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Regierung will offene Funknetze als Standard setzen

Die Regierung will die Hoheit über kritische Infrastrukturen wie das Mobilfunknetz zurückgewinnen. Bei der Standardisierung will nun die Bundesnetzagentur behilflich sein.

Das Open Ran soll einen freien Zugang zum Mobilfunknetz ermöglichen. Foto: dpa
Das Open Ran soll einen freien Zugang zum Mobilfunknetz ermöglichen. Foto: dpa

Es ist ein großer Traum von Telekom, Vodafone, Telefónica und Co.: Die großen Mobilfunkunternehmen bauen ihre 5G-Netze unabhängig von einzelnen Netzwerkausrüstern auf, kombinieren Produkte unterschiedlicher Hersteller, handeln so bessere Preise aus und sind flexibel, wenn etwa wie im Fall Huawei in der Politik der Verdacht aufkommt, dass Staaten wie China womöglich über die Netze spionieren und die kritische Infrastruktur gesichert werden soll.

„Open Source“ lautet das Zauberwort, das allerorten für „digitale Souveränität“ sorgen soll. Im Mobilfunk dreht sich alles zurzeit um „Open Ran“ („Radio access network“), den freien Zugang zum Funknetz, unabhängig vom Funkmodul und dem Glasfasernetz am Mast.

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Eine entsprechende Allianz (O-Ran) sind die Mobilfunker eingegangen, um an den Schnittstellen wie bei einer Steckdose dafür zu sorgen, dass jedes Gerät passt. Die Hoffnungen sind groß, doch fehlt vor allem eines: ein eindeutiger Standard.

Bei der Standardisierung will nun die Bundesnetzagentur behilflich sein. Sie will sich „dafür einsetzen, die bereits in der O-Ran Alliance erstellten Spezifikationen für offene Schnittstellen durch Überführung in eine anerkannte Standardisierungsorganisation aufwerten zu lassen“, erklärte ein Sprecher auf Nachfrage.

Dadurch könnten diese Spezifikationen den Markt verändern und sich für Anbieter offener Netzwerkkomponenten öffnen. „Die Bundesnetzagentur unterstützt diese Initiativen in Absprachen mit anderen Administrationen aktiv, um hier mehr Wettbewerb zu ermöglichen.“

Worum es konkret geht, zeigt das Beispiel der Deutschen Telekom. Sie arbeitet in Neubrandenburg daran, ein erstes O-Ran-5G-Netz aufzubauen. Das Pilotprojekt mit einem Parallelnetz zum Hauptfunknetz soll bis 2022 laufen. Ist es erfolgreich, dann könnte der flächendeckende Ausbau folgen. Die Open-Ran-basierten 5G-Netze würden parallel entstehen, mit dem Hauptnetz verbunden werden und es nach und nach ersetzen.

Der Plan ist alles andere als preiswert: Das Funknetz ist überall und macht den Großteil der Netzkosten aus, wie Thomas Magedanz vom Fraunhofer-Institut Fokus in Berlin erklärt. Bei einem Netzbetreiber wie der Telekom machen die Funk-Komponenten 40 Prozent der Gesamtausgaben für die 5G-Infrastruktur an den rund 30.000 Standorten aus.

Standards sind noch nicht vollständig festgelegt

Die erhofften Standards für das offene Funknetz sind bisher aber unvollständig. So kann jeder Hersteller von Netzwerkkomponenten seine Eigenheiten festlegen und so dafür sorgen, dass Drittanbieter einzelne Elemente nicht ersetzen können. Neue Anbieter werden so aus dem Markt herausgehalten.

Zu den Organisationen, in denen die Unternehmen und Behörden die Standardisierung vorantreiben, gehört unter anderem das Europäische Institut für Telekommunikationsstandards (Etsi). Dieses wiederum ist Teil des 3GPP-Projekts, in dem sieben Standardisierungsorganisationen aus Asien, Europa und Nordamerika gemeinsam beraten. Legen die Organisationen Standards fest, dann können sich zum Beispiel Behörden bei öffentlichen Ausschreibungen für ein 5G-Netz auf diese Regeln berufen.

In den Gremien sitzen auch Vertreter der Unternehmen. Insider berichten, wie schwierig es inzwischen ist, dort übergeordnete Interessen durchzusetzen. Schließlich geht es den Unternehmen immer wieder auch um Patente, die ihre Vertreter durchsetzen wollen.

Wer mit seinen Erfindungen den Standard prägt, kann am Ende mit hohen Erlösen rechnen. Entsprechend gäbe es großen Widerstand, im Rahmen von Open Ran die Funknetze zu öffnen wie dies bei Computern mit der USB-Schnittstelle gelungen ist. Ohne Einigung kein Standard.

Die Experten der Bundesnetzagentur stehen daher vor einer großen Herausforderung. Sie lehnt etwa Überlegungen der Netzbetreiber ab, Open Ran notfalls als Bedingung in den Sicherheitskatalog der Bundesregierung für den Betrieb kritischer Infrastruktur aufzunehmen. „Im Katalog von Sicherheitsanforderungen werden keine ,Schnittstellen‘ oder ,Standards‘ beschrieben oder vorgegeben“, stellte der Sprecher klar.

„Der Katalog ist technik-, dienste-, betreiber- und herstellerneutral ausgelegt.“ In dieser Woche berät der Bundestag das IT-Sicherheitsgesetz, in dem die Regeln etwa beim 5G-Netz festgelegt werden und wann Produkte von Netzwerkausrüster wie Huawei eingesetzt werden dürfen und wann nicht.

Ebenso wie die Netzagentur versucht auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik im Auftrag der Bundesregierung, „eine europäische Harmonisierung“ auf internationaler Bühne zu erreichen. So steht es im Strategiepapier der Bundesregierung, das dem Handelsblatt vorliegt. Zwei Milliarden Euro wollen das Forschungs-, das Innen-, das Verkehrs- und das Wirtschaftsressort in den kommenden Jahren investieren.

Das Innenministerium achtet vor allem auf Sicherheitsfragen und will die nationale Zulieferindustrie fördern. Das Verkehrsministerium will Initiativen wie die der Telekom in Neubrandenburg unterstützen. Auch Telefónica darf dann auf Geld hoffen. In Deutschland wollen die Spanier dieses Jahr 1000 Mobilfunkstandorte mit Open Ran in Betrieb nehmen.

Zwei Milliarden Euro werden nicht ausreichen

Darüber hinaus stellt der Bund Geld für Forschung und Entwicklung bereit. Bei 5G- und perspektivisch 6G-Technologie würden Netze vor allem mit Software gesteuert. „Dies eröffnet uns die Chance, unsere digitale Souveränität und zugleich die Innovationskraft unserer Unternehmen zu stärken“, heißt es in dem Strategiepapier. „Deshalb werden wir innovative Unternehmen bei der Entwicklung und Erprobung neuer, softwaregesteuerter Netztechnologien gezielt fördern.“ Ein großer Bereich sei die Mikroelektronik.

Das Ziel der Regierung: eine umfangreiche „Standardisierungs- und Industriepolitik“, mit der sie gerade bei kritischer Infrastruktur „wesentliche, sicherheitstechnische sowie wertgenerierende Prozesse, Dienste und Teilkomponenten“ identifiziert und konsequent fördert, um so die Hoheit „in wichtigen technologischen Kernbereichen“ wiederzuerlangen.

Forscher wie Magedanz vom Fraunhofer Institut rechnen indes damit, dass noch weit mehr Geld nötig sein wird. „Die Aspekte Performance, Sicherheit, Energieverbrauch und am Ende eine verlässliche Integration durch einen Integrator sind sicherlich in diesem offenen Ansatz die größten Herausforderungen.“