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Das späte Rückspiel des Friedrich Merz

Wolfgang Schäuble sorgt sich schon seit Wochen um den Zustand der Union. Dem Bundestagspräsidenten und dienstältesten Abgeordneten treibt nicht erst seit den Niederlagen in Bayern und Hessen die Sorge über das Erstarken der AfD um. In kleiner Runde fürchtete Schäuble erst jüngst vor allem einen „Denkzettel“ bei der Europawahl im kommenden Jahr. Bei diesen vertraulichen Gesprächen war auch Friedrich Merz involviert.

Die Meldung am Montag, dass der 62-Jährige bereit sei, sich der Verantwortung zu stellen und für den CDU-Vorsitz als Nachfolger von Angela Merkel zu kandidieren, wenn die Partei das möchte, schlug in Berlin wie eine Bombe ein. Dem einen oder anderen in den CDU-Spitzengremien dürfte es eiskalt in die Knochen gefahren sein.

Die Spekulationen über Merz’ Schritt halten sich schon länger. Erst Mitte Oktober besuchte er mehrere Top-Politiker in Brüssel, „um zu erfahren, was man in der EU über die Bundesregierung und Kanzlerin Merkel denkt“, wie es danach von Teilnehmern der Gespräche hieß.

Ein führender CDU-Mann ist sich deshalb sicher, dass Merz derzeit auch mit großen Landesverbänden Kontakt sucht, um eine mögliche Kandidatur auf dem CDU-Parteitag in Hamburg bestmöglich vorzubereiten. Zu den einflussreichsten CDU-Verbänden gehören traditionell Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.

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Unterstützung vom Wirtschaftsflügel

Merz selbst, am Wochenende noch in den USA unterwegs, erhielt umgehend für seine mögliche Kandidatur Unterstützung aus dem Wirtschaftsflügel der Partei. Der Sauerländer ist immer noch sehr beliebt in den konservativen und wirtschaftsfreundlichen Kreisen der CDU. Er verkörpert alles, was Teile der Christdemokraten so sehr vermissen: einen marktwirtschaftlichen Kurs und ein konservatives Weltbild, das aber pragmatisch daherkommt und nicht ideologisiert ist.

Merz steht für eine Debatte über eine deutsche Leitkultur. Die Sozialdemokratisierung der CDU unter Merkel dürfte er mit Entsetzen verfolgt haben. In der Partei könnten mit ihm auch die Hoffnungen auf eine Rückbesinnung auf die konservativen Wurzeln zurückkehren, um damit zugleich die AfD zu attackieren. Auch marktwirtschaftlich hoffen viele auf eine Neuausrichtung einer als rot-grün empfundenen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung.

Ein Vorteil für Merz könnte auch sein, dass er vielfältige Erfahrungen aus der Wirtschaft mitbringt und kein reiner Parteisoldat ist.

Finanziell unabhängig und angreifbar

Seine wirtschaftliche Stellung gibt ihm auch eine gewisse Unabhängigkeit. Klar müsste ihm aber auch sein: Wenn er ernsthaft an die Spitze der CDU strebt, müsste er seine Spitzenfunktionen bei Blackrock, dem größten Vermögensverwalter der Welt, oder bei der Düsseldorfer Privatbank HSBC Trinkaus sofort aufgeben.

Er ist Vorsitzender des Vereins Atlantik-Brücke, der sich für einen guten Austausch mit den USA einsetzt. Zu dem Netzwerk gehören rund 500 führende Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft.

Außerdem sitzt Merz fast in einem halben Dutzend Aufsichts- oder Verwaltungsräten großer Konzerne. Die kritischen Stimmen werden nicht lange auf sich warten lassen, die vor allem sein Engagement bei Blackrock kritisch hinterfragen. Der Vermögensverwalter gilt in Teilen der Öffentlichkeit als wenig zimperlicher US-Investor.

Wie groß die Sehnsucht nach einem Politikertypus wie Merz ist, zeigten indes bereits die Reaktionen auf seine Berufung im November 2017 in die Landesregierung von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) als „Beauftragter für die Folgen des Brexits und die transatlantischen Beziehungen“.

Merz, der vor allem in Krisenzeiten der CDU zur festen Führungsreserve in den Köpfen vieler Parteimitglieder gehört, konnte viele Spekulationen über sich lesen, ob er als „Intimfeind“ von Kanzlerin Angela Merkel über Düsseldorf sein politisches Comeback plane. Er selbst bestritt das: „Das bedeutet absolut kein Comeback als Politiker.“ Parteifreunde, die ihn gut kennen, waren sich schon damals nicht ganz so sicher.

Die Säle füllt der eloquente Jurist heute immer noch, obwohl er bereits vor zehn Jahren aus der Politik ausgeschieden ist. Der Erfinder der besonders einfach gehaltenen „Bierdeckel-Steuer“ war bis nach der Bundestagswahl 2002 Fraktionsvorsitzender der CDU, dann drängte Merkel ihn aus dem Amt. Zwei Jahre später trat er als Fraktionsvize zurück.

Gerüchte, er wolle seine eigene Partei gründen, dementierte der Zwei-Meter-Mann danach so klar wie regelmäßig. Einen Wechsel zur FDP lehnte er ab. In seinem Wahlkreis, dem Hochsauerlandkreis, erreichte er 2005 immer noch mehr als 57 Prozent der Erststimmen. Im Jahr 2009 zog er sich komplett aus der aktiven Politik zurück. Er brauche eine Pause, sagte er.

Damit soll nun offenbar Schluss sein. Angesprochen auf eine mögliche Kandidatur von Merz, erklärte Kanzlerin Merkel am Montag, sie könne dazu nicht viel sagen. „Ich bin ein Mensch, der mit ziemlich vielen Menschen sehr, sehr gut zusammenarbeiten kann. Dafür bin ich auch bekannt.“

Dass ein Duo Merz/Merkel funktionieren würde, schlossen erfahrene CDU-Politiker allerdings kategorisch aus. Merz ist bis heute tief verletzt, weil er die Absetzung als Fraktionschef als Merkel-Intrige empfand. Die Aktion traf ihn damals total unvorbereitet. Es sei nicht vorstellbar, wie eine erfolgreiche Zusammenarbeit Merkels mit einem Parteivorsitzenden Merz aussehen soll. Merz dränge es dann nach der ganzen Macht und damit auch nach dem Kanzleramt, heißt es in der CDU.

Der verlorene Stolz der CDU

Andere Unionspolitiker begrüßten eine mögliche Kandidatur. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian von Stetten, Vorsitzender des einflussreichen „Parlamentskreises Mittelstand“ der Unionsfraktion, sagte: „Als Parteichef wird Friedrich Merz den CDU-Mitgliedern und -Anhängern den verlorenen Stolz zurückgeben.“

Zustimmung kam auch aus der CSU. „Er – Friedrich Merz – eröffnet damit für die CDU eine immense Perspektive und setzt damit auch ein Signal gegen eine weitere Erosion hin zur AfD“, sagte der frühere CSU-Generalsekretär Thomas Goppel. Für Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, wäre es „natürlich zu begrüßen, wenn Friedrich Merz sich als Parteivorsitzender zur Verfügung stellen würde“.

Merz startet damit ein spätes Rückspiel gegen Merkel. Aber selbst wenn ihm der Griff nach dem Parteivorsitz nicht gelingen sollte, scheint die alte Weisheit von Helmut Kohl zu gelten, dass in der Politik Rache ein Gericht ist, das kalt gegessen wird.