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Rückkehr zur Normalität – Wieso US-Firmen plötzlich ihre Aktienrückkäufe reduzieren

US-Unternehmen kaufen nach dem Ausnahmejahr 2018 in diesem Jahr weniger eigene Aktien zurück. Doch ein Kurseinbruch an der Börse droht deshalb noch lange nicht.

Amerika schlägt Deutschland, zumindest an der Börse. Um 125 Prozent legte der Dax in den vergangenen zehn Jahren zu, alle Dividenden mit eingerechnet. Sie allein steuern 58 Prozent Zuwachs bei. Der Standard & Poor‘s (S & P) mit den 500 größten US-Konzernen schaffte ganz ohne Dividenden in zehn Jahren 190 Prozent. Auf Sicht von fünf Jahren kam der S & P auf 46 und der Dax auf 24 Prozent, in den vergangenen drei Jahren stieg der S & P um 34 und der Dax um ganze elf Prozent.

Ein Grund für Amerikas Stärke sind die besseren Perspektiven, zumindest aus Sicht der Anleger. Sie kaufen amerikanische Aktien, obwohl diese bereits recht teuer sind. Jedes Unternehmen im S & P, und heruntergerechnet jede einzelne Aktie, bezahlen Investoren durchschnittlich mit dem knapp 18-fachen Jahresnettogewinn. Im Dax liegt der Faktor nur bei 14. Apple, Amazon, Alphabet, Microsoft, Goldman Sachs, Pfizer und Co. gelten eben als zukunftsträchtiger, auch was die künftigen Gewinnaussichten angeht, als BASF, Deutsche Telekom, Siemens und die Autobauer im Dax.

Doch Amerika und viele seiner Unternehmen helfen auch kräftig nach, wenn es um höhere Kurse geht. Sie verknappen das Angebot an Aktien. Im vergangenen Jahr kauften die 3000 größten börsennotierten US-Unternehmen für rund eine Billion Dollar eigene Aktien zurück, allein die 500 Topkonzerne im S & P 500 steuerten 806 Milliarden Dollar bei. Daran gemessen erscheinen die knapp zehn Milliarden Euro aller deutschen Unternehmen im vergangenen Jahr wie Kleingeld.

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Doch dieser „Verknappungsbonus“ an der Wall Street verringert sich. Im zweiten Quartal kauften die 500 S & P-Konzerne „nur“ noch für 165 Milliarden Dollar eigene Anteilscheine auf – nach knapp 200 Milliarden Dollar im Vorjahr. Bereits im Auftaktquartal war das Volumen um gut zehn Prozent gesunken.

Handelsblatt-Berechnungen zeigen: Quer durch alle Branchen kaufen die Unternehmen weniger eigene Aktien zurück als im Vorjahr. Der iPhone-Riese Apple wendete im ersten Halbjahr 40,7 Milliarden Dollar auf, nach 43,5 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum. Der Biotech-Spezialist Amgen investierte 5,4 Milliarden Dollar, im Jahr davor waren es noch 13,9 Milliarden Dollar. Auch die Fast-Food-Kette McDonald‘s, der Flugzeugbauer Boeing und der Ölkonzern Phillips 66 reduzierten die Ausgaben für die kostspieligen Anlegergeschenke. Das Pharmaunternehmen Celgene, das sich auf die Produktion von Arzneimitteln gegen Krebserkrankungen und Störungen des Immunsystems spezialisiert hat, verzichtete ganz auf Aktienrückkäufe.

Knappes Angebot treibt den Preis

Grund für die Ausgabenkürzungen sind stagnierende Gewinne. Mehrfach standen die amerikanischen Unternehmen angesichts der wirtschaftlichen Schwäche in weiten Teilen der Welt kurz vor einer Gewinnrezession, also mindestens zwei aufeinanderfolgenden Quartalen, in denen die Gewinne niedriger als im Vorjahreszeitraum ausfallen. Zwar kam es bislang nicht dazu, aber nennenswerte Zuwachsraten gab es seit dem Herbst 2018 nicht mehr. Im Gesamtjahr 2019 dürften die 500 größten US-Konzerne kaum mehr verdient haben als im Rekordjahr 2018.

Generell gilt: Weniger Anteilscheine verknappen das Angebot. Gleichzeitig verteilen sich der Gewinn und die ausgeschütteten Dividenden auf weniger Aktien. All das treibt den Kurs. Quartal für Quartal investierten Amerikas Konzerne in den vergangenen fünf Jahren über 100 Milliarden Dollar in den Erwerb ihrer eigenen Aktien, die sie anschließend vernichteten, um so das Eigenkapital zu reduzieren.

In nur vier Jahren hat der IT-Riese Apple 20 Prozent seiner eigenen Aktien eingezogen. IBM verknappte sein Angebot in den vergangenen 25 Jahren sogar um 50 Prozent. Zu den größten Rückkäufern der vergangenen Jahre zählen die Bank of America, McDonald‘s, der SAP-Konkurrent Oracle, das weltweit wertvollste Unternehmen Microsoft, der Netzwerkausrüster Cisco und der Biotech-Spezialist Amgen.

Mit Abstand größter Käufer ist indes Apple: Der iPhone-Hersteller kaufte 2018 für 71,4 Milliarden Dollar eigene Aktien auf. Dafür griff der Konzern sogar auf sein Kapitalpolster zurück. „In den letzten vier Jahren waren US-Unternehmen selbst die Hauptkäufer von US-Aktien“, sagt Olivier de Berranger, Chefanlagestratege beim französischen Vermögensverwalter La Financière de L‘Echiquier. Nur noch jede vierte börsennotierte US-Firma kauft keine eigenen Aktien zurück.

Experten sind sich sicher, dass 2018 rund ein Drittel des Anstiegs der Konzerngewinne auf diesen Effekt zurückgingen – eben weil der Ertrag pro Aktie stieg –, und das ist an der Wall Street die übliche Berechnung von Unternehmensgewinnen.

Treiber dieser Entwicklung war Donald Trump und seine Steuerreform. Der US-Präsident senkte die Unternehmensteuern von 35 auf 21 Prozent, was eine Entlastung von mehr als einer Billion Dollar brachte. Gleichzeitig animierte Trump die Konzerne, ihr im Ausland unversteuertes Kapital in die USA zurückzuholen und mit einer Minimalsteuer von acht Prozent zu versteuern. Dabei geht es um zwei bis drei Billionen Dollar. Die Regierung erhoffte sich zusätzliche Investitionen und Arbeitsplätze.

Doch wie schon bei einer ähnlichen Reform unter Altpräsident Ronald Reagan haben sich auch diesmal Spekulationen bestätigt, dass die Unternehmen von dem Angebot zwar Gebrauch machen – einen Großteil der Gelder aber in den Rückkauf eigener Aktien investieren, um so die Kurse nach oben zu treiben. Auch deshalb stieg Amerikas Börse so viel mehr als im Rest der Welt.

Die hohen Aktienrückkaufzahlen und die Motive für die entsprechenden Programme zeigen aber auch: 2018 war ein Ausnahmejahr. Seit 2013 kauften US-Unternehmen Jahr für Jahr im Volumen von mehr als einer halben Billion Dollar eigene Aktien zurück. Fünf Jahre lang schwankte die Summe zwischen 501 und 572 Milliarden Dollar. 2018 schnellte sie auf 806 Milliarden Dollar nach oben – ein Zuwachs gegenüber dem Vorjahr um 55 Prozent.

Setzt sich die Entwicklung des laufenden ersten Halbjahres auch in den nächsten beiden Quartalen fort, dürfte 2019, trotz der Rückgänge, immer noch das zweitstärkste Rückkaufjahr werden. Bisherige Ausgaben der Unternehmen und entsprechende Ankündigungen deuten auf ein Gesamtvolumen von knapp über 700 Milliarden Dollar hin.

„2018 ist ein Ausreißer, da gab es einen großen Schub“, urteilt Rückkaufexperte Howard Silverblatt vom Indexanbieter S & P Dow Jones. Richtig sei zwar, dass die US-Börse heute niedriger stehen würde, hätte es keine Rückkäufe gegeben. „Aber es gibt eindeutig andere Käufer“, die für die gute Entwicklung der Wall Street verantwortlich zeichnen, urteilt Silverblatt.

Andere wichtige Käufer

Dazu zählen Vermögensverwalter und aktiv sowie passiv gemanagte Fonds. Sie bilden aufgrund der wachsenden Größe und Bedeutung amerikanischer Unternehmen, insbesondere der IT-Größen um Amazon, Alphabet und Co., den amerikanischen Markt immer stärker ab. Im MSCI World, auf den über 1 000 ETFs notieren, machen US-Konzerne inzwischen über 60 Prozent des verwalteten Kapitals aus – Tendenz steigend, je stärker sich die Börsen auseinanderentwickeln, weil die Kurse in den USA stärker steigen als im Rest der Welt.

Die Verknappung des Aktienangebots hält also an, sie verlangsamt sich nur etwas. Der große Kurstreiber fällt auch 2019 nicht aus. Dazu kommt es wohl erst, wenn Amerikas Konzerne mehr als nur in eine Gewinnrezession rutschen. Gefahr für die Börse droht dann, wenn die Gewinne nachhaltig und prozentual zweistellig einbrechen – so wie zuletzt in der Krise 2008.

Damals reduzierten die Unternehmen infolge geringerer Cashflows und Gewinne ihre Aktienrückkäufe um die Hälfte. In der Folge halbierten sich auch die Kurse an der Wall Street – und im Sog davon in Europa, einschließlich Deutschland. Solch ein Trendwechsel ist bislang nicht in Sicht.