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Filialsterben bei Banken in Deutschland erreicht eine neue Dimension

Banken schließen im großen Stil ihre Zweigstellen in ganz Deutschland. Einer der wichtigsten Gründe ist die Digitalisierung. Die gesamte Branche wird umgekrempelt.

Es war ein trauriger Tag für die Sparda-Bank West. An einem Mittwoch Anfang November blieben alle Filialen geschlossen. Die rund 1000 Mitarbeiter wurden auf einer Betriebsversammlung in Dortmund über radikale Einschnitte informiert.

Wie so viele andere Banken auch, muss das Institut kräftig sparen und will deshalb Zweigstellen in Münster, Coesfeld, Gronau, Hagen, Bergheim, Grevenbroich, Lünen, Lennestadt, Paderborn, Schwerte, Köln, Düsseldorf, Solingen, Gelsenkirchen und Velbert schließen oder zusammenlegen. Insgesamt soll die Hälfte der Geschäftsstellen, 43 von 82, bis 2022 wegfallen.

Der Trend ist nicht unbedingt neu, bereits seit Jahren schrumpfen die deutschen Banken ihr Filialnetz. Aber die neuesten Zahlen zeigen, dass das Filialsterben eine neue Dimension erreicht. Glaubt man den Experten, wird sich der Trend in den kommenden Jahren noch einmal beschleunigen.

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Dahinter stecken im Wesentlichen zwei Gründe: Auf der einen Seite müssen die Banken sparen und ihre Kräfte auf die Digitalisierung konzentrieren. Auf der anderen Seite führt die Digitalisierung dazu, dass die Filialen zusehends verwaisen. „Aktuelle Analysen zeigen, dass unsere Kunden immer seltener eine Filiale besuchen und stattdessen andere Kontaktmöglichen bevorzugen“, sagt Manfred Stevermann, Chef der Sparda-Bank West, zu den Sparplänen.

Stevermann ist nicht der einzige Bankchef, der sich im großen Stil von Filialen verabschiedet. Im Gegenteil. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Die BW-Bank aus Stuttgart, die zur Landesbank LBBW gehört, baut bis Anfang 2021 die Zahl der Filialen von derzeit 132 auf 100 ab. 2016 zählte die BW-Bank noch 168 Zweigstellen. Die Nassauische Sparkasse aus Wiesbaden kündigte im September an, dass 25 der 109 Filialen bis Jahresende wegfallen. Und die größte deutsche Sparkasse aus Hamburg will die Zahl der Geschäftsstellen in den nächsten Jahren von 130 auf 100 schrumpfen. 2014 waren es noch 150. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Für Thorsten Brackert von der Beratung BCG ist die Sache klar: „Die Filiale in ihrer heutigen Form hat weitgehend ausgedient, die Zahl der Zweigstellen wird weiter sinken.“ Völlig verschwinden würden die Filialen zwar nicht aus dem Straßenbild, ihre Aufgabe werde sich aber grundlegend ändern, weg von der täglichen Dienstleistung hin zum Verkaufs- und vor allem zum Beratungspunkt für komplexe Produkte. Außerdem werde ein neuer Gesichtspunkt für die Banken immer wichtiger: „Eine entscheidende Frage ist, wie viele Standorte brauche ich, um meine Marke im Stadtbild und in der Öffentlichkeit zu verankern“, erläutert Brackert.

Probleme für Sparkassen und Volksbanken

„Die Tendenz ist klar: Es werden nach wie vor viele Filialen geschlossen“, meint auch Oliver Mihm, Chef der Beratungsfirma Investors Marketing. Allerdings sei die Dynamik nicht überall gleich stark. Es gibt Häuser, die jetzt 30 Prozent der Filialen streichen. Andere haben sogar bereits 50 oder 60 Prozent abgebaut, und wieder andere schließen nur vereinzelt Filialen. Die Strategien sind sehr unterschiedlich.

Besondere Probleme sieht Mihm für Sparkassen und Genossenschaftsbanken, weil diese beiden Bankengruppen Kunden noch immer in erster Linie über den Standort gewinnen würden. „Wenn diese Geldhäuser sich aus der Fläche zurückziehen, besteht die Gefahr, dass auf Dauer auch ihre Kundenzahl schrumpft“, warnt der Berater.

Ein Problem haben alle deutschen Banken gemeinsam: Sie müssen sich mit dem Phänomen auseinandersetzen, dass es in Deutschland immer mehr digitale Bankkunden gibt. Der neue Global Retail Banking Report von BCG zeigt, dass 33 Prozent aller neuen Konten in Deutschland 2018 bei Digital- oder Direktbanken eröffnet wurden.

Die Offenheit der deutschen Kunden für Banking ohne Filialen ist groß: Deutschland liegt bei der Nutzung digitaler Services mit 58 Prozent auf Platz drei unter den untersuchten elf Ländern, knapp hinter Belgien mit 63 Prozent ausschließlichen Onlinenutzern und den Niederlanden mit 77 Prozent onlineaffinen Bankkunden. Nur noch 13 Prozent der Deutschen nutzen die Bankfiliale als einzige Anlaufstelle bei Finanzangelegenheiten.

Weltweit zeigt sich ein ähnlicher Trend: Der Anteil von Bankkunden, die ausschließlich die Bankfiliale für ihre Geschäfte nutzen, ist seit 2015 von 35 auf 12 Prozent gesunken. Der Anteil ausschließlicher Onlinekunden ist im selben Zeitraum von 28 auf 40 Prozent gewachsen. 48 Prozent nutzen 2019 sowohl digitale Bankservices als auch die Filiale vor Ort. „Um im Wettbewerb um Kunden zu bestehen, müssen Banken an ihrem digitalen Angebot massiv arbeiten“, mahnt Holger Sachse, BCG-Partner und Leiter der Retail-Banking-Beratung in Deutschland und Österreich.

Doch das ist einfacher gesagt als getan. Einer neuen Studie der Beratung Bain zufolge haben die Geldhäuser in den vergangenen Jahren zwar bis zur Hälfte ihrer Transformationsbudgets in digitale Projekte gesteckt. Doch der erhoffte Erfolg blieb in vielen Fällen aus. Je nach Bank ist laut der Studie teilweise nur ein Drittel der Kunden für das Online- und Mobile-Banking freigeschaltet. Und davon nutzt wiederum lediglich jeder zweite regelmäßig die digitalen Zugangswege.

„Viele Banken haben sich bislang zu sehr auf den Ausbau ihrer digitalen Infrastruktur konzentriert und es versäumt, ihre Kunden und Mitarbeiter mit dem gleichen Engagement zu mobilisieren", konstatiert Bain-Partner Dirk Vater. Sein Fazit: Die Geldhäuser „haben den Erfolgsfaktor Mensch unterschätzt.“

Mobilisierung der Mitarbeiter entscheidend

Auf den ersten Blick mag es widersprüchlich klingen, aber nach Einschätzung von Bain ist der menschliche Kontakt zentral, wenn es darum geht, die Kunden vom digitalen Banking zu überzeugen. Bei der Mobilisierung der Kunden spielten die Mitarbeiter eine entscheidende Rolle, heißt es in der Studie. Aber auch hier gibt es offenbar noch deutlich Luft nach oben. Denn nach Schätzungen der Berater nutzt bislang nicht einmal jeder zweite Bankangestellte in Europa die Mobile-Services des eigenen Hauses.

In vielen Instituten gebe es organisatorische Hürden. „Banken propagieren das Mobile-Banking und untersagen beispielsweise die Verwendung privater Smartphones im Büro“, beklagt Bain-Partner Jens Engelhardt. „Das versteht niemand und steht dem erfolgreichen Wandel im Weg.“ Für seinen Kollegen Vater ist die Schlussfolgerung klar: „Wenn die Banken ihre Kunden nicht systematisch in die digitalen Kanäle migrieren und ihre Mitarbeiter mobilisieren, werden sie niemals die Früchte der digitalen Transformation ernten“, warnt er. Das könne sich angesichts des Margendrucks kein Haus leisten.

Mehr Digital-Kunden bedeuten letztlich weniger Filialen. BCG-Partner Sachse schätzt, dass in zehn bis 15 Jahren nur noch 20 bis 30 Prozent der heutigen Filialen existieren werden. Dabei gehe es für die Banken nicht nur um das Thema Kosten, sondern vor allem um die Bewältigung des tiefgreifenden Strukturwandels, den die Digitalisierung auslöst. Sparen allein helfe nicht weiter: „Eine Bank muss für ihre Kunden relevant bleiben, sonst bleibt als einzige Alternative profitabel zu sterben“, meint Sachse

„Für viele Banken gilt, dass sich ihr aktuelles Geschäftsmodell nicht einfach gesundschrumpfen lässt“, betont Sachse. Viele hätten noch immer nicht ausreichend realisiert, dass sie nicht mehr alles für alle anbieten können. „Alte Denkmuster sind hartnäckig“, warnt der Berater. Aber die Institute müssten lernen sich von Teilen zu trennen, die sich nicht mehr lohnen. „Noch haben wenige ein Gefühl dafür, wie völlig anders die Banken aussehen werden, die den digitalen Wandel überstehen“, meint Sachse.