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Kaum noch Chancen auf Reform der Riester-Rente

Die Reform der Riester-Rente steht auf der Kippe. Kaum jemand rechnet noch mit einem Vorschlag in dieser Legislaturperiode.

Die Einführung der Riester-Rente im Jahr 2002 läutete eine Zeitenwende ein. Foto: dpa
Die Einführung der Riester-Rente im Jahr 2002 läutete eine Zeitenwende ein. Foto: dpa

In einer aktuellen Auflistung des Bundesfinanzministeriums (BMF) über anstehende Gesetzesvorhaben bis zum Sommer taucht sie nicht auf: die Reform der staatlich geförderten Riester-Rente. Damit sinken die Chancen rapide, dass das Thema noch vor der Bundestagswahl am 26. September auf die Tagesordnung kommt, obwohl sich Union und SPD im Koalitionsvertrag darauf verständigt hatten.

Eigentlich hatten alle damit gerechnet, dass das BMF die Reform der privaten Altersvorsorge noch in dieser Legislaturperiode in Angriff nimmt. Das wäre dringend nötig, denn die Zahl der Riester-Verträge stagniert seit Jahren bei 16 Millionen. Die Rendite der Riester-Produkte ist derzeit überschaubar und macht sie nicht unbedingt attraktiv. Ohne Reform besteht die Gefahr, dass die Rentenlücke größer wird.

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Offiziell gibt sich das SPD-geführte Bundesfinanzministerium noch diplomatisch, was mögliche Änderungen angeht. „Zur Zukunft der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen und Vorschläge, die von der Optimierung der bestehenden Förderung bis hin zu grundsätzlich anderen Ansätzen reichen. Die Meinungsbildung hierzu ist noch nicht abgeschlossen“, so ein Sprecher. Im Hintergrund hält man den Zeitplan für einen „normalen Gesetzgebungsprozess“ aber bereits für knapp.

Für Dorothea Mohn, Teamleiterin für Finanzen bei der Verbraucherzentrale Bundesverband, klingt das nach der langen Vorbereitungszeit für das Reformvorhaben vor allem nach Resignation. „Mir fehlt die Fantasie, wie das rein prozessual noch gehen soll. Es gibt ja noch nicht einmal einen Diskussionsentwurf“, gibt Mohn zu bedenken.

Viele Unternehmen und Verbände haben sich angesichts des Zeitdrucks direkt an die Bundesregierung gewandt, um für eine Reform zu werben. „Leider lassen sich bis heute keine konkreten Fortschritte in Richtung des im Koalitionsvertrag vereinbarten standardisierten Riester-Produkts erkennen“, formuliert der Vorstandsvorsitzende der Union Asset Management Holding, Hans-Joachim Reinke, in einem Brief an Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der dem Handelsblatt vorliegt. Gleichzeitig warnt der Chef der Fondsgesellschaft des genossenschaftlichen Bankensektors vor einer Verunsicherung der Sparer.

Riester-Rente sollte nach Einführung Versorgungslücken schließen

Die Einführung der Riester-Rente im Jahr 2002 läutete eine Zeitenwende ein. Mit der Absenkung des Rentenniveaus signalisierte die Regierung, dass Versicherte der gesetzlichen Rentenversicherung sich nicht mehr allein auf die staatliche Versicherung stützen können, um den Lebensstandard im Alter zu halten. Diese entstehende Versorgungslücke sollte der Bürger neben der betrieblichen Altersvorsorge durch eine staatlich geförderte private Altersvorsorge ergänzen, die Riester-Rente.

Fast 20 Jahre später gab es nach Angaben der Anbieter von Riester-Verträgen zum Ende des zweiten Quartals 2020 rund 16,4 Millionen Verträge. Davon soll rund ein Fünftel allerdings nicht mehr aktiv bespart werden. Rund zwei Drittel der gesamten Riester-Verträge entfallen auf Versicherungsverträge.

Union-Investment spricht von einer „stagnierenden Nachfrage“ sowohl bei der klassischen Riester-Rente als auch bei Fondssparplänen oder Wohnriester. Das abnehmende Interesse hänge insgesamt mit der Konstruktion der Riester-Rente zusammen. „Das anhaltende Niedrigzinsumfeld inklusive negativer Zinsen auf Bundesanleihen und der gleichzeitigen Verpflichtung einer 100-prozentigen Garantie schränkt die Renditeaussichten der Bürger stark ein“, heißt es weiter in dem Brief an Scholz.

Gegensteuern könnte man beispielsweise durch eine Reduzierung der Garantiezusagen für Sparbeiträge auf 70 Prozent. Die Fondsgesellschaft der Sparkassen-Finanzgruppe, Deka, unterstützt das Vorhaben. „Nur mit einer Herausnahme der heute gesetzlich verankerten Beitragsgarantie können die Anlagechancen im Sinne der Riester-Sparer auch in der fortdauernden Niedrigzinsphase genutzt werden“, so ein Deka-Sprecher.

Das sieht der Versicherungsverband GDV ähnlich. „Wir brauchen eine einfachere geförderte Altersvorsorge mit flexibleren Garantien, die Sicherheit mit Chancen am Kapitalmarkt kombiniert. Dann hat Riester großes Potenzial“, so GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

Auch der Koalitionspartner drängt das Bundesfinanzministerium. „Wenn wir die Beitragsgarantie nicht lockern, verwehren wir den Anlegern nicht nur Renditechancen. Dann ist die Riester-Rente mit Ausnahme des Wohnriesters wohl gestorben“, befürchtet der CDU-Finanzpolitiker Carsten Brodesser. Neben einer Absenkung der Garantie fordert Brodesser auch eine einfache Beantragung der Zulagen. Innerhalb der Union sei die Meinungsbildung zu diesem Thema abgeschlossen. „Jetzt ist das Bundesfinanzministerium gefordert, einen Vorschlag vorzulegen.“

Verbraucherzentrale kritisiert Pläne

Indes ist es für Verbraucherschützerin Mohn nicht damit getan, allein Garantien abzusenken. „Das wäre doch ein Geschenk für die Versicherer, weil sie dann an ihren Kosten nicht arbeiten müssten“, glaubt Mohn.

Geht es nach dem Verbraucherzentrale Bundesverband, würde die private Altersvorsorge jenseits der Riester-Rente organisiert werden – über einen staatlich organisierten Altersvorsorgefonds, der maßgeblich in Aktien investieren würde. Bei ihrem „Extrarente“ getauften Modell würden Arbeitnehmer automatisch über ihren Arbeitgeber einbezogen werden, hätten aber die Möglichkeit, sich anders zu entscheiden. Garantien sind nicht vorgesehen.

Die mit einem hohen Aktienanteil verbundenen Risiken halten die Verbraucherschützer für beherrschbar, da es sich um langfristige Anlagen handelt.