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Mutig und risikobereit

Von der niederbayerischen Provinz aus hat Hans Lindner einen weltweit tätigen Baukonzern geschaffen. Die gesamte Familie ist heute in dem Konzern tätig.

Können, Fleiß und Glück. Für Hans Lindner müssen diese drei Dinge zusammenkommen, um Erfolg zu haben. Das wusste der heute 78-Jährige schon in jungen Jahren, war es doch der Leitspruch, den ihm seine früh verstorbene Mutter mit auf den Weg gegeben hat.

Können und Fleiß brachte der Unternehmer selbst mit, auch das Glück war ihm hold. So schafft der Sohn einer Gastwirtsfamilie aus dem niederbayerischen Arnstorf in den vergangenen 55 Jahren einen Baukonzern, der seinesgleichen sucht.

Seine Lindner Group hat die Decken des Flughafens von Hongkong geliefert, hat die Moschee in Mekka ausgestattet und auch die modernsten Kreuzfahrtschiffe von Aida-Nova. Decken, Fassaden und Isoliertechnik, Dächer, Reinräume und Türen. Hans Lindner wächst mit und an den Wünschen seiner Kunden. Am Flughafen Frankfurt sind seine Leute derzeit sogar dafür verantwortlich, ein ganz neues Terminal zu errichten.

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Heute zählt die Gruppe 7.500 Mitarbeiter, der Umsatz lag zuletzt bei 1,1 Milliarden Euro. Das Geschehen in seinem Unternehmen verfolgt der Patriarch noch immer, aus dem Tagesgeschäft hat sich Lindner jedoch zurückgezogen. Seine Nachfolge hat er längst geregelt. Tochter Veronika führt den Verwaltungsrat und überwacht die 13 Vorstände, die den Betrieb führen.

Sie kennt sich gut aus, bis 2018 war sie zehn Jahre lang für die Finanzen zuständig. Die 44-Jährige nimmt damit inzwischen die Schlüsselrolle in der Familienfirma ein. „Ich versuche, alles zusammenzuhalten“, erklärt Veronika Lindner ihre Aufgabe.

Der Aufstieg des Hans Lindner beginnt im Jahr 1965 mit einem Auftrag der Landwirtschaftlichen Berufsschule Deggendorf. Dafür besorgt sich der Betriebswirt die Mitarbeiter auf dem Arbeitsamt. Einfach ist das nicht, es herrscht Vollbeschäftigung in jenen Tagen. „Die ersten zwei Zimmerer hatten mehr die Bierflasche in der Hand als den Hammer“, erinnert er sich.

Trotzdem ist der Kunde mit Lindners Akustikdecke vollauf zufrieden. Die Projekte werden schnell größer. Schon 1971 baut er an der Reitanlage für die Olympischen Spiele sowie am Athletendorf in München mit und auch an einem der zentralen U-Bahnhöfe der bayerischen Landeshauptstadt, dem Stachus.

Ursprünglich will Lindner ins Geschäft mit Fertighäusern einsteigen und dafür einige Zeit in Finnland verbringen, dem Mutterland dieser Bautechnik. Weil seine Mutter erkrankt, bleibt er daheim in Bayern und heuert bei Isartaler-Holzhaus in Holzkirchen südlich von München an. Schon nach zwei Jahren macht er sich selbstständig.

Von Anfang an hat Lindner den Drang, in neue Dimensionen vorzustoßen. 1970 baut er bereits seine eigene Schreinerei und fertigt fortan Decken und Trennwände. Nach sieben Jahren beschäftigt er schon 400 Mitarbeiter.

„Ich war immer mutig und risikobereit“

Die Expansion allerdings ist teuer, mit den Jahren hat Lindner hohe Schulden aufgetürmt, und die Kreditinstitute sind drauf und dran, den ambitionierten Jungunternehmer fallen zu lassen. Eine kritische Phase, und Lindner empfindet es als ungemein erniedrigend, so sehr von den Geldhäusern abhängig zu sein.

Diese Phase im Jahr 1973 hinterlässt tiefe Spuren. „Damals habe ich mir geschworen, nie mehr eine Bank zu betreten.“ Ein Entschluss, an den er sich bis heute gehalten hat. Wenn ein Banker mit ihm ins Geschäft kommen will, dann muss er sich in die Lindner-Büros bemühen.

Lindner gelingt es, seine Verbindlichkeiten innerhalb einiger Jahre abzubauen. Parallel dazu entscheidet er sich, die immer komplexer werdende Firma neu zu strukturieren. Zuvor hat er alle Bereiche selbst geleitet, vom Lager über die Produktion und den Versand bis zum Rechnungswesen.

Er schafft kleine, überschaubare Profitcenter, die monatlich von der Unternehmensspitze überwacht werden. Das ist auch deshalb wichtig, weil stetig neue Bereiche hinzukommen. Anfang der Achtzigerjahre steigt er in die Isoliertechnik ein, Mitte des Jahrzehnts kommen Böden hinzu.

Lindner bearbeitet bald nicht mehr nur Holz, sondern auch Metall. Parallel dazu eröffnet er Auslandsniederlassungen und übernimmt eine ganze Reihe von Firmen. Viel Lehrgeld muss er dabei bezahlen. Der Geschäftsführer der ersten internationalen Dependance in Österreich wirtschaftet in die eigene Tasche.

Davon lässt sich der Firmenlenker aber nicht abschrecken. „Ich war immer mutig und risikobereit“, meint Lindner. So auch in Bulgarien, wo der Patron Anfang des neuen Jahrtausends einen kompletten Businesspark mit angrenzendem Wohngebiet in die Höhe zieht. Ein paar Jahre später steigt er in den Schiffsausbau ein.

Seit der Firmengründung hat Lindner eine ganz besondere Beziehung zu seinen Leuten. Nicht zuletzt, weil er immer um Mitarbeiter in seiner niederbayerischen Heimat kämpfen muss. Anfangs hat er noch gute Karten bei den Landwirten und Bauarbeitern der Region, denen er einen ganzjährigen Arbeitsplatz bieten kann.

Als „Bauernhilfsverein“ wird die Firma schnell bekannt. Aber das reicht bald nicht mehr. 1970 holt er daher 100 Arbeiter aus der Türkei. Viele davon verbringen ihr gesamtes restliches Arbeitsleben bei Lindner.

Seit 1984 schüttet der Unternehmer zudem 15 Prozent vom Ertrag an seine Mitarbeiter aus. Und das ist noch nicht alles. Zahlreiche Ferienhäuser hat Lindner für seine Mannschaft gebaut, in Österreich und Irland, in Bayern, der Slowakei, Kroatien, Spanien und Italien.

1.000 Kolleginnen und Kollegen sowie deren Familien nutzen sie jedes Jahr – und auch der Patron und dessen Familie verbringen darin ihre Ferien. Lindner will, dass die Beschäftigten möglichst lange dabeibleiben. „Die Mitarbeiter sollen im Unternehmen eine berufliche Heimat haben“, erläutert der Unternehmer.

Mit einem Ausflug von Kollegen ist allerdings auch die größte Katastrophe der Firmengeschichte verbunden. Zum 50. Geburtstag des Unternehmens dürfen Mitarbeiter 2015 über Pfingsten ein Wochenende in einem angemieteten Gästehaus in den bayerischen Alpen verbringen. Bei einem Brand dort sterben sechs Mitarbeiter, zahlreiche werden schwer verletzt.

Der Betreiber wird später zu einer Haftstrafe verurteilt. In der schwierigen Zeit danach ist es Veronika Lindner, die sich intern um die Hinterbliebenen der Opfer kümmert und gleichzeitig an die Öffentlichkeit geht.

Rendezvous auf der Baustelle

Wie es wirtschaftlich um die Lindner Group bestellt ist? Die Firma sei profitabel, meint Veronika Lindner, ohne jedoch Details zu nennen. So verschlossen war das Unternehmen nicht immer.

1988 bringt Hans Lindner seine Firma an die Börse und verkauft ein Fünftel der Anteile. „Ich hatte den Eindruck, dass es gut ist, wenn ich selbst kontrolliert werde“, begründet er heute die Emission. Ums Geld sei es ihm hingegen nicht gegangen. Mit den Erlösen gründet Lindner wohltätige Stiftungen.

So recht anfreunden kann sich der tatkräftige Macher aber nie mit der Welt der Investoren und Analysten. „Die Börse wollte nur gute Neuigkeiten hören, nie etwas Negatives“, wundert sich Lindner noch Jahrzehnte später. Dabei sei doch völlig klar, dass nicht immer alles nach Plan verlaufe.

Auch die bohrenden Fragen auf den Hauptversammlungen nerven. Noch heute muss Lindner den Kopf schütteln, wenn er an jenen Aktionär denkt, der von ihm wissen wollte, welche Automarke er denn fahre. Nach einigen Jahren beendet er den Ausflug aufs Parkett. Das sorgt für jahrelangen Ärger, denn Kleinaktionäre wehren sich vor Gericht dagegen, hinausgedrängt zu werden. Inzwischen gehören alle Aktien der Familie. Hans Lindners Stiftungen freilich bestehen nach wie vor, sie werden von zweien seiner Töchter geführt.

Berufliches und Privates zu trennen, das kommt Hans Lindner nie in den Sinn. Vielmehr versucht er stets, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Seine Frau Brigitte erinnert sich, wie schon ihr erstes Treffen sie auf die Uni-Baustelle in Regensburg führte.

Das war am Ostersonntag 1967. Erst danach ging es ins Café am Dom. Das Rendezvous hinterlässt trotzdem Eindruck: „Erdbeerkuchen um Ostern herum – das war schon etwas Besonderes“, meint die Gattin des Unternehmers.

Gleichwohl, Hans Lindner versucht stets, für seine Familie da zu sein. Jahrelang eilt er schon lange vor Sonnenaufgang ins Büro, um zum Frühstück der Kinder wieder daheim vorbeizuschauen. Hotelübernachtungen vermeidet er, so gut es geht, Ein-Tages-Dienstreisen sind die Norm.

Das verlangt einen gewaltigen Einsatz. Lindner hat noch in Erinnerung, wie er rastlos zu den Kunden fährt und nicht selten auf 140.000 gefahrene Kilometer im Jahr kommt. Da er stets in Eile gewesen sei, habe er nie gefrühstückt und sich sogar im Wagen rasiert. Seinen Kindern sei er trotzdem ein guter Vater gewesen, meint Veronika Lindner: „Obwohl er sehr viel unterwegs war, gefühlt war Papa immer da.“

Über die Familie lässt Lindner bis heute nichts kommen. Einmal die Woche lädt seine Frau Brigitte zum Mittagessen ein, der ganze Clan sitzt dann am Tisch, die Eltern, die Kinder mit Partnern und die Enkel. 20 Personen kommen da zusammen. Da werden neue technische Lösungen diskutiert, Hotelstandorte erörtert oder Betriebsabläufe durchgesprochen. Das fällt nicht schwer, schließlich ist jeder Einzelne in der Firma beschäftigt, also auch die vier Schwiegersöhne.

So entsteht eine ganz besondere Atmosphäre bei der Lindner Group. „Es wird auch mal ein Auftrag angenommen, wenn nicht zu 100 Prozent sicher ist, wie wir das Problem lösen können“, sagt Helmut Lang. Der Manager ist unter anderem für das Auslandsgeschäft, die Fassadensparte und die Immobilien zuständig und schon seit mehr als zwei Jahrzehnten dabei. Er schätzt es, dass Hans Lindner stets bereit war, Risiken einzugehen: „Er glaubt an das eigene Können und verlässt sich auch auf das Bauchgefühl.“

Entscheidend für den steilen Aufstieg von Hans Lindner sei nicht zuletzt dessen hervorragende Menschenkenntnis, glaubt Lang. „Er kann Leute sehr gut einschätzen.“ Zudem gebe der Unternehmer auch dem Nachwuchs die Chance, sich zu beweisen. Wenn er die neuen Lehrlinge begrüße, dann gebe er ihnen immer den Rat, so zu handeln wie er es selbst getan habe, betont Hans Lindner: „den Beruf zum Hobby zu machen“. Denn nur dann stelle sich der Erfolg tatsächlich ein.

Mit dem Fahrrad ins Büro

Ins laufende Geschäft mische sich die Familie nicht mehr ein, bestätigt Lang. Trotzdem sei sie stets präsent, die Türen von Vater Hans und Tochter Veronika stünden immer offen. Oberstes Ziel sei es, auch in Zukunft wirtschaftlich unabhängig zu bleiben, erklärt Veronika Lindner, eine ehemalige Unternehmensberaterin.

Die weltwirtschaftlichen Turbulenzen dieser Tage sieht die Betriebswirtin mit abgeschlossener Banklehre gelassen: „Es ist mir nicht bange um die Zukunft, auch nicht in einer Rezession. Wir haben gute Leute, treue Kunden und sind breit aufgestellt.“ Außerdem sei die Gruppe seit jeher ausgesprochen wendig: „Schon immer war es unsere Stärke, dass wir Gelegenheiten konsequent genutzt haben, wenn sie sich boten.“

Das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, das gelingt Hans Lindner nicht nur auf dem Bau. 2002 erwirbt der Unternehmer das Wasserschloss Mariakirchen, nur ein paar Kilometer von der Firmenzentrale entfernt. Lindner betreibt hier ein Vier-Sterne-Hotel mit angeschlossener Brauerei.

Im Gasthaus spielt der Schlossherr gerne eine Runde Schafkopf. Heute gehören Lindner zehn Häuser, die er unter der Marke MK-Hotels zusammengefasst hat; seine Tochter Johanna kümmert sich um die Betriebe.

Die jüngste Unternehmung heißt „Landluft“, ein Biobauernhof im niederbayerischen Leberfing. Vor wenigen Tagen hat er nun einen Onlineshop für sein Ökofleisch eröffnet. Und in Rumänien ist Lindner seit ein paar Jahren dabei, auf noch deutlich größerer Fläche eine Land- und Forstwirtschaft aufzubauen.

Bei all seinem Erfolg und seinen vielen Besitztümern ist Lindner bodenständig geblieben. Ein eigenes Auto gehört ihm schon lange nicht mehr, stattdessen radelt er in die Firma. Sein Velo platziert er aber nicht einfach am Fahrradständer. „Er stellt immer, egal, wo er ankommt, das Rad in die Richtung seines nächsten Zieles“, erzählt seine Frau. Den unternehmerischen Weitblick hat er auch als Rentner behalten.