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Sanfter Wachwechsel: So soll die Machtübergabe bei Amazon gelingen

Amazons Gründer tritt als CEO zurück, der Chef der Cloud-Sparte übernimmt. Die Aktionäre bleiben gelassen – denn Jeff Bezos behält als Chefaufseher die Kontrolle.

Amazon steht vor einer Zäsur – doch die Aktionäre bleiben gelassen. Der größte Onlinehändler der Welt kündigte an, dass Gründer und Chef Jeff Bezos sich von der Spitze zurückziehen wird. Zum dritten Quartal übergibt er an Andy Jassy, der bislang die Cloud-Sparte Amazon Web Services (AWS) leitet.

Die Aktionäre nahmen den Abgang von Unternehmerlegende Bezos gelassen – wozu auch die gleichzeitig veröffentlichten sehr guten Geschäftszahlen für 2020 beitrugen. Der Kurs der Amazon-Aktie eröffnete am Mittwoch in den USA kaum verändert.

Der 59-jährige Bezos wird sich nicht in den Ruhestand verabschieden, wie er in einem Brief an die Mitarbeiter betonte: „Ich hatte noch nie mehr Energie.“ In seiner künftigen Rolle als Verwaltungsratschef („Executive Chairman“) von Amazon wolle er seine Aufmerksamkeit auf neue Produkte und Initiativen ausrichten.

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Die Übergabe sei „sehr elegant gemacht“, analysiert Professor Dietmar Harhoff vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb: Mit Jassy übernehme der Chef der Wachstumssparte, Bezos könne sich auf Innovationen konzentrieren. Zugleich bleibe der Gründer die zentrale Figur. „Amazon hat einen gleitenden Übergang eingeleitet“, sagt Innovationsexperte Harhoff.

Die Berufung von Jassy deutet gleichzeitig darauf hin, dass das Cloud-Computing, bei dem Amazon Rechenleistung und Speicherplatz für Kunden anbietet, innerhalb des Konzerns strategisch an Bedeutung gewinnen wird.

Der Übergang bei Amazon hat sich schon länger angedeutet. Zunehmend widmete sich Jeff Bezos anderen Projekten. So betreibt er mit Blue Origin ein Raumfahrtunternehmen, besitzt mit der „Washington Post“ eine renommierte Zeitung und betätigt sich als Philanthrop – für die Rettung des Planeten hat er jüngst einen Fonds mit zehn Milliarden Dollar ausgelobt. Vor der Pandemie war der Manager auch häufig mit seiner neuen Partnerin, der Schauspielerin Lauren Sanchez, auf den roten Teppichen Hollywoods zu sehen.

Gewinner der Corona-Pandemie

Bei der Führung von Amazon verlässt sich Bezos schon seit Jahren auf einen engen Zirkel, „S-Team“ genannt, der gemeinsam mit ihm strategische Entscheidungen trifft – auch der neue Chef ist hier vertreten. Zudem hat der Gründer eine Reihe von Prinzipien aufgestellt, an denen alle Mitarbeiter gemessen werden. „Jeff ist ja schon länger an diversen Projekten beteiligt und gibt seinen Führungskräften seit jeher Autonomie“, sagte Jassy dem Handelsblatt 2019. (Hier das ganze Interview von Juli 2019)

Für Amazon kommt der Wechsel auch zu einer günstigen Zeit. Die Coronakrise hat das Unternehmen nach anfänglichen Schwierigkeiten gut überstanden, neben dem Onlinehandel boomt auch das Cloudgeschäft. „Wenn man sich unsere finanziellen Ergebnisse anguckt, sieht man die Resultate langfristiger, aufeinander aufbauender Innovationen“, erklärte Bezos. Daher sei nun ein „optimaler Zeitpunkt“ für den Übergang.

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie stellten Amazon anfangs vor einige praktische Probleme, mittlerweile zählt der Konzern aber zu den großen Profiteuren der Ausgangsbeschränkungen. Zum Ärger der Konkurrenz: „Ich sehe mit Besorgnis, mit welcher Gleichgültigkeit die Politik gerade ein Konjunkturprogramm für Amazon betreibt“, sagte Patrick Zahn, Chef der Textilkette Kik, in diesen Tagen im Handelsblatt-Interview.

Genaue Analysen zum Weihnachtsgeschäft fehlen noch. Doch alles deutet darauf hin, dass der US-Riese seine Marktmacht im Handel weiter ausgebaut hat. Ein Beleg dafür sind die Quartalszahlen: Zum Jahresabschluss steigerte Amazon den Umsatz weltweit um 44 Prozent auf 126 Milliarden Dollar und verdoppelte den Nettogewinn auf 7,2 Milliarden Dollar – beide Werte übertrafen die Erwartungen der Analysten.

Am Anfang der Coronazeit war das Unternehmen vom plötzlichen Kundenansturm überfordert und musste bei der Logistik Prioritäten setzen. So wurde die Auslieferung von weniger benötigten Produkten rigoros gestoppt, um bei den besonders gefragten Artikeln wie Desinfektionsmitteln, Lebensmitteln oder Gartenmöbeln pünktlich zustellen zu können. Zugleich kam es zu Problemen durch Coronafälle in den Logistikzentren; zahlreiche Mitarbeiter protestierten gegen aus ihrer Sicht gefährliche Arbeitsbedingungen.

Doch letztlich konnte Amazon all diese Probleme überwinden und als Gewinner aus der Coronakrise hervorgehen. „Für Amazon war das Jahr 2020 ein Stresstest, den das Unternehmen extrem erfolgreich bestanden hat“, sagt Nils Seebach, Handelsexperte und Geschäftsführer der E-Commerce-Beratung Etribes. Der Konzern sei an die Kapazitätsgrenzen gestoßen, aber die Technologie wie die Logistik hätten nicht nur der Pandemie, sondern auch dem stärksten Weihnachtsgeschäft der Geschichte standgehalten.

Ein starker Nachfolger

Die Grundlagen dafür hatte Bezos schon lange vorher gelegt. „Schon vor Corona hat der Konzern nicht nur dafür gesorgt, sein Lagernetzwerk und die Kapazitäten dort kontinuierlich auszubauen, sondern auch in Sachen Logistik vorzuplanen“, erklärt Handelsexperte Seebach. Der Aufbau einer eigenen Flugzeugflotte sei dabei sinnbildlich. „Die Ideen von Jeff Bezos haben Amazon groß gemacht“, sagt der E-Commerce-Experte.

Trotzdem sei der Wechsel an der Spitze des Unternehmens keine gute Nachricht für die Konkurrenz. „Wenn er nun seine volle Kraft auf die strategische Entwicklung verwenden kann, dann bedeutet das: Amazon wird noch stärker, noch besser werden“, sagte Seebach.

Mit Andy Jassy hat Jeff Bezos einen Nachfolger, der eine der spektakulärsten Erfolgsgeschichten der Technologiewelt seit der Jahrtausendwende geschrieben hat. Der Manager baute Amazon Web Services (AWS) von einem internen Dienst für die Entwickler des Konzerns zu einer kritischen Infrastruktur für zahlreiche Kunden aus. Mehr noch, mit seinem Team veränderte er maßgeblich, wie Unternehmen heute IT nutzen.

Das Geschäft wächst kräftig, besonders in der Coronakrise, in der viele Unternehmen in die Digitalisierung investieren. Und es ist hochprofitabel, anders als der Onlinehandel: 2020 machte AWS bei 45 Milliarden Dollar Umsatz rund 13,5 Milliarden Dollar Gewinn – das sind fast zwei Drittel dessen, was der gesamte Konzern verdient.

Das Potenzial ist längst nicht ausgeschöpft. Das Unternehmen passt beispielsweise seine Lösungen für einzelne Branchen wie die Industrie an und baut für den Vertrieb ein Partnernetzwerk auf.

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Ähnlich wie Bezos hat Jassy gigantische Ambitionen. „In zehn oder 20 Jahren werden die meisten Unternehmen keine eigenen Rechenzentren mehr haben“, sagte er 2019 in einem Interview mit dem Handelsblatt. Nur Aufgaben, bei denen es auf die Nähe ankomme – zum Beispiel in einer Fabrik –, werde man künftig noch vor Ort erledigen. „Das meiste wird in die Cloud gehen.“

Die Ernennung von Andy Jassy unterstreicht, dass Amazon sich als Technologieunternehmen versteht. Und sie verändert die Prioritäten bei Amazon, zumindest etwas: „Ich erwarte, dass er dicht an AWS bleiben wird“, sagt Matthew Ball, Analyst beim Marktforscher Canalys – die strategische Bedeutung im Konzern werde steigen, auch wenn das Handelsgeschäft weiter wie geplant expandieren werde. Wirtschaftlich gesehen ist das nachvollziehbar: Die Cloudsparte ist eine Cashcow.

Politik als Herausforderung

Dagegen wird sich am Führungsstil vermutlich nicht viel ändern. Das kommt nicht von ungefähr: Jassy war schon einmal der Schatten von Bezos. 2003 schuf der Amazon-Gründer die Rolle des „technischen Assistenten“, der ihm zwei Jahre lang auf jeder Reise und in jedes Meeting folgen und jedes Detail des Jobs kennenlernen sollte – „shadow“ heißt dieser Posten intern.

Beide gelten als Manager, die Entscheidungen aufgrund von Daten treffen, bei Produkten von den Kunden aus denken, auf Details achten. Und beide reden gerne darüber, dass die Mitarbeiter von den Kunden „rückwärts arbeiten“ oder wie am ersten Tag an die Arbeit gehen müssen, also mit großer Lernbereitschaft – „Day 1“, Tag 1, lautet das im internen Jargon.

Jassy ist kein Softwareentwickler, wie man es an der Spitze eines Technologiekonzerns erwarten könnte, sondern ein Betriebswirt mit Harvard-Abschluss. Doch er genießt auch bei seinen technischen Mitarbeitern Respekt. „Andy ist nicht nur ein visionärer Anführer, sondern auch ein starker operativer Manager“, betonte Finanzchef Brian Olsavsky in der Analysten-Telefonkonferenz zur Vorstellung der Jahreszahlen.

Bezos teilt die Macht mit Jassy in einem Moment der wirtschaftlichen Stärke. Trotzdem hat der Manager einige Herausforderungen vor sich – dabei gehe es weniger um das Geschäft als um die Politik, sagt Innovationsforscher Dietmar Harhoff. Die Technologiekonzerne stehen in Europa wie auch in den USA wegen ihrer Marktmacht unter Druck. Die EU-Kommission wirft Amazon beispielsweise vor, die Daten anderer Händler auf der Plattform zu missbrauchen, um den Verkauf eigener Waren zu optimieren. „Da stehen potenziell schwerwiegende Veränderungen an, womöglich bis zur Aufspaltung“, sagt Harhoff.

In den USA war das politische Territorium für Amazon in den vergangenen Jahren besonders vermint. So zog sich Konzernchef Bezos die Feindschaft des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump zu, weil ihm die kritische Hauptstadtzeitung „Washington Post“ gehört. AWS bekam das zu spüren, als ein Milliardenauftrag des Verteidigungsministeriums überraschend an Microsoft ging, nachdem Trump gegen Amazon gestänkert hatte. Auch unter den Demokraten, die nun Präsident und Parlamentsmehrheit stellen, gibt es viele Kritiker, gerade was die Arbeitsbedingungen in den Lagerhäusern und den Umgang mit Gewerkschaften angeht.

Eine Kostprobe der politischen Seite des Jobs als Amazon-Chef bekam Jassy bereits: Nach der Attacke von Trump-Anhängern auf das US-Kapitol warf er die bei den Rechtsradikalen beliebte Plattform Parler aus der AWS-Cloud. Auch wenn der Schritt selbst von Kritikern der Tech-Branche begrüßt wurde, wurde vielen die schiere Macht der großen Plattformkonzerne erneut bewusst.

Auch die Unruhe unter den Mitarbeitern dürfte Jassy beschäftigen. Bei AWS war er Chef von 25.000 zum größten Teil hochqualifizierten und -bezahlten Mitarbeitern, ab dem Sommer trägt er die Verantwortung für 1,3 Millionen Menschen – auch jene, die in den Logistikzentren unter Bedingungen arbeiten, die Arbeitnehmervertreter immer wieder kritisieren.