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Mit Red Bull zum Erfolg

ie s

Sie haben es spannend gemacht. Während sich die Netzgemeinde in der Nacht zu Freitag an Jan Böhmermanns 'Verafake' abarbeitete, konnte die IG Metall auf Twitter (Xetra: A1W6XZ - Nachrichten) nur vermelden, dass die Tarifverhandlungen in Nordrhein-Westfalen schwierig sind und sich hinziehen. 'Wir informieren weiter', hieß es lapidar von der Gewerkschaft. Die Pressestelle des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall twitterte Fotos des Caterings aus dem Verhandlungssaal in Köln: Neben Mineralwasser- und Orangensaftflaschen auch jede Menge Dosen eines österreichischen Energydrinks, der angeblich Flügel verleiht.

Lange hatte es in den seit Anfang März laufenden Tarifverhandlungen für die 3,8 Millionen Beschäftigten der deutschen Metall- und Elektroindustrie so ausgesehen, als würden zwei Schnellzüge aufeinander zurasen. Die schon terminierten Hintergrundgespräche mit den Journalisten rückten immer näher, ohne dass bei den nächtlichen Verhandlungen eine Einigung in Sichtweite kam. Zu weit lagen die Forderungen der Gewerkschaft nach fünf Prozent mehr Geld für ein Jahr und das Angebot der Arbeitgeber auseinander. Die hatten zunächst 0,9 Prozent Tarifsteigerung und eine Einmalzahlung von 0,3 Prozent offeriert und später eine Erhöhung um 2,1 Prozent in zwei Stufen plus einmalig 0,3 Prozent bei zwei Jahren Laufzeit angeboten.

Gesamtmetall hatte dabei argumentiert, dass dieses Angebot angesichts der Mini-Inflation ein deutliches Reallohnplus für die Beschäftigten bedeutet. Die Gewerkschaft sah das anders und hatte bis zur fünften entscheidenden Verhandlungsrunde mehr als 760.000 Beschäftigte zu Warnstreiks mobilisiert. Sollte es zu keiner Einigung kommen, drohte die IG Metall zudem damit, ab Pfingsten ihr neues Arbeitskampfkonzept mit 24-Stunden-Streiks zu erproben, das auf die gesamte Lieferkette der Branche gezielt und massive Schäden verursacht hätte.

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Und so standen die Verhandlungsführer im Pilotbezirk Nordrhein-Westfalen, Knut Giesler für die IG Metall und der Automobilunternehmer Arndt Kirchhoff für die Arbeitgeber, vor der schwierigen Aufgabe, im 'magischen Dreieck' aus Tabellenerhöhung, Laufzeit und Differenzierungsklauseln einen für beide Seiten gesichtswahrenden Kompromiss zu finden.

Planungssicherheit für Arbeitgeber

Der war dann nach 14-stündigen Verhandlungen im Maritim-Hotel (London: 31142665.L - Nachrichten) am Kölner Heumarkt am frühen Freitagmorgen erreicht. Die Vereinbarung sieht für die Monate April bis Juni eine Einmalzahlung von 150 Euro vor. Ab Juli steigen die Entgelte in einer ersten Stufe um 2,8 Prozent. Im Juli 2017 folgt die zweite Stufe um zwei Prozent. Der Tarifvertrag läuft über 21 Monate bis Ende Dezember 2017 und liegt damit nahe an der Forderung der Arbeitgeber. 'Die lange Laufzeit sichert unseren Unternehmen hohe Planungssicherheit', lobte die Verhandlungsführerin der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie, Angelique Renkhoff-Mücke. Mit der Tarifsteigerung von insgesamt 4,8 Prozent über die Laufzeit kann die IG Metall zumindest 'optisch' für sich verbuchen, nahe bei ihrer Fünf-Prozent-Forderung gelandet zu sein. Bezogen auf die Laufzeit sei die Gesamtbelastung für die Unternehmen mit 2,45 Prozent deutlich niedriger als bei den letzten Abschlüssen, aber für viele Firmen 'immer noch schwer zu verkraften', sagte Kirchhoff.

Erstmals seit 2010 sieht der Vertrag zudem wieder von den Arbeitgebern geforderte Differenzierungsklauseln für Unternehmen mit unterdurchschnittlicher Ertragslage vor. Diese können die Einmalzahlung verschieben oder ganz ausfallen lassen und auch die zweite Stufe der Tariferhöhung um bis zu drei Monate nach hinten verlagern. Laut Gesamtmetall lassen sich so bis zu zehn Prozent der Kosten des Abschlusses sparen. Der Arbeitgeberverband kann dort, wo das betreffende Unternehmen seinen Sitz hat, den lokalen IG (London: IGG.L - Nachrichten) -Metall-Vertreter zu Differenzierungsverhandlungen auffordern, die spätestens nach einem Monat abgeschlossen sein müssen. Stimmen die Tarifparteien zu, greift die Differenzierung. Das Verfahren ist damit leichter anwendbar als die im Pforzheimer Abkommen von 2004 enthaltenen Öffnungsklauseln, lässt aber keine Entscheidung allein auf betrieblicher Ebene zu. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann lobte, der Abschluss stärke den privaten Konsum und erhalte gleichzeitig die Innovationskraft der Unternehmen. 'Kein Betrieb wird überfordert', sagte er.

NRW-Bezirkschef Giesler betonte, dass es gelungen sei, die Forderung der Arbeitgeber nach einer dauerhaften betrieblichen Differenzierung des Entgelts abzuwehren. Die jetzt getroffene Vereinbarung gelte nur für die Laufzeit dieses Tarifvertrags. Außerdem könnten nur tarifgebundene Unternehmen von den Öffnungsklauseln Gebrauch machen. Dies sei ein Beitrag zur Stärkung der Tarifbindung.

Allerdings haben sich die Verhandlungspartner in Nordrhein-Westfalen auf Gespräche über eine weitere Modernisierung des Flächentarifs geeinigt, über die dann schon in der kommenden Tarifrunde verhandelt werden könnte. Kirchhoff schwebt hier eine Öffnung nach beiden Seiten vor. Beschäftigte in florierenden Unternehmen würden demnach automatisch eine Erfolgsprämie bekommen, die etwa in klein- und mittelständischen Unternehmen bisher kaum verbreitet ist. Im Gegenzug sollen Firmen mit unterdurchschnittlicher Ertragslage automatisch nach unten vom Flächentarif abweichen dürfen. Den jetzt erzielten Abschluss nannte Kirchhoff 'eine von Vernunft geprägte Vereinbarung'. Der Trend der vergangenen Jahre zu überhöhten Tarifabschlüssen sei gestoppt.

Der Tarifabschluss von Köln könne aber nur ein erster Schritt zu einer erforderlichen dauerhaften Trendwende in der Tarifpolitik im bedeutendsten deutschen Industriezweig sein. Echte Nachhaltigkeit werde erst erreicht, wenn auch in künftigen Tarifrunden Vernunft bewiesen und nah an den wirtschaftlichen Realitäten verhandelt werde.

Die Arbeitgeber hatten wiederholt kritisiert, dass die Abschlüsse der letzten drei Tarifrunden deutlich über der Schmerzgrenze gelegen hätten. 2015 hatten Arbeitgeber und Gewerkschaft ein Plus von 3,4 Prozent bei einer Laufzeit von 15 Monaten vereinbart. Sollte dieser Trend anhalten, drohe Tarifflucht oder Abwanderung von Unternehmen ins Ausland. Teuer wird es auch jetzt: Der Abschluss erhöht die Lohnsumme der Metall- und Elektroindustrie von derzeit rund 230 Milliarden Euro pro Jahr noch einmal deutlich. Trotzdem haben sowohl die Vorstände von Gesamtmetall als auch der Gewerkschaft einstimmig und ohne Enthaltung zugestimmt. Die Tarifbezirke Bayern und Baden-Württemberg haben den Pilotabschluss noch am Freitag übernommen, in den anderen Regionen beginnen die Verhandlungen darüber in den kommenden Tagen.

Mit den Metallern liegt nun der zweite große Abschluss der laufenden Tarifrunde vor. Bereits Ende April hatten sich die Arbeitgeber von Bund und Kommunen mit den Gewerkschaften Verdi und Beamtenbund auf ein zweistufiges Entgeltplus um insgesamt 4,75 Prozent für die gut 2,1 Millionen Beschäftigten geeinigt. Die Laufzeit beträgt hier 24 Monate. Ende Mai beginnen die Verhandlungen für die 550.000 Beschäftigten der chemischen Industrie. Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) hat eine Forderungsempfehlung von fünf Prozent ausgesprochen. Die Verhandlungen für die 785.000 Bau-Beschäftigten gehen am 17. Mai in die vierte Runde. Hier fordert die Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG Bau) 5,9 Prozent mehr Geld. Die Arbeitgeber haben für Westdeutschland 1,3 Prozent und im Osten zwei Prozent angeboten.