Martin Schulz gefällt das
Auf Facebook haben Nutzer die Wahl: Sie können angeben, dass ihnen der Beitrag einer Seite gefällt oder mit einer Emotion auf ihn reagieren. Sie können einen Beitrag teilen, kommentieren – oder ihn ignorieren. Entscheiden sie sich bei vielen Beiträgen derselben Seite für letzteres, so wird diese bald dauerhaft aus ihrem Blickfeld verschwinden. Deshalb sind Interaktionen die wichtigste Währung auf Facebook – auch für die Spitzenkandidaten der Parteien im Wahlkampf.
Ginge es nach der Zahl ihrer Abonnenten, so wäre Bundeskanzlerin Angela Merkel mit über 2,5 Millionen Followern die erfolgreichste Spitzenkandidatin auf Facebook. Doch am meisten Interaktionen hat vor der Bundestagswahl ihr Herausforderer Martin Schulz erreicht. Das zeigte ein Handelsblatt-Vergleich mit Hilfe des Tools Crowdtangle.
Schulz hat im Gegensatz zu Merkel zwar nur etwa 460.000 Follower, jedoch erreichte er im Zeitraum vom 23. Juni bis 23. September über 1,7 Millionen Interaktionen auf Facebook. Das heißt, so häufig wurden Beiträge seiner Seite geteilt, kommentiert oder mit einem „Like“, einem „Wow“, einem wütenden Smiley oder einer anderen Emotion markiert – häufiger als die Beiträge der sieben anderen Spitzenkandidaten. Alexander Gauland von der AfD hat keine Facebook-Seite.
Mit den Beiträgen von Angela Merkels Facebook-Seite haben Nutzer im selben Zeitraum über 1,2 Millionen Mal interagiert, sie ist damit die zweiterfolgreichste Spitzenkandidatin auf Facebook. AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel liegt auf Platz drei (rund 902.000 Interaktionen), dicht gefolgt von Sahra Wagenknecht (879.000).
Auf der Seite von FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner wurden im Schnitt drei Beiträge pro Tag gepostet, mehr als auf jeder anderen Seite. Dennoch erreichten seine Beiträge nur 839.000 Interaktionen. Auf der Facebook-Seite von Martin Schulz wurden im Schnitt zweimal am Tag Beiträge veröffentlicht, auf Merkels Seite sogar nur einmal.
Christian Lindner liegt aber weit vor den drei am wenigsten erfolgreichen Spitzenkandidaten auf Facebook: Cem Özdemir erreichte nur 132.000 Interaktionen, Linke-Politiker Dietmar Bartsch nur 94.000. Am wenigsten Interaktionen erzielte Katrin Göring-Eckardt (34.000).
Auch in den letzten sieben Tagen vor der Bundestagswahl erreichte Martin Schulz am meisten Interaktionen (212.000). Alle Kandidaten erhöhten so kurz vor der Bundestagswahl noch einmal die Schlagzahl ihrer Beiträge auf Facebook. Auf der Seite von Martin Schulz wurden im Schnitt vier Beiträge pro Tag gepostet, ebenso auf der Seite von Alice Weidel. Auf der Seite von Angela Merkel wurden etwa zwei Beiträge veröffentlicht.
Wieder zeigt sich, dass viele Posts nicht unbedingt viele Interaktionen hervorrufen: Obwohl Christian Lindner mit sechs Posts pro Tag aktiver als jeder andere Spitzenkandidat auf Facebook war, landet er auch im kürzeren Vergleichs-Zeitraum der meisten Interaktionen nur auf Platz fünf.
Der viralste Facebook-Beitrag der Spitzenkandidaten in den vergangenen sieben Tagen stammte von Martin Schulz: Sein Post zur Pflegepolitik am Montag wurde über 2.900 Mal geteilt und rief 23.100 Reaktionen wie Likes hervor. Über 4.470 Nutzer kommentierten den Post.
Der SPD-Kanzlerkandidat ruft immer wieder dazu auf, ihn ins Gespräch zu bringen – auf Facebook und bei Auftritten wie auf dem Gendarmenmarkt am Freitag in Berlin. Zumindest in den sozialen Netzwerken hat er dieses Ziel wohl erreicht. Der Algorithmus von Facebook sorgt dafür, dass Nutzern auch Beiträge, mit denen Freunde interagiert haben, angezeigt werden. Auf Twitter war Schulz der meist erwähnte Spitzenkandidat in der Hauptphase des Bundestagswahlkampfes.
Am Sonntag wird dann aber wieder in einer anderen Währung gerechnet: Nicht Interaktionen, sondern Wählerstimmen entscheiden, welcher Spitzenkandidat vorne liegen wird. Vielleicht kann Schulz mit seinem am Samstagnachmittag geplanten Facebook-Live-Video ja noch einige davon sammeln.
KONTEXT
Große Koalition - Pro und Contra aus Sicht der SPD
Pro: stabile Regierung
In diesen schwierigen Zeiten - Trump, Erdogan, Putin, Kim und die Bombe - braucht Deutschland, braucht Europas Führungsmacht eine stabile Regierung.
Pro: SPD kann viel umsetzen
Der Koalitionsvertrag könnte wie schon 2013 klar die Handschrift der SPD tragen, wenn die Union keinen anderen Koalitionspartner findet. Und: Opposition ist Mist. Wenn die SPD mitregiert, kann sie wenigstens SPD-Politik umsetzen und das Land besser machen, anstatt Gesetze für die Papiertonne zu produzieren.
Pro: harte Oppositionsbank
Die SPD würde in der Opposition zwischen den Schreihälsen von rechts (AfD) und links (Linkspartei) untergehen .
Pro: Opposition kein Garant für besseres Wahlergebnis
Opposition ist auch kein Garant für bessere Wahlergebnisse, siehe 2013: Auch nach der schlechten Regierungszeit von Schwarz-Gelb fuhr die SPD nur 25,7 Prozent ein.
Pro: Regierungsvakuum nach Merkel
Wenn Merkel 2021 aufhört, bricht in der Union Chaos aus. Wenn die SPD dann an der Regierung ist, wissen die Menschen: Auf die SPD ist Verlass.
Contra: SPD muss sich erneuern
Nach drei Wahlschlappen in Folge muss sich die SPD erneuern. Das geht nur in der Opposition.
Contra: Angriffe auf Union wären glaubwürdiger
Nur aus der Opposition heraus ist die Union angreifbar. Es muss Schluss damit sein, in jedem Wahlkampf von der CDU in Mithaftung genommen zu werden.
Contra: Große Koalition muss die Ausnahme bleiben
Eine große Koalition muss der Ausnahmefall und darf nicht die Regel sein. Das Land braucht eine starke Opposition.
Contra: AfD könnte Oppositionsführer werden
Die SPD muss auf jeden Fall in die Opposition gehen, wenn ansonsten die AfD die größte Oppositionspartei stellen sollte.
Contra: keine großen Projekte auf der Agenda
Anders als 2013 fehlen diesmal große Projekte wie der Mindestlohn, die die SPD in Regierungsverantwortung unbedingt umsetzen muss.
Contra: Die Parteibasis will nicht mehr
Der Parteibasis ist eine große Koalition nicht mehr zumutbar. Ganz abgesehen davon, dass die Parteibasis einer Wiederauflage der Groko erst zustimmen muss, würde eine neue Koalition mit CDU/CSU bei vielen Anhängern zu Frust und möglicherweise auch zu Parteiaustritten führen.