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Nach Karlsruher Urteil stehen €770 Mrd. Sondervermögen in Frage

(Bloomberg) -- Das Urteil des Bundesverfassungsgericht zur Umwidmung von Corona-Krediten für Klimazwecke könnte im Budget noch lange nachhallen. Rund 770 Milliarden Euro an staatlichen Mitteln, die in Sondervermögen eingebucht sind, könnten davon betroffen sein — ein Fünftel der jährlichen Wirtschaftsleistung.

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Die Karlsruher Richter hatten am gestrigen Mittwoch den Nachtragshaushalt 2021 gekippt, mit dem die Ampelkoalition 60 Milliarden Euro Kreditermächtigungen für die Pandemie-Bewältigung in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verschieben wollte. Nun ist die Bundesregierung dabei, das über 60 Seiten lange Urteil zu analysieren. Es gibt 29 ähnliche Sondervermögen und die Befürchtung ist, dass diese bis Jahresende aufgelöst werden müssen, berichten Insider, die mit der Ersteinschätzung Berlins vertraut sind.

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Der Bundesrechnungshof hat im August festgestellt, dass sich außerhalb des regulären Haushalts 870 Milliarden Euro an Mitteln in diesen Sondervermögen angesammelt haben. Außen vor dürfte allerdings der 100 Milliarden Euro schwere Topf für die Aufrüstung der Bundeswehr sein, da dieser sogar ins Grundgesetz aufgenommen wurde. Hinter dem Rest steht nun aber ein großes Fragezeichen, heißt es bei den Insidern, die nicht namentlich genannt werden wollen.

Bislang gibt es freilich nur eine kursorische Analyse des Urteils. Eine genauere Prüfung könnte die Sicht Berlins auf die Konsequenzen noch ändern, heißt es.

Als das Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts verkündet wurde, saß die Ampelkoalition gerade im Bundeskanzleramt bei ihrer turnusgemäßen Kabinettssitzung zusammen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) trat danach mit seinem grünen Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner (FDP) vor die Presse und kündigte an, das Urteil umzusetzen.

Das Problem ist nur, dass es keinen offensichtlichen Weg zum Schließen der Lücke von 60 Milliarden Euro gibt, und dass Haushaltsfragen ohnehin ein Dauer-Zankapfel der Ampel sind. Lindners FDP sperrt sich gegen Steuererhöhungen, Kürzungen im Sozialbereich kommen für SPD und Grüne nicht in Frage und die nun wieder geltende Schuldenbremse verhindert eine entsprechende Neuverschuldung. Eine Änderung wäre nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag möglich, bräuchte also die Zustimmung der Unionsfraktion, die die Klage in Karlsruhe überhaupt eingebracht hatte.

“Die Herausforderungen sind nun immens”, sagt die Wirtschaftsweise Veronika Grimm. “Der aktuelle Haushalt kann so kaum beschlossen werden.”

Für die Grünen ist das Urteil der größte Schlag. Sie hatten in den Koalitionsverhandlungen auf ausreichende Mittel für die Dekarbonisierung der Wirtschaft gedrängt. Die Übertragung der 60 Milliarden Euro auf den KTF war ein Kompromiss, um das zu erreichen. Das Sondervermögen, das bis 2027 mit 212 Milliarden Euro dotiert ist, untersteht Habecks Wirtschaftsministerium.

“Man könnte versuchen, den Geltungsbereich der Schuldenbremse großzügiger auszulegen”, so Grimm. “Das würde aber nur ein paar Milliarden bringen.”

Das Urteil ist auch eine Klatsche für Scholz, der als Finanzminister der Vorgängerregierung die Mittel umgeschichtet und keine Vorkehrungen für die gerichtliche Aufhebung getroffen hat. Lindner hat bereits in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass die Umwidmung auf seinen Vorgänger zurückgeht.

Alle drei Koalitionspartner haben immer auf den KTF als Beleg dafür verwiesen, dass Deutschland genug in die Energiewende investiert. Der Topf ist nicht nur der Schlüssel zur Dekarbonisierung, sondern enthält auch Mittel für den Ausbau des maroden Schienennetzes und Subventionen für neue Halbleiterfabriken. Die Ampelkoalitionäre demonstrierten nach dem Urteil gestern zwar Einigkeit, doch in der Umsetzung dürften sich die Gräben in der Koalition weiter vertiefen.

“Die gute Nachricht ist: Die Fiskalregeln können nicht beliebig umgangen werden”, sagt Grimm. “Unsere Institutionen, dies durchzusetzen, funktionieren.”

Überschrift des Artikels im Original:German Ruling Puts €770 Billion of Government Funding at Risk

--Mit Hilfe von Karin Matussek und Ben Sills.

©2023 Bloomberg L.P.