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Risikokapitalgeber Albert Wenger: „Ein gewisser irrationaler Optimismus gehört dazu“

Der deutschstämmige Risikokapitalgeber von Union Square Ventures spricht über die Krise bei WeWork, ihre Folgen und warum er deutsche Gründer mag.

Wer Albert Wengers Büro in Manhattan betritt, dem fällt sofort das kleine Schmuckstück ins Auge: Auf einem Aktenschrank steht ein Apple II mit europäischer Stromversorgung. Auf dem Kult-Computer, der gut 35 Jahre alt ist, hat der Investor programmieren gelernt. Derzeit funktioniert er nicht, doch das soll sich bald ändern. „Ich will ihn wieder herrichten lassen“, sagt er. „Ihn anstellen zu können, das wäre schon cool.“

Herr Wenger, die Krise bei Wework dominiert derzeit die Schlagzeilen aus der Start-up-Welt. Wie nehmen Sie die Debatte wahr?
Hier kommen viele verschiedene Dinge zusammen. Dass Büroimmobilien lange Verträge haben ohne Flexibilität ist nicht zeitgemäß für eine Wirtschaft in der Firmen oft sehr schnell wachsen, oder auch sehr schnell schrumpfen, und in der Firmen mehr dezentralisiert sind und zehn Leute hier und 20 Leute dort haben. Hinter Wework steckt also eine sehr gute Idee. Und für gute Ideen hat es extrem viel Kapital gegeben. Besonders wenn Firmen sehr schnell gewachsen sind. Das führt manchmal zu gewissen Exzessen.

Die Wall Street ist allerdings nicht bereit, diese Exzesse mitzutragen.
Das ist auch ein relativ gesunder Prozess. Wework ist wie viele andere Start-ups lange in privaten Händen geblieben. Wie man bei unseren Portfolio-Unternehmen Twilio, Mongo DB, Etsy und Cloudflare gesehen hat, sind wir sind ein großer Fan davon, dass die Firmen früher an den Markt gehen.

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Warum?
Die Märkte sind zwar nicht perfekt, aber sie bringen eine gewisse Disziplin mit sich.

Sehen Sie eine Art Clash der Kulturen, weil im Silicon Valley andere Maßstäbe gelten als an der Wall Street?
Ich würde eher sagen, die Firmen waren undiszipliniert. In ihrem Wachstum und in dem was sie bereit waren, für ihren Wachstum zu bezahlen, in der Art der Verträge die sie gemacht haben und der Firmenkultur. Gewisse Dinge, die bei diesen Firmen mit Hyperwachstum und extrem viel privatem Kapital passiert sind, wären bei börsennotierten Unternehmen nicht möglich gewesen.

Woran denken Sie konkret?
Zum Beispiel daran, dass Wework 5,9 Millionen Dollar für die Rechte des Namens „We“ an Gründer Adam Neumann zahlte, bevor die Transaktion wieder rückgängig gemacht wurde.

Wird das Debakel bei Wework Auswirkungen auf andere Einhörner haben?
Ich kann mir vorstellen, dass jemand wie Wework nicht an den Markt geht oder nur zu einem viel niedrigeren Preis, und dass Firmen die gute Geschäfte aufbauen, weiter gute Chancen haben.

Wework und andere konnten nur so undiszipliniert sein, weil die Investoren sie gelassen haben.
Wir haben es mit einem Prinzipal-Agent-Problem zu tun: Wenn ich Manager eines großen Fonds bin, dann denke ich mir: Wenn ich nicht investiere, dann macht es ein anderer. Und wenn Wework tatsächlich die Verwandlung des kommerziellen Immobilienmarktes vorantreibt, dann könnte ich mir vorstellen, dass das Unternehmen 500 Milliarden Dollar wert sein kann. Die Fondsmanager haben sehr wenig persönliche Nachteile, daher ist es leicht zu verstehen, dass wir in diese Situationen kommen, in denen es keine Preisdisziplin gibt. Vor allem, wenn man bedenkt, was bei den Zentralbanken passiert.

Sie meinen die lange Phase niedriger Zinsen?
Genau. Es wäre naiv zu sagen, dass die Dinge im Silicon Valley in einem Vakuum geschehen. Wir haben in den USA seit der Finanzkrise allein vier Billionen Dollar an neuem Geld geschaffen, netto sind wir in etwa bei 3,5 Billionen. Ähnliches passierte bei der Europäischen und bei der Chinesischen Zentralbank. Wir drucken in der ganzen Welt Geld, da darf man sich nicht wundern, dass es eine Asset-Blase gibt. Hinzu kommen jetzt noch Staatsanleihen mit negativer Rendite im Wert von 17 Billionen Dollar. Wachstum und vor allem schneller Wachstum ist daher durchaus etwas wert.

Sehen wir jetzt eine Art Umdenken bei den Risikokapitalgebern, damit sich die Fehler bei Uber und Wework nicht wiederholen?
Naja. Uber war auch eine extrem gute Idee. Autos sind mobil, Menschen sind mobil, unsere Mobiltelefone wissen wo wir sind. Wie die Idee verwirklicht worden ist, wie schnell die Firma gewachsen ist, was für Abkürzungen dabei genommen wurden, da gibt es viele Fragen. Aber: Ein gewisser irrationaler Optimismus gehört zum Teil dazu. Man macht keine Start-up-Investitionen wenn man kein Optimist ist. Dann würde man nur denken, es geht alles schief. Das ist auch ein Grund, warum ich in den USA lebe und warum es hier eine ausgeprägtere Kultur an Start-ups und Risikokapital gibt.

Gibt es keinen Mittelweg?
Doch. Schon Aristoteles sprach ja davon, eine tugendhafte Mitte zwischen den Extremen zu finden. Aber das ist bei Start-ups extrem schwierig. Es gibt einen Modus, in dem man zu aggressiv ist, zu schnell wächst und zu hoch bewertet wird. Aber der kann genauso problematisch sein, wie ein zu zögerliches Verhalten. Deutschland war lange auf der vorsichtigen Seite. Bei uns ist das Pendel wahrscheinlich ein bisschen zu sehr in die andere Richtung ausgeschlagen.

Hyperwachstum ist seit Jahren ein wichtiges Schlagwort im Silicon Valley. Start-ups sind angehalten, möglichst schnell zu wachsen, koste es was es wolle. Hat das Modell nach Wework ausgedient?
Das würde ich so nicht sagen. Es gibt jetzt mehr Leute die sagen, dass Dinge zu exzessiv waren und sich nicht gelohnt haben. Uber und Wework sind da die Paradebeispiele. Es ist tatsächlich möglich zu schnell zu wachsen und viele Fehler dabei zu machen. Aber wenn Firmen ein tolles Geschäftsmodell haben, dann sollten sie durchaus versuchen schnell zu wachsen.

Der japanische Telekomkonzern Softbank, der große Anteile an Uber und Wework hält, hat mit seinem 100 Milliarden Dollar schweren Fonds die Welt der Risikokapitalgeber aufgemischt. Softbank schreibt die größten Schecks und verdrängt zum Teil andere Investoren.
Meines Erachtens wird da ein bisschen zu viel Wind gemacht. Es wird sich in den nächsten Jahren zeigen, ob der Fonds vernünftige Renditen abwirft. Wir haben nie gesagt, dass Softbank den ganzen Markt verdirbt und wir kein Geschäft mehr machen, weil es Softbank gibt. Es ist ein non-event für uns. Dass die Preise im ganzen Markt gestiegen sind, das wissen wir alle. Aber man kann nicht sagen dass nur schuld daran Softbank ist.

Risikokapitalgeber investieren zunehmen auch in Deutschland. Wie bewerten Sie die Start-up-Szene dort?
Ich finde Deutschland super interessant. Meines Erachtens gibt es ein wirklich gutes Ökosystem und viele interessante Start-ups. Wir haben in eine Reihe von Firmen investiert. Es gibt immer mehr neue Fonds, die sich auf Europa konzentrieren und auch viel Geld haben, Lakestar etwa und EQT und Atomico. Deutschland muss mal aufhören die Leute ins Silicon Valley zu schicken. Die Gründer brauchen nichts zu lernen, sie sollten ihre Zeit lieber dafür verwenden, eine Firma zu gründen und sie aufzubauen.

Wo ist Deutschland besonders stark?
Es gibt viele interessante Technologiebereiche, auch wenn wir nicht überall investieren. Zum Beispiel Kernfusion. Dort gibt es ein neues Start-up mit Experten, die wirklich Expertise bei dem Thema haben. Wir sind an Simscale beteiligt, einer Firma aus München, die sich auf Simulationen spezialisiert hat und aus der Technischen Universität München kam. Dort arbeiten fantastische Ingenieure. Im Laufe des Lebens einer Firma können natürlich viele Dinge schief gehen, daher braucht man genügend gute Firmen.

Gibt es die?
Es tut sich was. Aber diese Dinge brauchen Zeit. Vor ein paar Jahren hat es in Deutschland noch nie eine 100 Millionen Euro schwere Investitionsrunde gegeben. Jetzt gibt es eine Reihe davon. Und es hilft, dass große Arbeitgeber wie Siemens, BMW und die Deutsche Bank nicht mehr die erste Adresse für junge Leute sind.

In den USA dagegen sind Tech-Konzerne wie Google, Facebook und Amazon so groß geworden, dass die Politik über Aufspaltungen debattiert. Kritiker sagen, dass die Tech-Giganten Innovationen verhindern. Teilen Sie diese Meinung?
Ja. Innovation wird durch die große Marktmacht von Facebook und Co. gehemmt, das ist überhaupt keine Frage. Es kommt immer wieder vor, dass eine Firma zuerst gut läuft und dann Facebook das gleiche Feature übernimmt. Das macht man als Investor vielleicht ein oder zwei Mal mit, aber danach nicht mehr.

Ihre wichtigsten Investment-Thesen drehen sich um die Schlagworte Wissen, Kapital und Wohlbefinden. Aber wo investieren Sie genau?
In den USA zum Beispiel in den Bildungsbereich. Das bestehende System für Schulen und höhere Bildung ist am Rande des Zusammenbruchs. Das neue alternative System wird quasi nebendran aufgebaut. Es ist durch Selbst-Motivation und sehr viel flexibleres Lernen gekennzeichnet. Daher haben wir in Duolingo, Skillshare und Codecademy investiert und sind weiterhin auf der Suche. Der andere Bereich in dem wir sehr aktiv suchen ist alles was mit der Klimakrise zu tun hat.

Womit Sie genau den Zeitgeist treffen.
Wir waren relativ früh: Unsere erste Investition in diesem Bereich haben wir bereits 2008 gemacht. Das war eine Firma in London, die Amee heißt und eine Software entwickelt hat, mit der Firmen ihre Klimabilanz analysieren konnten. Jetzt sind wir auch wieder unterwegs in diesem Bereich weil wir glauben, dass sich hier jetzt etwas tun wird.

Glauben Sie, dass wir die Klimakrise überwinden werden?
Dazu müssen wir über die größere Thematik sprechen. Wir sind in dem Endstadium des industriellen Kapitalismus. Und wir können die Klimakrise nur überwinden, wenn wir auch aus dem Industriezeitalter raus kommen, in dem es vor allem um Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstum geht und in dem man sich das Leben nur leisten kann, wenn man arbeitet. Wir müssen uns davon verabschieden, dass die Schule darauf vorbereitet, in einer Industriegesellschaft zu arbeiten und zu leben.

Was kommt nach dem industriellen Kapitalismus?
Ich nenne das das Wissenszeitalter. In dem werde ich selbst etwas lernen, weil ich das will und nicht, weil mich jemand zwingt. Doch bis wir dort hin kommen, müssen sich noch sehr viele Dinge ändern, unter anderem auch, wo das Kapital hinfließt.

Es sollte stärker in den Klimaschutz fließen?
Zum Beispiel. Wenn eine Tonne CO2 nicht 20 sondern 100 Euro kosten würde, dann würde das billige Kapital plötzlich einen Weg finden, um Start-ups in dem Bereich zu fördern.

Aber muss es immer ökonomische Anreize geben, damit sich Investoren dem Klimawandel annehmen? Man könnte auch argumentieren, es ist einfach der richtige Schritt.
Es ist sicherlich so, dass es vielen Investoren lange nur um die Rendite ging. Aber ich glaube, da verändert sich was. Viele reiche Familien übergeben gerade an die jüngere Generation. Und von ihnen geht es vielen mehr um Impact als um Rendite.

Sie gehören auch zu jenen 27 Unternehmen, die sich Facebooks Kryptowährung Libra angeschlossen haben.
Der Grundgedanke war: Dies ist eine Möglichkeit, einem dezentralisierten Finanzsystem dabei zu helfen, eine breite Basis an Nutzern zu finden.

Hat das Projekt angesichts des großen Widerstands von Politikern und Regulierungsbehörden überhaupt eine Chance?
Ich glaube es steht 50:50.

Herr Wenger, vielen Dank für das Interview.