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Shell kündigt radikalen Sparkurs an – Abbau von bis zu 9000 Stellen

Eingebrochene Nachfrage, niedriger Ölpreis und immer mehr Erneuerbare zwingen nun auch den britisch-niederländischen Ölriesen Shell zum Umbau.

Der britisch-niederländische Ölkonzern Shell kündigt einen harten Sparkurs an. Insgesamt sollen in den nächsten beiden Jahren bis zu 9000 Stellen gestrichen werden. Gleichzeitig soll in der bislang wichtigsten Sparte, der Förderung und Produktion von Öl und Gas, gespart werden.

Das Geld, das in dem sogenannten Upstream-Bereich eingespart wird, soll nun in den Ausbau des Geschäfts mit erneuerbaren Energien und Strom investiert werden. „Wir werden 2050 noch ein bisschen Öl und Gas in unserem Energiemix haben, aber unser Hauptfokus wird auf nachhaltigem Strom sein, bei Biokraftstoffen, Wasserstoff und anderen alternativen Lösungen“, sagte Shell-CEO Ben van Beurden zu den Ankündigungen am Mittwoch.

Das Sparprogramm, intern unter dem Namen „Project Reshape“ bekannt, ist die bislang drastischste Maßnahme in der Neuausrichtung des Ölriesen. Nach mehr als einem Jahrhundert stetig steigender Nachfrage nach Öl und Gas steht die Branche vor einer Wende.

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Für Shell begann diese vor anderthalb Jahren, als Vorstand Maarten Wetselaar ankündigte, der Ölkonzern wolle zum größten Stromversorger der Welt werden – und damit den größten Umbau in der Geschichte des Unternehmens einläutete.

Bis 2035 soll Strom neben dem Öl-, Gas- und Chemiegeschäft zur gleichberechtigten vierten Säule des Konzerns werden und dreißig Prozent des Umsatzes ausmachen. Damit war Shell einer der ersten Ölkonzerne, die auf die fundamentalen Veränderungen reagierten, die das Geschäftsmodell der einst mächtigsten Industrie der Welt gefährden.

Seit Jahren erhöht sich der Druck von Politik, Umweltaktivisten und klimabewussten Investoren auf die Großkonzerne. Gleichzeitig werden erneuerbare Energien immer günstiger und wachsen schnell. Der plötzliche Einbruch der Ölnachfrage in der Corona-Pandemie brachte die Branche zusätzlich in Bedrängnis. Der Ölpreis rutschte zeitweise sogar ins Minus und liegt aktuell im Durchschnitt bei lediglich knapp 40 Dollar pro Barrel der Nordseesorte Brent.

Die Branchenführer Exxon Mobil, Chevron, Shell, BP und Total verbuchten teils zweistellige Milliardenverluste und kürzten gleichzeitig ihre Investitionen in ähnlicher Höhe. In den USA gingen in den vergangenen Monaten zahlreiche junge Fracking-Unternehmen pleite, BP streicht 10.000 Jobs, bei Chevron sind es 6000, und auch Exxon Mobil kündigte bereits einen weltweiten Stellenabbau in noch unbekannter Höhe an.

Während US-Ölkonzerne wie Exxon Mobil und Chevron sich trotzdem auf die fossile Rohstoffförderung konzentrieren, steht die Konkurrenz in Europa durch schärfere nationale und EU-weite Vorgaben unter deutlich mehr Druck, ihr Geschäft auf CO2-freundlichere Energieformen umzustellen. Shell, BP, Total, der italienische Eni-Konzern und die norwegische Equinor haben deswegen angekündigt, bis 2050 komplett klimaneutral zu werden.

Weniger Öl, mehr Erneuerbare

Für Shell bedeutet das weniger Geld für neue Öl- und Gasprojekte, stattdessen will sich der Konzern auf bestimmte Kernregionen wie den Golf von Mexiko, Nigeria und die Nordsee konzentrieren. Auch im Bereich „Integrated Gas“, in dem auch das Geschäft mit Flüssigerdgas (LNG) verankert ist, soll es massive Einsparungen geben.

Aber auch das Downstream-Segment, also die Verarbeitung und der Verkauf von Rohölprodukten, soll schlanker aufgestellt werden. Sieben der insgesamt 17 Raffinerien sollen verkauft werden, und es ist geplant, die Produktion von CO2-armen Kraftstoffen wie Biokraftstoff auszubauen. Durch die Maßnahmen sollen wischen 2,0 und 2,5 Milliarden Dollar jährlich eingespart werden.

„Wir müssen mehr an die Zukunft unserer Kunden denken und weniger an die Zukunft unserer Anlagen“, sagte Shell-CEO van Beurden vor Kurzem in einem Interview mit der niederländischen Zeitung „Het Financiele Dagblatt“. Dazu gehöre auch, weniger Öl und Gas zu produzieren.

Der Standort Deutschland soll für Shell zum Testfall für den Umbau werden. Am Dienstagabend verkündete der Ölriese auf seinem Energiedialog in Berlin, dass man hierzulande der größte Produzent von Wasserstoff werden wolle. Zudem sollen die Raffinerien mehr alternative Kraftstoffe produzieren und weniger Öl verarbeiten. 1000 Schnellladesäulen kommen neben die Zapfsäulen mit dem Muschel-Logo, und die Produktion von Windkraft auf hoher See soll ebenfalls ein Standbein werden. „Wir werden ein völlig anderes Unternehmen sein“, sagte Deutschlandchef Fabian Ziegler dazu.

In der Tat dürfte das gesamte Ausmaß von „Project Reshape“ erst Ende des Jahres deutlich werden. Dann soll der endgültige Plan für die Restrukturierung stehen.

Die lange beschworene Bewährungsprobe für „Big Oil“ scheint damit längst da zu sein. Das wurde spätestens in der vergangenen Woche deutlich, als der britische Ölkonzern BP das Ende des Ölbooms verkündete. „In der modernen Energiegeschichte gab es noch nie einen absoluten Nachfragerückgang bei den fossilen Rohstoffen. Das ändert sich jetzt“, verkündete BP-Chefökonom Spencer Dale mit Achtung heischender Miene bei der Vorstellung des jährlichen Energy-Outlooks.

Bislang sprachen Experten immer von einer stetig steigenden Nachfrage bis mindestens 2040. Nun scheint Corona das Ende des Ölzeitalters zu beschleunigen. Die fossilen Energiekonzerne treten die Flucht nach vorn an – zumindest in Europa.
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