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Konkurrent am Werksgelände: Segula droht Opel-Ingenieure zu verdrängen

Der Dienstleister Segula will direkt am Werksgelände in Rüsselsheim Facelifts und Derivate entwerfen. Was bleibt für die verbliebenen Opel-Ingenieure?

Am 6. Mai erhielten mehr als 1.700 Ingenieure und Techniker, die im Opel-Entwicklungszentrum ITEZ in Rüsselsheim beschäftigt sind, eine unangenehme E-Mail von ihrem Arbeitgeber. In bestem Bürokratendeutsch teilte ihnen die Geschäftsleitung sinngemäß mit, dass ihre Dienste nicht mehr benötigt werden. Die betroffenen Mitarbeiter hätten nun die Wahl: Entweder sie wechseln zu dem französischen Dienstleister Segula, oder sie verlassen Opel über freiwillige Programme wie Altersteilzeit, Vorruhestand und Abfindungen.

Viele der angeschriebenen Beschäftigten waren zunächst irritiert: In der Betreffzeile schrieb das Management zwar von einer „persönlichen Information“, die Ansprache fiel aber allgemein aus: „Sehr geehrte Mitarbeiterin, sehr geehrter Mitarbeiter“, stand dort zu lesen. Waren nun wirklich Sie persönlich gemeint oder doch jemand anderes?

Ein heilloses Durcheinander sei das gewesen, heißt es in Konzernkreisen. Viele Mitarbeiter fühlten sich von Opel „verraten und verkauft“, berichten Gewerkschafter. Es soll ganze Abteilungen im ITEZ geben, die die Arbeit eingestellt haben. „Es herrscht Chaos“, konstatiert ein Insider. „Stümperhaft“ sei das Ganze organisiert und orchestriert worden.

Das Ganze – damit ist ein Deal zwischen Opel und dem französischen Entwicklungsdienstleister Segula gemeint, der seit Monaten für heftigen Streit in Rüsselsheim sorgt. Im Herbst 2018 vereinbarten die beiden Unternehmen eine strategische Partnerschaft. Um Überkapazitäten im ITEZ abzubauen, wollte Opel 2.000 von 6.500 Entwicklern an Segula auslagern. Doch der ursprüngliche Deal ist längst Makulatur. Mehr als tausend Opelaner haben bereits gegen Segula votiert, um die restlichen tausend kämpfen die Franzosen unerbittlich.

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Segula will unbedingt einen „Engineering-Campus“ auf dem Opel-Werksgelände in Rüsselsheim errichten. „Unser Plan ist genau der gleiche wie zuvor, wir haben ihn nicht geändert“, erklärt Franck Vigot, Automotive-Chef von Segula, im Gespräch mit dem Handelsblatt. Bis 2023 werde der Campus mit 2.000 Beschäftigten stehen. Der einzige Unterschied: Die Franzosen fangen kleiner an und buhlen neben den Opel-Truppen um Fachkräfte auf dem freien Markt.

Ziel ist der Weltmarkt

„Der erste Tag, an dem die Partnerschaft in Kraft tritt, ist nicht wirklich entscheidend. Wir sind ein Familienunternehmen und sehr langfristig orientiert“, sagt Vigot. Und der deutsche Markt sei für seinen Konzern „von strategischem Interesse“.

Vigot will die große Schwachstelle von Segula ausmerzen. Die Firma aus Nanterre bei Paris ist in den vergangenen Jahren zwar rasant gewachsen, aus einem Mittelständler wurde ein Konzern, der in 30 Ländern aktiv ist, fast 12.000 Mitarbeiter zählt und laut Vigot eine Umsatzrendite vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen von „sechs bis acht Prozent“ erzielt. Aber ausgerechnet in Deutschland, dem wichtigsten Automarkt Europas, ist Segula ein unbekannter Zwerg.

„Es ist sehr wichtig, dass wir hier präsent sind und mit Herstellern wie VW, BMW und Daimler zusammenarbeiten“, sagt Vigot: „Denn das ist die Voraussetzung, um unser Know-how in die USA, nach Russland und China exportieren zu können.“ Hessen soll nur ein Zwischenschritt sein für die große Expansion von Segula rund um den Erdball. Es sind äußert ambitionierte Pläne. Und Vigot gewährt erstmals Einblick, was genau er auf dem Opel-Gelände am Stammsitz vorhat.

Erstens strebt er an, Fahrzeuge in Rüsselsheim zu konzipieren und zu industrialisieren. „Wir wollen Facelifts und Derivate von Modellen auf bestehenden Plattformen durchführen, also beispielsweise aus einer Limousine einen SUV formen“, erklärt Vigot. Zweitens soll sich das deutsche Segula-Team auf die Antriebsentwicklung konzentrieren, zunächst auf Verbrennungsmotoren, je nach Bedarf später auch auf Elektroantriebe und die Brennstoffzelle.

Die IG Metall ist gespalten

Angesprochen auf die Pläne von Segula, reagieren intime Opel-Kenner verblüfft. „Das sind genau jene Tätigkeiten, die künftig eigentlich die ITEZ-Ingenieure durchführen sollen“, sagt ein Insider. Ein anderer erklärt: „Da bleibt nicht mehr viel übrig für Opel.“ Die Sorgen, dass sich der Autobauer durch den Deal mit Segula einen Konkurrenten aufs eigene Gelände holt, halten auch Branchenexperten für durchaus berechtigt.

Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Center of Automotive Research, ist davon überzeugt, dass der französische Opel-Mutterkonzern PSA (Peugeot, Citroën, DS) im Sommer 2017 vornehmlich die Marktanteile der Hessen erwerben wollte. Die Folge: Von den 4500 Jobs, die im ITEZ nach dem Deal mit Segula zunächst verbleiben sollen, würden „in zehn Jahren vielleicht 500 übrig bleiben“, mutmaßt Dudenhöffer.

Opel widerspricht: „Das Entwicklungszentrum ist und bleibt das Herz von Opel. Alle Opel-Modelle werden weiter in Rüsselsheim entwickelt, und wir übernehmen hier zudem zahlreiche wichtige Aufgaben für die gesamte Groupe PSA.“ Tatsächlich soll die Marke künftig etwa die Entwicklung von leichten Nutzfahrzeugen im PSA-Konzern verantworten, sie darf die Brennstoffzellentechnik vorantreiben und kümmert sich um Vierzylinder-Benzinmotoren.

Aber wie viele Jobs bringt all das? „Nicht mehrere Tausend“, heißt es in Konzernkreisen. Segula sieht das als Chance. „Wir bekommen sehr viele positive Rückmeldungen – von Opel-Mitarbeitern ebenso wie von potenziellen Kunden“, sagt Vigot. Mehr als zehn Opel-Führungskräfte hätten bereits bei Segula angeheuert, 400 externe Bewerbungen lägen vor.

Neben Opel hätten die Franzosen zudem mit zwei weiteren Autoherstellern Verträge abgeschlossen, sagt Vigot. Mit der IG Metall steht Segula kurz vor einem Tarifvertrag. Das führt zu einer paradoxen Situation: Die Gewerkschaft ist gespalten. Während die Leitung des Bezirks Mitte die Tarifbindung anstrebt, opponieren die Vertrauensleute der IG Metall im Betrieb weiter gegen die Franzosen; sie hatten Segula als „Dienstleistungsbutze“ diffamiert.