der Politik, auch auf Ebene der EU, reichen hierzu bislang nicht aus“, sagte Kerkhoff.

Frank Schulz, Deutschlandchef von Arcelor-Mittal, sieht den Betrag von 2,5 Milliarden Euro, den die Bundesregierung in Aussicht stellt, lediglich als „guten Anfang, um die Investitionen anzuschieben“. Schulz weist darauf hin, dass bereits ein großer Wettbewerb um Förderungen herrscht. So sei etwa der europäische Innovationsfonds, bei dem sich Arcelor-Mittal mit einem Projekt beworben hat, um den Faktor 22 überzeichnet. „Daran sieht man, dass die Unternehmen bereit sind, ihren Beitrag zu leisten.“ Doch brauche es deutlich höhere Mittel, um die Transformation zu bewältigen.

Auch die Chemieindustrie steht vor Milliardeninvestitionen, um klimaneutral zu werden. Der Druck ist enorm gewachsen, seit die EU sich nicht mehr allein damit zufriedengeben will, die Treibhausgasemissionen bis 2050 gegenüber 1990 um 80 bis 95 Prozent zu senken, sondern das Ziel der Klimaneutralität anstrebt.

Als noch das alte Ziel maßgebend war, spekulierten viele Industrieunternehmen darauf, die noch zulässigen Restemissionen seien für sie reserviert. Dieser Spielraum ist nun weg. Um das ehrgeizige Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, wird man am Ende auch auf Instrumente wie die Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, kurz CCS) setzen müssen. Insbesondere aber führt an dem Einsatz von grünem Wasserstoff in der Industrie kein Weg vorbei.