Im Sprint zur Fusion
Heißt es nun besser „Sehr geehrte Kollegen“ oder „Liebe Kollegen“? Bei der Düsseldorfer WGZ Bank ist die förmlichere Anrede üblich, bei der Frankfurter DZ Bank die direktere. Was also gilt ab Montag, wenn beide Geldhäuser fusionieren? Diejenigen, die den Zusammenschluss vorbereitet haben, haben sich diese Frage gestellt. Ihre Antwort: Niemand muss sich umstellen, eine Vorgabe dazu gibt es nicht.
Zu vielen anderen Fragen dagegen schon. Denn das, was bei Zusammenschlüssen meist erst nach dem Fusionsstichtag passiert, haben die Schwesterbanken DZ und WGZ bereits vorher festgezurrt. Die beiden genossenschaftlichen Spitzeninstitute sind ab Montag offiziell eins – und mit einer Bilanzsumme von 500 Milliarden Euro die drittgrößte deutsche Geschäftsbank. Übertroffen nur von Deutscher Bank und Commerzbank.
Rekordverdächtig dabei ist das Tempo der genossenschaftlichen Fusion. Mitte November unterzeichneten die Vorstandschefs Wolfgang Kirsch und Hans-Bernd Wolberg sowie die Aufsichtsratschefs Helmut Gottschalk und Werner Böhnke die Absichtserklärung für einen Zusammenschluss. Nur wenige Eingeweihte wussten überhaupt von dem Projekt mit dem Codenamen „Rhein Main“. Im April setzen die Vorstände ihre Unterschrift unter den Verschmelzungsvertrag. Am 1. August ist die Fusion perfekt.
Gemeinsame Geschäftszahlen wird die fusionierte DZ Bank rückwirkend sogar schon für das erste Halbjahr 2016 berichten. Ungewöhnlich, denn oft dauert es Monate, wenn nicht Jahre, bis zwei Banken komplett verschmolzen sind. „Die Geschwindigkeit ist eine Besonderheit der Fusion“, sagt einer, der sich maßgeblich begleitet hat.
Zugegeben, DZ und WGZ Bank ähneln einander, sie haben dasselbe Geschäftsmodell, wobei die DZ Bank viermal so groß ist wie die WGZ. Aber vielleicht musste es jetzt einfach besonders schnell gehen. Immerhin waren bereits vier Anläufe für einen Zusammenschluss gescheitert, zuletzt vor sieben Jahren am Widerstand der WGZ-Eigner. Die votierten dieses Mal dafür. Die Eigentümer beider Banken, die Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland, billigten den Zusammenschluss mit je fast 100 Prozent Zustimmungsquote. Sozialistische Verhältnisse bei den Genossen.
Damit hat der Genossenschaftssektor den Sparkassen einiges voraus: Die öffentlich-rechtliche Konkurrenz leistet sich noch immer fünf große eigenständige Landesbanken sowie mehrere Bausparkassen und Versicherer. All das haben die Genossen bereits zu je einem Anbieter fusioniert.
Pilotkunde der EZB
Hohes Tempo, große Zustimmung – ein Selbstläufer war die Fusion der beiden Spitzeninstitute trotzdem nicht. Immerhin ist es der größte Zusammenschluss zweier Geldhäuser, seitdem die Europäische Zentralbank (EZB) die Aufsicht über die 130 wichtigsten Kreditinstitute der Euro-Zone übernommen hat. „Wir sind der Pilotkunde der EZB“, sagt einer aus der Führungsriege. Weit über 100 Einzelgenehmigungen der Notenbank und anderer Aufsichtsbehörden brauchten DZ und WGZ Bank – bis hin zur Neugenehmigung interner Ratingmodelle beispielsweise.
Und beide Banken, die vor allem Dienstleistungen für die Volks- und Raiffeisenanken erbringen, mussten auch solche Regeln im Blick haben, die erst in der Zukunft in Kraft treten. Es sei eine „große Herausforderung“, im aktuellen regulatorischen Umfeld zu fusionieren, sagt der Manager. Und ein Grund, warum Fusionen europäischer Großbanken in letzter Zeit ausblieben.
Komplex sind Zusammenschlüsse aber sowieso. Allein schon, weil sie meist mit Kostensenkungen verbunden sind – jährlich 100 bis 150 Millionen Euro will die fusionierte DZ Bank einsparen beziehungsweise mehr an Ertrag erzielen.
Auch bei der DZ Bank war die Stimmung zwischen Management und Betriebsrat zwischenzeitlich aufgeheizt. Immerhin sollen 700 Vollzeitstellen wegfallen, was insgesamt rund 1.000 Jobs entsprechen dürfte. Zuletzt arbeiteten bei den beiden Geldhäusern zusammen knapp 5.700 Menschen. Mitte Juli dann einigten sich beide Seiten doch noch auf einen Sozialplan und Interessenausgleich.
Schwierig wird es trotzdem für alle diejenigen, die künftig statt in Düsseldorf in Frankfurt arbeiten sollen – und das nicht wollen oder können. Sicher ist: In den Zügen zwischen beiden Städten werden künftig weitaus mehr DZ-Banker sitzen als heute. Und sie werden sehr viele E-Mails schreiben. Um alle Daten sicher und schnell auszutauschen, wurde die Internetverbindung bereits auf 10.000 Megabit pro Sekunde ausgebaut – 50-mal so viel Kapazität wie bisher.
Schon während der Fusionsvorbereitungen sind Mitarbeiter beider Häuser 2.600-mal von Düsseldorf nach Frankfurt gependelt – oder anders herum. Auch die Vorstände werden auf Reisen gehen. Für die Frankfurter sind Büros in Düsseldorf reserviert, für die Düsseldorfer Büros in Frankfurt. Gemeinsam sitzt die Führungsriege dann im sechsten Stock des Cityhauses II, einem schmucklosen Gebäude aus den 1980-er Jahren. Theoretisch könnten sie das auch im höchsten, dem 53. Stock des benachbarten Büroturms tun, der ebenfalls die DZ Bank beherbergt. Doch Etage sechs passt zum Understatement, das die Genossenschaftsbanken gerne pflegen, DZ Bank wie WGZ Bank.
Wen in Frankfurt dennoch das Heimweh nach Düsseldorf überfällt, kann sich in der neuen Kantine trösten. Dort hängt ein großformatiges Bild von Düsseldorf. Natürlich auch eines von Frankfurt. „Rhein Main“ ist längst kein Codename mehr.
KONTEXT
Zehn größte Banken Deutschlands (nach Bilanzsumme Ende 2015)
Platz 10
Postbank
Bilanzsumme: 149 Milliarden Euro
Platz 9
Helaba
Bilanzsumme: 172 Milliarden Euro
Platz 8
NordLB
Bilanzsumme: 182 Milliarden Euro
Platz 7
BayernLB
Bilanzsumme: 224 Milliarden Euro
Platz 6
Landesbank Baden-Württemberg (LBBW)
Bilanzsumme: 234 Milliarden Euro
Platz 5
Hypovereinsbank
Bilanzsumme: 314 Milliarden Euro
Platz 4
DZ- und WGZ-Bank
Bilanzsumme: 498 Milliarden Euro
Davon entfallen etwa 400 Milliarden auf die DZ-Bank und ungefähr 95 Milliarden auf die WGZ-Bank. Am 19. November 2015 wurde bekannt, dass die beiden Genossenschaftsbanken fusionieren.
Platz 3
KfW-Bankengruppe
Bilanzsumme: 503 Milliarden Euro
Platz 2
Commerzbank
Bilanzsumme: 536 Milliarden Euro
Platz 1
Deutsche Bank
Bilanzsumme: 1.740 Milliarden Euro
KONTEXT
Die größten Genossenschaftsbanken (2015)
Platz 10
Volksbank Mittelhessen eG (Gießen)
Bilanzsumme: 6,8 Mrd. EuroEinlagen: 5,3 Mrd. EuroSpareinlagen: 1,5 Mrd. EuroKundenforderungen: 4,2 Mrd. Euro
Alle Angaben beziehen sich auf das Jahresende 2015.
Platz 9
Evangelische Bank eG (Kassel)
Bilanzsumme: 7,1 Mrd. EuroEinlagen: 5,8 Mrd. EuroSpareinlagen: 1,8 Mrd. EuroKundenforderungen: 3,89 Mrd. Euro
Platz 8
Sparda-Bank West eG (Düsseldorf)
Bilanzsumme: 8,7 Mrd. EuroEinlagen: 7,8 Mrd. EuroSpareinlagen: 3 Mrd. EuroKundenforderungen: 4,6 Mrd. Euro
Platz 7
Frankfurter Volksbank eG
Bilanzsumme: 8,9 Mrd. EuroEinlagen: 6,9 Mrd. EuroSpareinlagen: 1,6 Mrd. EuroKundenforderungen: 5 Mrd. Euro
Platz 6
BBBank eG (Karlsruhe)
Bilanzsumme: 9,3 Mrd. EuroEinlagen: 7,8 Mrd. EuroSpareinlagen: 2,1 Mrd. EuroKundenforderungen: 4,9 Mrd. Euro
Platz 5
Bank für Sozialwirtschaft AG (Köln)
Bilanzsumme: 9,4 Mrd. EuroEinlagen: 6,7 Mrd. EuroSpareinlagen: 361 Mio. EuroKundenforderungen: 5,4 Mrd. Euro
Platz 4
Sparda-Bank Südwest eG (Mainz)Bilanzsumme: 9,5 Mrd. EuroEinlagen: 7,5 Mrd. EuroSpareinlagen: 1,9 Mrd. EuroKundenforderungen: 6,6 Mrd. Euro
Platz 3
Berliner Volksbank eG
Bilanzsumme: 11,9 Mrd. EuroEinlagen: 10,1 Mrd. EuroSpareinlagen: 1 Mrd. EuroKundenforderungen: 7,7 Mrd. Euro
Platz 2
Sparda-Bank Baden-Württemberg eG (Stuttgart)
Bilanzsumme: 14 Mrd. EuroEinlagen: 11,9 Mrd. EuroSpareinlagen: 6 Mrd. EuroKundenforderungen: 11 Mrd. Euro
Platz 1
Deutsche Apotheker- und Ärztebank eG (Düsseldorf)
Bilanzsumme: 36,6 Mrd. EuroEinlagen: 23,5 Mrd. EuroSpareinlagen: 114 Mio. EuroKundenforderungen: 28,1 Mrd. Euro
Quelle
Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR)