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Warum es bei Reiseversicherungen zu zahlreichen Streitfällen kommt

Reiserücktritt, Gepäck und Co.: In der Coronakrise ist oft unklar, ob die Versicherung einspringen muss. In vielen Fällen kann der Versicherungsombudsmann helfen.

Beschwerden haben in der Coronakrise um 60 Prozent zugenommen. Foto: dpa
Beschwerden haben in der Coronakrise um 60 Prozent zugenommen. Foto: dpa

Während der Coronakrise haben viele Verbraucher einen lange geplanten Urlaub nicht antreten können. In zahlreichen Fällen gibt es nun Streit, ob die Reiseversicherung einspringen muss oder nicht.

Auf den ersten Blick sieht der Fall klar aus: Eine Reiserücktrittsversicherung übernimmt die Stornokosten, wenn Versicherte eine Reise wegen einer unerwarteten schweren Erkrankung nicht antreten können. Sagen Verbraucher die Reise ab, weil sie sich vor einer Corona-Infektion fürchten, ohne selbst krank zu sein, hilft die Versicherung nicht. Ganz so einfach ist es in der Praxis häufig nicht. Trotzdem versuchen viele der Zuhausegebliebenen, ihr Geld wiederzubekommen.

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„Im Bereich der Reiseversicherungen haben die Beschwerden im Rahmen der Corona-Pandemie um etwa 60 Prozent angezogen“, erklärt Versicherungsombudsmann Wilhelm Schluckebier. Er fungiert als unabhängige Schlichtungsstelle, an die sich Verbraucher bei Meinungsverschiedenheiten mit einem Versicherer oder einem Vermittler wenden können. Schluckebier und sein Team versuchen dann, eine Lösung zu finden, ohne dass der Kunde gleich klagen muss.

Zuständig ist der Versicherungsombudsmann für Beschwerden zu privaten Versicherungen wie etwa Haftpflicht-, Rechtsschutz-, Hausrat-, Gebäude-, Kfz-, Unfall- sowie Leben-, Renten- und Berufsunfähigkeitsversicherungen. Gesetzliche Versicherungen fallen dagegen nicht in seinen Aufgabenbereich. Für Streitfälle, die die private Kranken- und Pflegeversicherung betreffen, gibt es zudem den PKV-Ombudsmann.

Bei den Reiserücktrittsversicherungen gibt es häufig Streit über die Frage der Kostenübernahme. Haben die Versicherten bei einer unerwarteten schweren Erkrankung unverzüglich storniert? Aus Sicht der Versicherer warten Verbraucher häufig zu lange mit einer Entscheidung für den Rücktritt von der Reise. Die Versicherer verweigern dann oft die Übernahme der kompletten Stornokosten, weil diese aufgrund der langen Wartezeit nun deutlich höher ausfallen. Während der Coronakrise kamen jedoch noch weitere Fallkonstellationen dazu:

Fall 1: Kunden stornieren aus Angst vor Infektion

Aktuell beschweren sich tatsächlich etliche Menschen, dass die Reiserücktrittsversicherung nicht zahlt, weil sie aus Sorge vor einer Infektion oder als Risikopatienten nicht verreisen wollten: „Solange die Versicherten oder ihre Mitreisenden nicht selbst erkrankt sind, muss die Versicherung aber keine Stornokosten übernehmen. In diesen Fällen können wir den Versicherten nicht weiterhelfen“, sagt Schluckebier.

Sind sie jedoch an Covid-19 erkrankt, müssen die Versicherer die Stornokosten in der Regel übernehmen. Verbraucherschützer wiesen zu Beginn der Coronakrise darauf hin, dass einige Policen Krankheiten im Zuge von Pandemien in den Versicherungsbedingungen ausschließen. Schluckebier gibt hier aber Entwarnung: „Pandemie-Risikoausschlüsse haben unserer Erfahrung nach nur sehr wenige Verträge.“

Fall 2: Versicherer zahlen nicht, obwohl Kunden wegen Krankheit stornieren

In manchen Fällen gibt es dennoch Streit, wenn Verbraucher ihre Pauschalreise wegen einer unerwarteten schweren Erkrankung abgesagt haben. „Die Versicherer verweigern die Zahlung der Stornokosten, weil sie argumentieren, dass die Reise wegen der Pandemie sowieso abgesagt worden wäre. Somit hätte der Veranstalter eigentlich keine Stornokosten verlangen dürfen“, sagt Schluckebier. Hier schlägt er zum Teil vor, dass die Verbraucher ihre Geldansprüche gegen den Reiseveranstalter an den Versicherer abtreten können, der diese dann vom Veranstalter einfordert.

Schwieriger ist es, wenn Verbraucher eine Individualreise ins Ausland wegen einer unerwarteten schweren Erkrankung abgesagt haben und die Versicherer ebenfalls argumentieren, dass die Durchführung der Reise wegen der Corona-Pandemie ohnehin unmöglich gewesen wäre.

„Hier versuchen wir, mit den Versicherern einen Vergleich zu erzielen“, sagt Schluckebier. Denn oft dürfte es dem Versicherten „bei kurz vor Reiseantritt eingetretener schwerer Erkrankung kaum zuzumuten gewesen sein, bei allen gebuchten Einzelleistungen im Ausland die Durchführbarkeit zu prüfen und die Rechtmäßigkeit der Forderungen der ausländischen Anbieter zu hinterfragen“.

Ein Problemfeld ist allerdings, eine Erkrankung überhaupt nachzuweisen. „Vor allem zu Beginn der Coronakrise war es für Patienten einerseits nicht ganz einfach, einen Arzttermin und somit auch ein Attest zu bekommen. Andererseits verzeichneten manche Versicherer bei ihren Versicherten auch einen deutlichen Anstieg von attestierten Magen-Darm-Erkrankungen – sodass sie hin und wieder auch von Gefälligkeitsattesten ausgehen“, erklärt Schluckebier. Manche dieser Fälle können nur durch eine Beweisaufnahme vor einem Gericht geklärt werden.

Fall 3: Kunden fordern Versicherungsbeiträge zurück

Häufig mussten auch die Veranstalter Reisen absagen, da es eine Reisewarnung der Bundesregierung gab oder etliche Sehenswürdigkeiten vor Ort geschlossen hatten. Viele Verbraucher wollen neben dem Reisepreis auch ihre geleisteten Versicherungsbeiträge erstattet bekommen, da es keine Reise mehr zu versichern gab. „Bei Gepäckversicherungen, Reiseabbruchversicherungen und Auslandsreisekrankenversicherungen gibt es in der Regel Geld zurück“, sagt Schluckebier.

Anders sehe es bei Reiserücktrittsversicherungen aus: Hier haben die Versicherer bis zur Absage tatsächlich ein Risiko getragen, für das ihnen der Beitrag zusteht. „Hin und wieder können wir für die Kunden aber eine Teilrückerstattung erreichen“, so der Ombudsmann.

Trotz der Mehrarbeit bei den Reiseversicherungen betont Schluckebier, dass die Zahl der Beschwerden in Relation zu den bestehenden Versicherungsverträgen nach wie vor vergleichsweise gering sei: „Über alle Sparten hinweg sind die Beschwerdezahlen in diesem Jahr bis einschließlich August etwa auf dem Niveau des Vorjahres.“

Die meisten Beschwerden erhält der Versicherungsombudsmann seit Jahren in den Sparten Rechtsschutz- und Lebensversicherung. Hier sind die Eingänge aktuell leicht rückläufig, ebenso wie in der privaten Unfall- und Haftpflichtversicherung.

Im Jahr 2019 hat die Schlichtungsstelle über 13.000 zulässige Beschwerden bearbeitet. Für Verbraucher ist die Entscheidung nicht bindend, für Versicherungsvermittler ebenfalls nicht. Die Versicherer müssen sich dagegen bei Streitwerten unter 10.000 Euro daran halten.

Liegt der Wert darüber, ist die Entscheidung auch für die Versicherer unverbindlich. Erfahrungsgemäß folgen sie aber meist der Auffassung des Ombudsmanns. Bei einem Beschwerdewert über 100.000 Euro führt der Versicherungsombudsmann kein Verfahren durch. Die Verfahrensdauer liegt trotz Coronakrise im Schnitt deutlich unter drei Monaten.

Mehr: Was ein Run-off für die Versicherten bedeutet