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Klimaneutralität bis 2050: Diese Projekte sind für die EU am erfolgversprechendsten

Eine Studie identifiziert die aussichtsreichsten Konzepte für den klimafreundlichen Umbau der EU. Demnach können 55 Technologieprojekte Europa den Weg zur Klimaneutralität ebnen.

Auf dem Weg zur Klimaneutralität Europas gibt es viel Geld zu verteilen, und es besteht die Gefahr, dass dabei Fehler gemacht werden. Um dieses Risiko zu minimieren, hat das Beratungs- und IT-Dienstleistungsunternehmen Capgemini der Politik eine umfassende Handreichung geschrieben. Sie nennt 55 besonders erfolgversprechende Technologieprojekte, die dabei helfen können, das Netto-null-Emissionsziel bis 2050 zu erreichen.

Die Studie, die sich als Aktionsplan und Leitfaden für Politik und Investoren versteht, liegt dem Handelsblatt vor. Erarbeitet wurde sie von Capgemini Invent, der Managementberatung der Capgemini-Gruppe. In Auftrag gegeben hat die Studie Breakthrough Energy, ein von Bill Gates und Technologie- und Wirtschaftsführern gegründetes Netzwerk, das den Übergang in eine Zukunft mit sauberer Energie beschleunigen soll.

„Wir verstehen die Studie als ein Angebot an die Politik. Wir wollen dazu beitragen, dass das Geld dorthin fließt, wo der positive Effekt fürs Klima am größten ist und zugleich Arbeitsplätze geschaffen werden und die Wirtschaft gestärkt wird“, sagte Guido Wendt von Capgemini Invent dem Handelsblatt. „Es kommt darauf an, dass das Geld schnell und an der richtigen Stelle eingesetzt wird“, sagte er.

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Politisch steht das Thema im Moment weit oben auf der Tagesordnung. Die Spitzen der EU haben einen 750 Milliarden Euro schweren Aufbaufonds zur Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie beschlossen. Die Mittel sollen dabei helfen, die Weichen für eine klimafreundlichere Zukunft des Kontinents zu stellen.

Erst am Montag hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) den Corona-Aufbaufonds als „großen Schritt nach vorn“ bezeichnet. Die Gelder würden nicht einfach in die laufenden Haushalte der betroffenen Länder gehen, sondern genutzt für gezielte Investitionsprojekte etwa für mehr Klimaschutz und zur Energiewende.

Investitionen in Daten- und Energienetze stehen an erster Stelle

Für die Studie hat Capgemini Invent über 200 Technologieprojekte in allen 27 EU-Staaten analysiert. Nach Überzeugung der Experten muss es eine klare Hierarchisierung der Maßnahmen geben. Die 55 ausgewählten Technologie-Projekte beziehen sich auf die fünf Bereiche Energie, Gebäude, Verkehr, Industrie sowie Nahrungsmittel und Landnutzung.

„In der zeitlichen Abfolge stehen Investitionen in die Infrastruktur an erster Stelle. Das betrifft Strom- und Gasnetze, aber auch die digitalen Datenautobahnen, sprich den vernetzten Aufbau von Infrastruktur, Anlagen und IT – und den Einsatz von Big Data, Künstlicher Intelligenz und Data Analytics. Daran sollte man ab sofort mit höherem Druck arbeiten“, sagt Wendt.

Zu den 55 aussichtsreichen Technologiepfaden zählen außerdem etwa die Steigerung der Ausbeute von Photovoltaikmodulen um 30 Prozent, der Aufbau von schwimmenden Offshore-Windkraftanlagen in großem Maßstab, die Reduzierung des Bedarfs an Beton im Bausektor, die Anwendung der CO2-Abscheidung und -Speicherung bei der Zementproduktion, die Produktion von klimaneutralem Stahl durch den Einsatz von grünem Wasserstoff, die umfassende energetische Sanierung von privaten und öffentlichen Gebäuden und der Einstieg in die Produktion klimaneutraler synthetischer Kraftstoffe für den Flug- und den Schiffsverkehr.

Entscheidend werde sein, „dass wir europäisch denken und handeln“, sagt Wendt. Beispielhaft führt er dazu das Thema Wasserstoff an. „Die großen Erzeugungsanlagen für grünen Wasserstoff entstehen am besten dort, wo der Wind weht und die Sonne scheint, eingesetzt wird der Wasserstoff dann von Industrieunternehmen überall in Europa, insbesondere natürlich in Deutschland“, sagt er.

Insofern sei die Studie auch als Appell zu sehen, über Landesgrenzen hinweg zu denken und zu handeln. „Gerade in Zeiten der Covid-19-Pandemie ist es nach unserer Überzeugung wichtig, wieder stärker über den eigenen Tellerrand hinauszublicken“, sagt Wendt.

Klimaneutrale Wirtschaft bis 2050

Eine Kernbotschaft sei, dass sich anspruchsvolle Klimaziele nur mit der Entwicklung und dem Einsatz von kohlenstoffarmen Technologien sowie Innovation erreichen ließen. Die Emissionsreduktionen, die durch die Projekte realisierbar wären, reichen nach Berechnungen von Capgemini Invent aus, um bis 2030 eine Senkung der CO2-Emissionen um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu erreichen und bis 2050 eine klimaneutrale Wirtschaft zu schaffen. Sie würden jährlich rund 144 Milliarden Euro an öffentlichen und privaten Investitionen erfordern und haben nach Berechnungen der Autoren der Studie das Potenzial, bis 2030 insgesamt 12,7 Millionen qualifizierte und stabile Arbeitsplätze zu schaffen.

EU-Kommissionpräsidentin von der Leyen hatte sich erst vor wenigen Wochen förmlich auf das 55-Prozent-Reduktionsziel für 2030 festgelegt. Das EU-Parlament hatte vergangene Woche sogar beschlossen, das Ziel auf 60 Prozent zu erhöhen. Bereits Ende dieser Woche will sich der Rat der EU-Regierungschefs mit dem Thema befassen.

Die Fördermittel der EU und der Mitgliedstaaten könnten eingesetzt werden, um den Wandel zu beschleunigen und Europa wettbewerbsfähiger zu machen, so eine der Schlussfolgerungen der Capgemini-Experten.

Mehrere Konjunkturprogramme von EU-Staaten, darunter die Programme Frankreichs und Deutschlands, ließen darauf schließen, dass die Entwicklung neuer, sauberer Technologien vorrangige politische Investitionsprioritäten seien. Dies könne dazu beitragen, zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen und das Wachstum anzukurbeln.

Schub für die Bruttowertschöpfung

So hat etwa die Bundesregierung in ihrem Anfang Juni beschlossenen Konjunkturprogramm Ausgaben von sieben Milliarden Euro für den Einstieg in die Produktion von grünem Wasserstoff in Deutschland vorgesehen. Weitere zwei Milliarden sind für den Aufbau von Wasserstoff-Partnerschaften mit anderen Staaten vorgesehen.

Allein die 55 ausgewählten Technologie-Projekte haben laut Capgemini Invent das Potenzial, bis 2030 eine Bruttowertschöpfung von 790 Milliarden Euro zu generieren, von 2030 bis 2050 sogar rund 12,9 Billionen Euro.

Die Autoren heben die sich verstärkenden positiven Nebeneffekte hervor. Dazu zählen sie eine verbesserte Luftqualität, eine Verringerung der Lärmbelästigung, die Technologieführerschaft Europas und verbesserte Lebensmittelsicherheit.

Für EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kommt die Capgemini-Studie wie gerufen. Sie hatte mit ihrer Ankündigung, Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt machen zu wollen, zwar viel Zustimmung, aber auch Kritik geerntet. Teile der Industrie fürchten, bei der Entwicklung auf der Strecke zu bleiben. Das gilt insbesondere für energieintensive Branchen wie Stahl und Chemie.

Zwar stellen die EU-Kommission und auch die Bundesregierung den Unternehmen Hilfen in Aussicht, um in klimaneutrale Technologien investieren zu können und auch den Betrieb der neuen Anlagen mittels grünem Wasserstoff zu ermöglichen.

In den betroffenen Unternehmen gibt es jedoch Zweifel, ob die Politik ihre Zusage wahr werden lässt. Am Ende, so die Befürchtung, sei man zwar klimaneutral, aber international nicht mehr wettbewerbsfähig.

Die Studie greift die Bedenken auf und rät dazu, mit Instrumenten wie Differenzverträgen und einem CO2-Grenzausgleich gegenzusteuern. Entsprechende Überlegungen gibt es auch in der EU-Kommission und in der Bundesregierung. Allerdings sind sie bislang noch nicht sehr konkret.

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