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Diese Branchen profitieren vom Handelsabkommen der EU mit Japan

Japans Außenminister Taro Kono beginnt seine wöchentliche Pressekonferenz mit einem besonderen Thema. Das am heutigen Freitag in Kraft getretene Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Japan sei ein wichtiges Signal an die Welt, schließlich sei der Protektionismus auf dem Vormarsch. „Es wird nicht nur einen Einfluss auf Japan und die EU haben, sondern auf die ganze Welt“, gibt sich Kono überzeugt.

Seit der Wahl von US-Präsident Donald Trump hat das Wirtschaftsabkommen zwischen EU und Japan geopolitische Bedeutung gewonnen – und zwar für beide Seiten. Japan steht wie Deutschland wegen hoher Handelsbilanzüberschüsse auf Trumps Liste der Schurkenstaaten im Außenhandel. Die Verantwortlichen in Japan und Europa hoffen, mit einer Serie von Freihandelsabkommen Gegendruck auf die USA auszuüben.

Die EU hat bereits Abkommen mit Singapur, Vietnam und Mexiko abgeschlossen. Japan seinerseits hat nach Trumps Austritt aus dem transpazifischen Partnerschaftsabkommen (TPP) die anderen elf Pazifikanrainer überzeugt, den Deal auch ohne die USA umzusetzen. Außerdem drängt Japan plötzlich darauf, das noch größere umfassende regionale wirtschaftliche Partnerschaftsabkommen RCEP zu verwirklichen. Da wäre auch China dabei.

Ab dem 1. Februar werden die bisherigen Zölle im Wert von rund einer Milliarde Euro jährlich fallen. Nicht alle sofort, für viele Sektoren haben beide Seiten Übergangsregeln vereinbart. Auch im Dienstleistungssektor werden Handelsbarrieren abgebaut – und Japan öffnet sein öffentliches Ausschreibungswesen für europäische Firmen.

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Beide Seiten werben bei ihren Bürgern mit dem großen wirtschaftlichen Nutzen des eurasischen Freihandelsbundes. „Unsere Industrie, unsere Dienstleister, unsere Start-ups und unsere Landwirte – sie alle haben mit diesem Abkommen Grund zum Feiern“, sagt EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström.

Zusammen erwirtschafteten die Teilnehmer 2017 27,8 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung und erbrachten 37 Prozent des globalen Handels. Nach einer Simulation der EU-Kommission wird das Abkommen bis 2035 das europäische Wirtschaftsprodukt um 35 Milliarden Euro oder 0,14 Prozent erhöhen. Europas Exporte sollen dabei um 13 Milliarden Euro steigen.

Japans Ausfuhren in die EU könnten demnach sogar um 23 Milliarden Euro steigen. Der EU ist das recht. Denn das Abkommen soll zum Nutzen von Unternehmen sein, die sonst nur wenig von der europäischen Handelspolitik profitieren: Nahrungsmittelhersteller, Getränke- und Textilindustrie, Lederwaren und kleine und mittlere Unternehmen.

Die deutsche Wirtschaft macht sich große Hoffnungen. Der Vertrag stelle 97 Prozent der EU-Exporte nach Japan zollfrei und beseitige nicht-tarifäre Handelshürden, meint Marcus Schürmann, Delegierter der Deutschen Wirtschaft und Geschäftsführer der AHK Japan: „Deutsche Unternehmen werden zu den größten Nutznießern des Abkommens gehören.“

Ungemütlich könnte es für die deutschen Autobauer werden. Sie haben mehr Konkurrenz aus Japan zu befürchten, denn die europäischen Importzölle von zehn Prozent auf Autos und Bauteile werden innerhalb von sieben Jahren auf null gesenkt. Japan erhebt schon jetzt keine Einfuhrzölle. Die eigenen Autohersteller und -zulieferer gelten daher in Japan als die größten Profiteure des Handelsdeals, während sich die europäischen Hersteller lange gegen den Deal gewehrt hatten.

Dafür dürften der deutsche Maschinenbau sowie der Absatz von Chemieprodukten, Kunststoffen und Kosmetik profitieren, erwarten Handelskammer und EU-Kommission. Neues Potenzial sehen die Experten zudem im Bahnsektor. Hersteller von Mess-, Regel- und Elektrotechnik können auf Geschäfte mit japanischen Bahnunternehmen hoffen. Der bisherige Sicherheitsvorbehalt beim Einkauf von Ausrüstungsteilen wird zum 1. Februar 2020 aufgehoben.

Auch landwirtschaftliche Produkte und Lebensmittel dürften zu den Gewinnern zählen. Bei den Exporten von verarbeiteten Lebensmitteln erwartet die EU-Kommission mindestens eine Verdoppelung. Gerade Produkte aus Deutschland genießen in Japan einen sehr guten Ruf, auch die Hersteller von Käse oder Wein mit geschützter geografischer Herkunftsbezeichnung wie Roquefort oder Chianti dürften profitieren.

Japans Regierung hofft wiederum, dass auch die eigenen Landwirte und Lebensmittelhersteller vom Verkauf japanischer Delikatessen in Europa profitieren können. Denn die Landwirtschaft steht in Japan besonders unter Druck.

Martin Schulz, Volkswirt am Wirtschaftsforschungsinstitut Fujitsu in Tokio, sieht sogar die Möglichkeit, dass japanische Firmen bei Exporten nach Asien vom Freihandelsabkommen profitieren. So verschneiden japanische Winzer ihre Weine oft mit Lieferungen aus Europa. Da nun die Preise für Importweine sinken, könnten japanische Weine in Asien wettbewerbsfähiger werden.

Allerdings sehen deutsche Firmen durchaus noch Handlungsbedarf. So berichteten deutsche Handelshäuser bei einem Roundtable der Handelskammer, dass Japan in den vergangenen Jahren teilweise alte, schlafende Industriestandards reaktiviert hat, um ausländische Konkurrenten zu bremsen.

Schon jetzt machen nach Angaben der Kammer 12.000 deutsche Unternehmen oft lukrative Geschäfte mit Japan. Die deutschen Autobauer dominieren dabei Japans Import- und Luxussegment, deutsche Käsehersteller den Markt für Industriekäse. Schürmann rechnet nun damit, dass die Zahl dieser Unternehmen um einen zweistelligen Prozentsatz wachsen wird.

Nicht nur Verbandsvertreter sehen das so. „Insgesamt wird sich das Abkommen positiv auswirken“, meint Schulz. Es verstärke gerade für deutsche Firmen die wachsende Anziehungskraft der asiatischen Inselnation.

In den letzten Jahren siedelten sich wieder mehr deutsche Firmen in Japan an, beobachtet Schulz. Auch Deutschlands Exporte in die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt sind 2018 um 9,2 Prozent auf 2,9 Billionen Yen (23 Milliarden Euro) gestiegen. Und die Aussicht auf das Handelsabkommen ist nur ein Grund, erklärt Schulz. „Japan wird nun immer mehr als das wahrgenommen, was das Land schon lange ist: ein großer, stabiler Markt.“

Ein wichtiger Grund ist für ihn die sinkende Attraktivität Chinas. Ein anderer Faktor ist, dass Japan durch die neuen regionalen Freihandelsbünde immer mehr zu einem attraktiven Tor zu Südostasien wird.

Wirtschaftsvertreter fordern die Politik auf, noch weiter zu gehen und das neue Abkommen nicht als finalen Status zu sehen. „Allerdings befürchte ich, dass bei nichttarifären Handelshemmnissen die Deregulierung stagniert“, sagt Oliver Bolzer, Chef des Handelshauses SKW in Tokio. Handelspolitiker könnten erst einmal die Umsetzung des Erreichten abwarten und weitere Deregulierung auf der Agenda nach unten rutschen lassen, so Bolzer. Michael Loefflad, Chef des schweizerischen Handelshauses DKSH und amtierender Präsident des European Business Council in Tokio meint daher, „dass die Diskussion um das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Japan noch nicht abgeschlossen ist“.