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Mythos Streif

Das Hahnenkamm-Rennen auf der legendären Streif ist für Signe Reisch, der ein Teil der Rennstrecke gehört, die fünfte Jahreszeit. Ihr Nobelhotel Rasmushof im Zieleinlauf ist das inoffizielle Hauptquartier des berühmtesten Skirennens der Alpen. Formel-1-Boss Bernie Ecclestone zählt seit Jahren in der traditionsreichen Herberge zu den Stammgästen.

Reisch ist so etwas wie die Matriarchin von Kitzbühel. Schließlich ist die 61-jährige Unternehmerin die Präsidentin des örtlichen Tourismusbandes, der zusammen mit den Bergbahnen und dem Skiklub das Machtzentrum des alpinen, 8.200 Einwohner großen Millionärsparadieses bildet.

An diesem Wochenende trifft sich wieder die Prominenz um Kitzbühel-Stammgast Bernie Ecclestone, Arnold Schwarzenegger, Österreichs Bundeskanzler Christian Kern, Niki Lauda, Victoria Swarovski, ORF-Chef Alexander Wrabetz, Andreas Gabalier und DJ Ötzi, um der wohl berühmtesten Skiabfahrt der Welt beizuwohnen: der Streif. Benannt ist die Streif nach dem Bauern „Straiff“, der dort einst die Alm bewirtschaftete. Allein die traditionelle Weißwurst-Party beim „Stanglwirt“ mit hoher Promi-Dichte zog 2500 Gäste an.

Doch der Glamour in Kitzbühel hat durch den Sponsor Audi in diesem Jahr einen Dämpfer bekommen. Denn der Ingolstädter Autobauer verzichtete in diesem Jahr auf seine populäre „Audi Night“ mit rotem Teppich am Freitagabend, die stets viel Prominenz aus Wirtschaft und Politik angezogen hatte.

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„2017 sind wir wie gewohnt Partner des alpinen Klassikers am Hahnenkamm, doch die ,Audi Night' erfinden wir neu. Wir laden unsere Gäste am Freitagabend in einem privaten Rahmen ein – ohne Empfang am roten Teppich, ohne mediale Öffentlichkeit“, sagte eine Sprecherin in Ingolstadt. Diesmal bitte keine Fotografen. In früheren Zeiten ließen sich der frühere VW-Chef Martin Winterkorn Rupert Stadler noch gerne auf dem roten Teppich von Kitzbühel ablichten.

Zur Begründung für die neue Bescheidenheit heißt es beim Ingolstädter Autohersteller: „Tempo, Technik, Agilität – wer das auf den Skiern perfekt beherrscht, hat beim legendären Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel besten Chancen auf das Treppchen. Auch wir bei bestreiten gerade ein spannendes Rennen. Es geht um die besten Lösungen für die Automobilität von morgen. Das Tempo ist rasant, die neue Technik disruptiv und Agilität oberstes unternehmerisches Gebot.“ Deshalb habe man sich schon im vergangenen Sommer Gedanken zur neuen Strategie gemacht und auf die „Audi Night“ verzichtet.

Audi ist beim Hahnenkamm-Rennen an diesem Wochenende dennoch allgegenwärtig. Die -Tochter besitzt neben dem FIS-Engagement beim Hahnenkamm-Rennen, Partnerschaften mit der Bergbahn AG Kitzbühel, dem Kitzbüheler Skiclub sowie der Skischule Element3. Außerdem veranstaltet eine Reihe von Events wie den Audi quattro Ski Cup, die Amateur-Skirennserie mit Weltcup-Atmosphäre oder eine Audi Mountain Experience, bei der Kunden zusammen mit ehemaligen Skistars im Sommer die Streif erklimmen.

Kaum eine andere Abfahrt im Ski-Kalender sehnen die wagemutigen Abfahrer, wie zum Beispiel Kejtil Jansrud, Vorjahressieger Peter Fill und Hannes Reichelt mehr herbei als das Hahnenkamm-Rennen. Aber auch vor keiner anderen haben sie so viel Respekt. „Es ist die schwierigste und brutalste Strecke in meinen Augen“, sagte der deutsche Skiabfahrer Josef Ferstl nach dem Training.

Die Kennzahlen sprechen für sich: Die Strecke ist 3.312 Meter lang, erreicht im Streckenabschnitt Mausefalle ein Maximalgefälle von 86 Prozent und die Fahrer kommen im Zielhang auf Geschwindigkeiten von über 135 Kilometer pro Stunde. 2006 erreichte der Österreicher Michael Walchhofer mit 153 Kilometer pro Stunde die bislang höchste Geschwindigkeit, die jemals auf der Streif gemessen wurde.
Doch das Risiko hat seinen Preis. Jedes Jahr kommt es zu schweren Stürzen auf der Strecke. Das musste im vergangenen Jahr Abfahrtsass Aksel Lund Svindal aus Norwegen schmerzhaft erfahren. Auf dem Weg zur Bestzeit wurde ihm kurz vor der Traverse eine Bodenwelle zum Verhängnis, die ihn aushebelte, mehrere Meter durch die Luft schleuderte und in die Fangnetze warf.

Das Ergebnis: Kreuzband- und Meniskusriss samt Knorpelschaden im rechten Knie. Die Verletzung ist bis heute nicht richtig ausgeheilt. Anfang der Woche musste sich Svindal einer weiteren Operation unterziehen und die Saison vorzeitig beenden. Am selben Wochenende hatte es auch Georg Streitberger erwischt, der eine Knochenprellung im linken Knie erlitt, sowie Hannes Reichelt, dem wie Svindal das vordere Kreuzbrand als auch das Seiten- und Innenband gerissen ist. Die Liste der schweren Unfälle und Verletzung ließe sich noch lange fortführen.
Damit sich ein solches Sturzfestival mit schweren Verletzungen nicht wiederholt, haben die Veranstalter reagiert: Mit Flutlicht für bessere Sicht auch bei Wolken, einer anderen Linie für weniger Geschwindigkeit vor dem Sprung und gesperrten Passagen während der Besichtigung, um die Ideallinie zu schützen.

Dennoch hat es vor dem Rennen beim Training bereits weitere Sportler erwischt. Otmar Striedinger raste am Mittwoch in die Fangnetze, nachdem seine Skibindung brach. Der Österreicher erlitt einen Nasenbeinbruch und eine Schnittwunde am rechten Oberschenkel, die mit sechs Stichen genäht werden musste. Nur einen Tag später stand Striedinger jedoch wieder auf der Strecke.


Die Schattenseiten der Streif

Die Mischung aus Waghalsigkeit, Streckenführung und Prominenz macht das Hahnenkamm-Rennen zu einer Marke. Auch die Vermarktung des Kitzbühel-Rennens sorgt für Aufmerksamkeit – allerdings nicht immer zum Wohle des Sports und der Sportler. In diesem Jahr werden die besten Fahrer durch eine veränderte Startreihenfolge im Abstand von 2:40 Minuten starten.

So soll sichergestellt werden, dass im Fernsehen so viele Wiederholung und Bilder der Promis gezeigt werden können, wie möglich. Die Verantwortlichen des Deutschen Skiverbands sind erbost. „Das ist das wichtigste Rennen des Jahres, und alles richtet sich nach den besten 20 – das finde ich nicht richtig“, sagte DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier nach einer Teamsitzung der Rennleitung mit allen Trainern, bei der Herren-Cheftrainer Mathias Berthold sich massiv beschwert hatte.
Eine zentrale Rolle für die Marke „Streif“ spielt Red Bull. Der österreichische Brauseproduzent Dietrich Mateschitz mit seinem Marketing- und Medienimperium unterstützt das Hahnenkamm-Rennen auf seine Weis. So hat die Fernsehtochter Servus TV die Kino-Dokumentation „Streif - One Hell of a Ride“ koproduziert, die dem Hahnenkamm-Rennen ein filmisches Denkmal setzt und gleichzeitig für seine Dosen wirbt. Die Filmrechte vermarktet Red Bull auf der ganzen Welt.

Das Hahnenkamm-Rennen hat freilich auch seine Schattenseiten. Für den „normalen“ Skisportfan ist das Ticket für 30 Euro noch erschwinglich. Doch wer sein Wochenende in Kitzbühel verbringen möchte, muss tief in die Tasche greifen. Beispielsweise kosten zwei Nächte im Fünf-Sterne-Hotel Grand Tirolia satte 726 Euro ausgeben. Und es geht auch noch sehr viel teurer. Die Einheimischen klagen zudem über gewaltige Staus, die das Millionärsparadies quasi abriegeln.

Die Verkehrsprobleme und die hohen Immobilienpreise sind die Hauptprobleme des Tiroler Ortes. „Kitzbühel ist sicherlich ein teures Pflaster. Skibegeisterte, denen eine Übernachtung zu teuer ist, können morgens vor dem Rennen per Sonderzug Anreisen und spätabends wieder abreisen“, empfiehlt Pressesprecher des Promi-Hotels Stanglwirt in Kitzbühel weniger betuchten Gästen.

Auch Alkoholexzesse im malerischen Zentrum werden vermieden. „Die Schattenseiten der früheren Jahre sind beseitigt. Den Verkauf von hochprozentigem Alkohol in der Altstadt ist längst untersagt“, freut sich der Kitzbüheler Gemeinderat Thomas Nothegger.
Die Hotels in der Umgebung machen an diesem Wochenende das große Geschäft. Kein anderes Wochenende spült mehr Geld in ihre Kassen. Meist werden die Hotelpreise bereits Monate vor dem Rennen für jenes Wochenende stark in die Höhe getrieben. „Der Stanglwirt ist eines der wenigen Hotels in Kitzbühel, das über das gesamte Jahr geöffnet ist. Das Hahnenkamm-Rennen hat dennoch natürlich einen hohen Stellenwert bei uns“, heißt es beim Stanglwirt.

Danach kommt für die Hotels aber eine Durststrecke. „Schade ist, dass das Hahnenkamm-Rennen statt drei nicht fünf Tage dauert. Denn nach dem Rennen auf der Streif herrscht dann wieder tote Hose in Kitzbühel. Wir brauchen neue Ideen, wie wir die Betten wieder füllen“, sagt der parteiunabhängige Kommunalpolitiker Nothegger und spricht damit vielen in Kitzbühel aus dem Herzen.