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Warum Pflege zum Wahlkampfthema taugt

In der zu Ende gehenden Legislaturperiode hat es zwei Pflegereformen gegeben. Dennoch ist fast jeder zweite Bundesbürger der Meinung, dass Verbesserungen bei der Pflege eine Rolle im Bundestagswahlkampf spielen müssen.

Die Ausgaben der gesetzlichen Pflegeversicherung sind in den vergangenen zehn Jahren stärker gestiegen als alle anderen Gesundheitsausgaben. In der zu Ende gehenden Legislaturperiode hat es zwei Pflegereformen mit erheblichen Leistungsverbesserungen vor allem für Demenzkranke gegeben. Trotzdem sehen die Wähler noch Verbesserungsbedarf, vor allem bei den Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte in Heimen und bei den ambulanten Pflegediensten. Dies ergab eine repräsentative Umfrage der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP).

Danach sehen 43 Prozent der Deutschen die Versorgung älterer hilfebedürftiger Menschen als sehr wichtig dafür an, wie sie am 24. September ihren Stimmzettel ausfüllen wollen. In der für den Wahlausgang besonders maßgeblichen Altersgruppe „50plus“ sind es sogar 53 Prozent. Zwar glauben zwei Fünftel (42 Prozent), die Pflege in der Bundesrepublik sei gut oder sehr gut. Die Mehrheit allerdings (55 Prozent) hält die Pflegequalität für weniger gut oder sogar schlecht. Personen mit persönlicher Pflegeerfahrung sind hier mindestens genauso kritisch (59 Prozent). Entsprechend wird Handlungsbedarf bei den Rahmenbedingungen in der Pflege gesehen. In erster Linie betrifft das die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege (71 Prozent). 42 Prozent der Befragten glauben, dass pflegende Angehörige dringend besser unterstützt werden müssen.

„Trotz aktueller Leistungsverbesserungen in der Pflegeversicherung darf niemand glauben, die Herausforderungen in der Pflege seien nun bewältigt. Die Befragung zeigt, dass die Bürger Pflege als politisch hochrelevantes Thema sehen. Die Wähler werden auch nach der Bundestagswahl genau verfolgen, welche Wege die Parteien hier zukünftig gehen wollen“, sagt Ralf Suhr, Vorstandschef der Stiftung. Dies betreffe vor allem die noch nicht ausgestalteten, aber zentralen Aspekte der Pflegereformen „Personalausstattung“ und „Transparenz von Qualität“. „Bei der Durchsetzung der Rechte von pflegebedürftigen Menschen – insbesondere beim Schutz vor Gewalt, aber auch in den Bereichen Prävention und Rehabilitation – gibt es sehr viel zu tun“, so Suhr weiter. Die Befragung bestätigt zudem, dass es der Wunsch der meisten Deutschen ist, im Fall von Pflegebedürftigkeit zuhause leben zu können. Dies geben 70 Prozent der Teilnehmer an. Fast jeder Zweite wünscht sich dazu einen Mix aus familialer und professioneller Pflege (47 Prozent). Sorgen bereiten vor allem mögliche kognitive Einschränkungen (63 Prozent), die Abhängigkeit von anderen Menschen (56 Prozent) und die Angst vor finanziellen Sorgen und Einsamkeit (36 bzw. 32 Prozent).

Mit den jüngsten Pflegereformen wird die ambulante Pflege und die Tagespflege stark gefördert, so dass es für Pflegebedürftige und ihre Angehörige in Zukunft auch finanziell leichter wird, sich so lange wie möglich zu Hause betreuen zu lassen. Die Pflegekräfte in den Heimen sehen diese Entwicklung allerdings mit einem lachenden und weinenden Auge. Dies belegt eine repräsentative Umfrage des Fachverlags Vincentz. Danach fürchten die Pflegepersonen in den über 13.000 Pflegeheimen in Deutschland, dass sich für sie die Arbeitsbedingungen weiter massiv verschlechtern werden, weil in Zukunft der Anteil der leichteren Pflegefälle in den Heimen deutlich sinken wird. Wer pflegebedürftig ist, werde künftig politisch gewollt so lange wie möglich zu Hause bleiben. Heute machen Pflegebedürftige mit Pflegestufe 1 noch zwei Fünftel der Heimbewohner aus. Nur 20 Prozent gelten als schwerstpflegebedürftige.

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79 bis 89 Prozent der Befragten erwarten wegen der aktuellen Höherbewertung der ambulanten Pflege, dass in Zukunft deutlich mehr Patienten erst mit schweren kognitiven Einschränkungen und vielen unterschiedlichen Erkrankungen im Heim landen werden. Immer häufiger würden Pflegebedürftige erst kurz vor dem Tod ins Heim wechseln, fürchten die Pflegekräfte. Sterbebegleitung werde deshalb zu einem Schwerpunkt der täglichen Arbeit werden. Dies sei deshalb eine dramatische Entwicklung, weil viele Pflegekräfte heute schon am Limit arbeiten würden. Dazu passt, dass bereits heute 93 Prozent der Pflegefachkräfte angeben, zu wenig Zweit für die Bewohner zu haben. 86 Prozent gaben an, sie hätten „regelmäßig das Gefühl, dem eigenen pflegerischen Anspruch nicht gerecht werden zu können“. Bei vier Fünfteln der Fachkräfte führt die hohe Arbeitsbelastung zu Konflikten in der Familie und im Privatlaben. Auch das deckt sich mit den Einschätzungen der Wähler, die zu fast drei Vierteln die größten Probleme bei den Arbeitsbedingungen der Pflege sehen.

KONTEXT

Was sich für Pflegebedürftige 2017 ändert

Begutachtung und Leistungen für Pflegebedürftige

Zum Jahreswechsel ändern sich Begutachtung und Leistungen für Pflegebedürftige. Für Menschen, die jetzt pflegebedürftig werden, kann sich ein Antrag nach dem alten System auszahlen. Die Bundesregierung steht im Wort: Bei der Umstellung auf ein neues Leistungssystem nach Pflegegraden wird niemand schlechter gestellt. Das gilt für die heute rund 2,8 Millionen Pflegebedürftigen. Doch Menschen, die in diesen Tagen und Wochen einen Erstantrag auf Pflegeleistungen stellen wollen, sollten sich gut überlegen, ob sie das in den letzten Wochen dieses Jahres noch nach dem alten System tun, oder erst 2017 nach dem neuen. Es könnte sich auszahlen.

Was ändert sich für Pflegebedürftige zum 1. Januar?

Die bisherigen drei Pflegestufen werden automatisch - ohne neuen Antrag der heute schon Pflegebedürftigen - übergeleitet in fünf Pflegegrade. So soll die Bedürftigkeit künftig genauer bestimmt werden können. Für heute schon Pflegebedürftige gilt Bestandsschutz.

Was heißt das für die Überleitung in Pflegegrade?

Pflegebedürftige mit körperlichen Einschränkungen erhalten anstelle der bisherigen Pflegestufe den nächst höheren Pflegegrad. Pflegebedürftige mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz wie Demenzerkrankte werden zwei Pflegegrade höher eingestuft. Also: Pflegestufe 1 mit körperlichen Behinderungen kommt automatisch in den Pflegegrad 2. Pflegestufe 1 mit erheblich eingeschränkten Alltagskompetenzen kommt automatisch in den Pflegegrad 3. Pflegestufe 2 bekommt entsprechend automatisch Pflegegrad 3 oder mit eingeschränkter Alltagskompetenz Pflegegrad 4. Und Pflegestufe 3 wird übergeleitet in den Pflegegrad 4 oder mit eingeschränkter Alltagskompetenz in den höchsten Pflegegrad 5.

Wann sollte man nun einen Neuantrag auf Pflegeleistungen stellen - noch 2016 oder erst 2017?

Stichtag ist der Tag der Antragstellung: Wer vor dem 1. Januar 2017 einen Antrag stellt, wird nach der alten Regel begutachtet und eingestuft und dann übergeleitet - auch wenn die Bearbeitung bis ins neue Jahr hineinreichen sollte. Erst im neuen Jahr wird nach dem neuen System begutachtet.

Wenn in diesen Tagen oder Wochen also erstmals ein Antrag auf Pflegebedürftigkeit gestellt werden soll, kann es günstiger sein, dies noch 2016 nach dem alten Stufensystem zu tun, um dann 2017 automatisch in den entsprechend höheren Pflegegrad zu kommen. Das gilt etwa für Menschen, die unter körperlichen Einschränkungen leiden und Pflegestufe 1 mit einem Pflegegeld von monatlich 244 Euro beantragen wollen. Wenn sie diese Pflegestufe erhalten, wechseln sie im kommenden Jahr automatisch in den Pflegegrad 2 und erhalten damit monatlich 316 Euro. Stellen sie ihren Antrag erst 2017, werden sie aller Voraussicht nach nicht den Pflegegrad 2, sondern nur den Pflegegrad 1 erreichen. Dafür gibt es dann nur 125 Euro von der Pflegekasse. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Patientenschutz sind davon schätzungsweise 125.000 Menschen betroffen.

Für wen sind solche Überlegungen noch wichtig?

Eine ähnliche Problematik ergibt sich für Menschen, die einen ambulanten Pflegedienst in Anspruch nehmen könnten. Nach altem System zahlen die Kassen in Pflegestufe 1 für solche Sachleistungen 468 Euro. Beim Wechsel in den Pflegegrad 2 im neuen Jahr werden es dann 689 Euro. Stellen die Betroffenen aber erst 2017 einen Antrag bei der Pflegekasse, erhalten sie aller Voraussicht nach wieder nur den Pflegegrad 1 mit 125 Euro. Das betrifft diesen Angaben zufolge schätzungsweise rund 50.000 Menschen.

Wie sieht es bei der Pflege in Heimen aus?

Heute zahlt die Pflegekasse für einen Pflegebedürftigen der Stufe 1 mit körperlichen Einschränkungen im Heim monatlich 1064 Euro. Ab 2017 sind das nur noch 770 Euro. Zusätzlich tragen Heimbewohner einen Eigenanteil an den Pflegekosten. Für die Menschen, die schon nach dem alten System Leistungen erhalten, wird im neuen Jahr die Differenz zum neuen Eigenanteil von der Pflegekasse getragen. Der Eigenanteil des Pflegebedürftigen bleibt also gleich. Für Neuanträge im neuen Jahr erhöht sich dagegen entsprechend der Eigenanteil.

Die Leistungen der Pflegekasse sinken bei dieser sogenannten vollstationären Pflege auch in Stufe 2 bei körperlichen Einschränkungen. Bisher zahlt sie hier 1330 Euro. Von 2017 an sind es 1262 Euro.