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Merkel reist ohne Plan nach Peking

Offiziell ist es nur der Antrittsbesuch zu ihrer vierten Amtszeit, der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Donnerstag nach Peking und Shenzhen führt. Wie meist wird sie von hochrangigen Dax-Managern begleitet, darunter Siemens-Chef Joe Kaeser und VW-Lenker Herbert Diess. Und doch ist bei Merkels elftem Staatsbesuch in China fast alles anders als zuvor. Denn in der Wirtschaftsdelegation herrscht Unsicherheit.

Seit die USA sehr eigene Handelswege gehen, hat Deutschland unbestreitbar an Gewicht auf der Bühne der Weltwirtschaft verloren. Im Bundeskanzleramt und im Wirtschaftsministerium geht die Sorge um, zwischen den Supermächten USA und China zerrieben zu werden: Einer Weltmacht USA, die ihre Handelspartner, allen voran die Europäer, mit Strafzöllen bedroht. Und einem sehr selbstbewussten China, das seit zehn Jahren seine Strategie, zur Weltwirtschaftsmacht aufzusteigen, gezielt verfolgt und unter dem Schlagwort „Made in China 2025“ inzwischen in einen Plan gegossen hat.

Dieser Plan sieht neben der Stärkung der Binnenkonjunktur gezielte Investitionen in ausländische Hochtechnologiefirmen vor, damit chinesische Firmen ihren Wertschöpfungsanteil steigern können.

Seit der Augsburger Roboterhersteller Kuka 2016 an den chinesischen Investor Midea verkauft wurde, weiß die Bundesregierung um die Gefahr, die von Übernahmen sogenannter kritischer Infrastruktur durch ausländische Unternehmen ausgeht. „Wir sind an chinesischen Investitionen interessiert. Das gilt allerdings nicht für Investitionen in kritische Infrastruktur“, verlautete denn auch vor der Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Peking an diesem Donnerstag und nach Shenzhen am Freitag.

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Sorgen bereitet die Seidenstraße

Sorgen bereitet das chinesische Infrastrukturprojekt Seidenstraße. Dessen Herzstück, eine über 10.000 Kilometer lange Zugverbindung, reicht vom chinesischen Chongqing bis zum Duisburger Hafen. Entlang der Schienenstränge, Autobahnen und Häfen – auch Piräus in Griechenland zählt dazu – ist Chinas Handel bereits um 17,8 Prozent gewachsen. Im Jahr 2016 hat China die USA als Deutschlands größten Handelspartner abgelöst. Die chinesischen Direktinvestitionen in Deutschland überstiegen in dem Jahr erstmals die deutscher Firmen in China.

Laut einer Bertelsmann-Studie kauften chinesische Unternehmen genau jene Hochtechnologiefirmen, welche die Bundesregierung nicht in Händen von Unternehmen wissen will, auf die Chinas Regierung Einfluss nimmt. Zwei Drittel von 175 untersuchten Beteiligungskäufen in Deutschland wurden zwischen 2014 und 2017 genau in den Branchen getätigt, in denen China bis 2025 eine führende Rolle anstrebt.

In deutschen Unternehmen wächst deshalb die Angst vor chinesischen Käufern: In der Umfrage „Elite-Panel“ von „FAZ“ und „Capital“ sagte mehr als die Hälfte der befragten Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft, dass sie sich einen Schutz deutscher Technologieunternehmen vor chinesischen Investoren wünschten. Vor zwei Jahren hatte dies erst ein Viertel befürwortet.

Mit der neuen Seidenstraße – dem Bau von Eisenbahnen und Straßen sowie dem Kauf von Häfen – will das Land immer stärker die globalen Handelswege kontrollieren. Mehr noch: Chinas Regierung drängte Merkel, während ihres Besuchs in Peking eine Vereinbarung zur Beteiligung am Seidenstraßenprojekt feierlich zu unterzeichnen. Das wolle man auf keinen Fall, hieß es aus Berliner Regierungskreisen. Stattdessen will Merkel kräftig in Peking auf eine Marktöffnung für deutsche Investoren und Produkte drängen.

Im vergangenen Jahr kauften sich chinesische Investoren mit gut zwölf Milliarden Euro in der deutschen Industrie ein, die umgekehrten Investitionen deutscher Firmen betrugen nur ein Drittel dieser Summe. Deutschland zählte zu den beliebtesten Zielländern Chinas, neben Frankreich und Großbritannien.

Deutsche Firmen haben kaum Marktzugang in China

Umgekehrt aber funktionierten die Geschäfte kaum. „Wer in China eine Firma kaufen möchte, muss viele Hindernisse überwinden und zahlreiche Genehmigungsverfahren durchlaufen, die dazu noch intransparent sind“, kritisiert der Leiter für Außenwirtschaft des Maschinenbauverbands VDMA, Ulrich Ackermann.

Einen Plan, wie Deutschland, eine der offensten Volkswirtschaften der Welt, seine Wirtschaft für die neue Weltunordnung stärken kann, hat die Bundesregierung bisher nicht. Schon gar nicht gegenüber China, das trotz aller Beteuerungen, sich an die Regeln der Welthandelsorganisation WTO zu halten, als restriktivstes Land für Auslandsinvestoren gilt, wie die OECD urteilt. Dazu hieß es aus dem Kanzleramt: „Wir entwickeln gemeinsam mit Europa eine Strategie.“

Anders als Deutschland ist es China gelungen, seinen Exportüberschuss zu senken. „China hat – im krassen Gegensatz zu Deutschland – seinen Beitrag zum Abbau globaler Handelsungleichgewichte geleistet“, sagte Ifo-Ökonom Gabriel Felbermayr. Von Strafzöllen könne China deshalb nicht mehr stark getroffen werden.

„Was Deutschland von den USA im Umgang mit China lernen kann, ist, dass eine glaubwürdige Drohkulisse zu funktionieren scheint und in China Verhaltensänderungen bewirkt“, sagte Felbermayr dem Handelsblatt. Deutschland könnte etwa deutlicher als bisher damit drohen, dass der Markt nicht so offen bleiben muss – ohne dass man komplett dichtmacht.

Die Chance auf schnelle Erfolge gebe es aber nicht: „Die Bundesregierung hat in den Gesprächen über den Zugang für Investoren de facto nichts anzubieten: Deutschland ist das weltoffenste Land, China das restriktivste der Welt“, sagt auch Felbermayr.

Noch pessimistischer ist der Ökonom Mikko Huotari vom China-Institut vom Mercator Institute for China-Studies (Merics): „Wir sitzen zwischen den USA und China, und unsere Einflussmöglichkeiten sind extrem beschränkt. Deshalb werden wir im Handelskonflikt immer der Verlierer sein“, urteilt er. „Ich glaube nicht, dass der Besuch der Kanzlerin geeignet ist, massive Veränderungen in China einzufordern: Der Handelskonflikt mit den USA dominiert in China gerade alles.“

Deutschlands einzige Chance sei, Handelskonflikte zu deeskalieren, „und sich so eng es geht, mit der EU zusammenzuschließen und weitere Verbündete zu suchen, etwa Japan“. Der Ökonom hält es auch für richtig, dass die Kanzlerin in China auf Gegenseitigkeit bei der Marktöffnung beharren will. Die EU sollte in größtmöglicher Einigkeit zudem ihre eigenen Regeln so ändern, dass Investoren aus Drittstaaten nur dann Zugang zum Binnenmarkt bekommen, wenn sie ihren Markt gleichwertig öffnen, schlug er vor.

Wirtschaft ist verunsichert

In der Bundesregierung hält man sich zugute, bereits 2017 die Außenwirtschaftsverordnung geschärft zu haben: Wenn ein Investor aus einem Nicht-EU-Land mehr als 25 Prozent an einem Unternehmen aus dem Bereich „kritische Infrastruktur“ übernehmen will, wird das die Bundesregierung prüfen und womöglich verhindern. In der Wirtschaft allerdings herrscht Unsicherheit darüber, für welche Branchen das gilt. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will die Verordnung spezifizieren. In der Diskussion ist in der Koalition auch, die Schwelle von 25 Prozent abzusenken.

Altmaier weiß um die Gefahr, die von Übernahmen kritischer Infrastruktur durch ausländische Unternehmen ausgeht. Persönlich hatte er sich dafür eingesetzt, dass der belgische Übertragungsnetzbetreiber Elia sein Vorkaufsrecht auf Anteile des deutschen Netzbetreibers 50Hertz wahrnahm: So wurde verhindert, dass die Chinesen zum Zug kamen.

Jetzt allerdings startet der chinesische Stromnetzbetreiber SCGG einen neuen Versuch, um die noch nicht Elia gehörenden 20 Prozent zu kaufen. Man wolle ähnlich vorgehen wie zuletzt und hoffe auf einen anderen Käufer, hieß es aus Regierungskreisen. Jedoch: Den eigenen Transparenzansprüchen dürfte ein solcher Regierungseingriff hinter den Kulissen eher nicht genügen.

Man setze strategisch auf das gemeinsame Handelsabkommen der EU mit China, hieß es in Regierungskreisen. Das allerdings kommt seit Jahren nicht so recht vom Fleck. Eine neue Offensive, hieß es, wolle Merkel dafür starten.

Chinas Regierung wiederum lässt nichts unversucht, Deutschland auf seine Seite zu ziehen – gerade auch im Konflikt mit den USA. Xing Hua, Professor für Internationale Beziehungen am China Institute for International Studies, zweifelt etwa daran, dass die EU Trump ebenso „furchtlos standhalten könne“ wie China: „Sollte Merkel Tipps haben wollen, wie man mit den USA verhandeln soll, kann China sicherlich seine Erfahrungen mit ihr teilen“, sagte er dem Handelsblatt.

Der Europaexperte Zhao Junjie von der chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften geht noch weiter: „Berlin muss jetzt engere Beziehungen mit anderen Staaten knüpfen. China sollte dabei die erste Wahl sein“, sagte er. Anfang November findet in Schanghai eine riesige Importmesse statt, bei der über 100 Länder vertreten sein sollen. Deutschland soll eines von zehn Partnerländern sein. Bisher ist die Begeisterung jedoch verhalten.

China bandelt durch die Seidenstraße mit Balkanstaaten an

Auch bei der Seidenstraßeninitiative zeigt sich die Bundesregierung zurückhaltend. Zur großen Eröffnungskonferenz im Mai 2017 war zwar Bundeskanzlerin Angela Merkel eingeladen, sie schickte aber nur die damalige Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries. Statt die Initiative zu loben, wie es die chinesische Führung gern gesehen hätte, fand Zypries kritische Worte und mahnte Reziprozität bei den Handelsbeziehungen an. Auch jetzt will Merkel keineswegs das gewünschte Abkommen mit China zur Seidenstraße unterzeichnen.

Die Seidenstraßeninitiative sei ein Versuch, die Globalisierung nach chinesischen Vorstellungen zu etablieren, mit eigenen Schiedsgerichten und eigenen Standards, hieß es von hochrangiger Stelle aus dem Wirtschaftsministerium. Mit Misstrauen beobachtet die Bundesregierung zudem, dass China das Projekt nutzt, um Griechenland, Zypern und die Balkanstaaten an sich zu binden.

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras verhinderte bereits bei der UN eine einmütige Kritik der EU an der Menschenrechtssituation in China. „Die USA und China versuchen, die Mitglieder der Europäischen Union auseinanderzudividieren. Um dabei nicht zerrieben zu werden, müssen wir mit einer Stimme sprechen, auch wenn das für einige Länder auch Zugeständnisse bedeutet“, sagte Joachim Pfeiffer, wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, dem Handelsblatt.

Bereits im Jahr 2012 rief Peking das Format 16+1 ins Leben, seitdem tagt es regelmäßig. Der Kooperation gehören fünf baltische und elf osteuropäische EU-Mitgliedstaaten an. Für Peking ist es ein Mittel, um an Brüssel vorbei mit den Staaten zu verhandeln. Im Bundeswirtschaftsministerium blickt man kritisch auf diese Verbindungen: Es müsse vermieden werden, dass China Einfluss auf politische Entscheidungen in der EU bekommt.

Ifo-Ökonom Felbermayr hält Chinas Position in Osteuropa jedoch nicht für dauerhaft stark: „Die Zielmärkte Chinas sind Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Ost- und Südeuropa haben jenseits einzelner Infrastrukturen wenig zu bieten.“ Zuletzt seien die Investitionen Chinas in der EU rückläufig gewesen. „Offenbar rentierte sich der Einstieg zu Höchstpreisen in vielen Fällen nicht.“