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Reisebüros fürchten Insolvenzen wegen Thomas-Cook-Pleite

58 Prozent aller Reiseagenturen sind von der Pleite des Reiseveranstalters Thomas Cook betroffen, zeigt eine Umfrage. Einige müssen um die Existenz bangen.

Mehr als tausend Reisebüros arbeiten als Franchise-Nehmer von Thomas Cook, Neckermann oder Holiday Land. Foto: dpa
Mehr als tausend Reisebüros arbeiten als Franchise-Nehmer von Thomas Cook, Neckermann oder Holiday Land. Foto: dpa

Ein Rettungsring sieht anders aus. „Im Zuge der Insolvenz der Thomas Cook GmbH“, so teilte der italienische Kreuzfahrtreeder MSC mit, verhänge man gegenüber deren Reisebüros eine „temporäre Schließung von Agenturnummern“. Zu Deutsch: Ausflüge auf den Dampfern sind damit nicht mehr in den Läden von Thomas Cook und Holiday Land buchbar.

Ohnehin geschwächt durch den Ausfall der Thomas-Cook-Marken, müssen sie damit nun auch noch ein Umsatzminus von außen verkraften. Dabei standen allein schon die Pauschalreisen von Neckermann, Öger, Bucher und Air Marin, die der Insolvenzverwalter bis mindestens Ende Oktober 2019 ausgesetzt hat, bei den Büros für durchschnittlich 40 Prozent der Erlöse.

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Was durch die Vorsicht des Kreuzfahrtriesen wächst, ist in Wahrheit ein Kollateralschaden. Denn nicht einmal ein Fünftel des Thomas-Cook-Vertriebs steht unter Insolvenzverwaltung. Gerade einmal 250 der 1.344 deutschen Reisebüros der Konzernmarken „Thomas Cook“, „Neckermann“ und „Holiday Land“ gehören der Pleitegesellschaft selbst. Der übergroße Rest untersteht selbstständigen Inhabern, die sich per Franchisevertrag an Thomas Cook in Oberursel gebunden haben.

Obwohl die Mittelständler auf eigene Rechnung arbeiten, sind auch ihre Aussichten nach der spektakulären Veranstalterpleite alles andere als rosig. „Es wird in jedem Fall weitere Insolvenzen unter den Reisebüros geben“, glaubt Sabine Kalau von Hofe, Inhaberin einer Thomas-Cook-Agentur in Bargteheide. Am 14. Oktober wolle man sich deshalb mit Leidensgenossen am „runden Tisch“ treffen, um sich möglichst gemeinsam einem anderen Reiseveranstalter – etwa der Tui – anzuschließen.

Insbesondere die Franchisenehmer von Thomas Cook, zu denen auch 734 Agenturen der Kooperation „Neckermann Reisen Team/Partner“ gehören, müssen mit hohen Zahlungsausfällen rechnen. Die meist inhabergeführten Agenturen erhielten durch ihre Bindung an den Konzern eine zusätzliche Grundprovision von gut 1,5 Prozent auf den Reiseumsatz, was sie dazu anspornte, möglichst hohe Umsätze mit dem Veranstalter aus Oberursel zu tätigen. Das aber könnte ihnen nun zum Verhängnis werden.

Provisionen könnten zurückgefordert werden

Denn als sicher gilt schon jetzt, dass sie bei verkauften, aber noch nicht angetretenen Reisen der Marken Öger, Bucher Reisen und Air Marin leer ausgehen. Da diese Thomas-Cook-Töchter die vereinbarten Provisionen üblicherweise erst nach dem Urlaubsantritt zahlen, müssen die Reisebüros ihre Forderungen in der Insolvenztabelle anmelden – mit mäßiger Aussicht auf eine zufriedenstellende Auszahlungsquote.

Doch es könnte für sie noch schlimmer kommen. Die Marken Neckermann und Thomas Cook nämlich zahlten die Provisionen regelmäßig schon nach dem Zahlungseingang – und damit weit vor der Abreise der Kunden. Die Erfolgsprämien, so jedenfalls warnen Juristen, könnte die Insolvenzverwaltung nun von den Reisebüros zurückverlangen – und zwar für rückwirkend bis zu drei Monate.

„Sollte der Verdacht einer Insolvenzverschleppung bei Thomas Cook entstehen“, heißt es aus dem Büro der Insolvenzverwalter, „könnte es zu einer Anfechtung dieser Zahlungen kommen.“ Schließlich gelte der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung. So sei etwa zu prüfen, ob Reisebüros ihren Kunden Insiderwissen über die Finanzlage von Thomas Cook vorenthalten haben.

Für Reisebüros steht damit einiges auf dem Spiel. Franchisepartner von Thomas Cook nennen Summen von 40.000 Euro, die sie dann jeweils zurückzahlen müssten, Konzernungebunden entstünde ein Schaden von durchschnittlich 12.000 Euro, heißt es in Fachkreisen. „Gerade kleine Reisebüros könnten dann Probleme bekommen“, warnt Thomas-Cook-Verkäuferin Kalau von Hofe.

Besonders hart treffen würde es zudem Urlaubsportale wie „Holidaycheck“ oder „Ab-in-den-Urlaub.de“. Sie hatten ohne jegliche Warnhinweise Reisen des Pleitekonzerns online verkauft, obwohl die Schieflage – spätestens seit mehreren Handelsblatt-Artikeln ab Juni 2019 – aktenkundig war.

Staatliche Hilfe gefordert

Ob die drei vom Amtsgericht Bad Homburg eingesetzten Insolvenzverwalter Fabio Algari, Julia Kappel-Gnirs und Ottmar Hermann die Reisebüros nachträglich zur Kasse bitten werden, ist allerdings noch nicht entschieden. „Wir werden das erst später klären“, sagte ein Sprecher. Vorrangig gehe es zunächst einmal darum, den Geschäftsbetrieb zu stabilisieren und Investorengespräche fortzusetzen.

Das Zittern unter den knapp 10.000 deutschen Reisebüros dürfte also noch einige Zeit andauern. Wie angespannt die Situation schon ist, ergab vor wenigen Tagen eine Stichprobe des Verbands unabhängiger selbstständiger Reisebüros (VUSR), an der sich 483 Urlaubsvermittler beteiligten. Zwar bezeichneten sich lediglich zwei der befragten Reisebüros als akut insolvenzgefährdet, weitere 31 Prozent aber gaben an, die Insolvenz von Thomas Cook habe sie „deutlich getroffen“. Der Aussage „in Grenzen betroffen“ stimmten 27 Prozent zu, als „minimal betroffen“ bezeichneten sich 28 Prozent. Nur 14 Prozent der Reisebüros gaben an, die Pleite gehe an ihnen spurlos vorbei.

Ein anderer Reiseverband, die Allianz Selbstständiger Reiseunternehmen (ASR), forderte deshalb in einem Schreiben an alle Abgeordneten des Deutschen Bundestags, den stationären Vertrieb zu entschädigen. „Die Bauern bekamen von Bund und Ländern im Jahr 2018 Hilfe in Höhe von mehr als 300 Millionen Euro, weil unverschuldet die Ernte geringer ausfiel“, erläutert ASR-Präsident Jochen Szech die Forderung seines Verbands. „Reisebüros haben den gleichen moralischen Anspruch auf Entschädigung, wenn ihnen ebenso unverschuldet die Provisionseinnahmen wegbrechen.“

Dass ihr Flehen gehört wird, halten Branchenexperten allerdings für nahezu ausgeschlossen. Er sei in der Angelegenheit nicht zuständig, stellte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vorsichtshalber schon einmal klar. Wer sich zum Fall Thomas Cook erkundigen wolle, solle sich doch bitte schön an das Bundesjustizministerium wenden. Das sei schließlich auch für Verbraucherschutz verantwortlich.