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Ein Jahr 32-Stunden-Woche: Drei Dinge hätte dieser Gründer lieber vorher gewusst

Ryzon-CEO Mario Konrad (links) hat unterschätzt, wie viel Arbeit und Umstrukturierung mit der Einführung einer 32-Stunden-Woche einhergeht. - Copyright: Mario Konrad
Ryzon-CEO Mario Konrad (links) hat unterschätzt, wie viel Arbeit und Umstrukturierung mit der Einführung einer 32-Stunden-Woche einhergeht. - Copyright: Mario Konrad

Arbeitstage, die acht, neun oder gar zehn Stunden lang sind – davon hält Mario Konrad nicht viel. Er ist CEO der Kölner Firma und Sportlermarke Ryzon. Für ihn ist das Ergebnis nach einem Arbeitstag wichtiger als die Anzahl an Stunden, die man am Ende eines Tages gearbeitet hat. Auch deshalb, weil er die Meinung vertritt, dass sich die Zeit, in der man konzentriert arbeiten könne, sich auf nur wenige Stunden am Tag reduziere. Darum hat Konrad vor einem Jahr beschlossen, eine 32-Stunden-Woche in seinem Unternehmen einzuführen. Doch damit seien neue Herausforderungen aufgetreten, mit denen der Gründer nicht gerechnet habe, sagt er im Gründerszene-Interview.

Konrad gründete die Sportmarke Ryzon 2016 gemeinsam mit seinem Bruder Markus sowie Fabian Jung. Das Startup stellt Sportkleidung her. Zunächst für Triathleten, nun vor allen Dingen für Radsportler. Wagniskapital hat das Gründertrio bisher nicht aufgenommen. Im vergangenen Jahr hat Ryzon mit dem Verkauf seiner Sportswear eigenen Angaben zufolge einen mittleren einstelligen Millionenumsatz eingefahren. Obendrein beschäftigt das Startup rund 50 Leute.

Der Deutsche Spitzentriathlet Jan Frodeno brachte mit dem Startup eine eigene Kollektion heraus und hält laut Angaben des Handelsregisters Anteile in Höhe von 15 Prozent an der Kölner Firma. Die Zusammenarbeit mit einem der weltweit bekanntesten Triathleten verschafft der Kölner Marke seither viel Aufmerksamkeit.

Weniger arbeiten, aber dafür effizient

Um zu verstehen, weshalb Konrad die 32-Stunden-Woche eingeführt hat, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Denn Konrad und seine zwei Co-Founder sind selbst Triathleten. Für einen Triathlon müssen gleich drei Sportarten gleichzeitig trainiert werden, ein zeitaufwendiges Hobby. Deshalb war Konrads Alltag bereits zu Studienzeiten häufig streng getaktet, wie er heute erzählt. Er habe stets versucht, so wenig Ressourcen wie möglich in sein VWL-Studium stecken zu müssen – und trotzdem gute Ergebnisse zu erzielen. Heißt auch: Die wenigen Stunden, in denen er konzentriert arbeiten konnte, habe er tatsächlich konzentriert gearbeitet – und jegliche Ablenkung vermieden.

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Entsprechend wenig Verständnis habe er für Kommilitonen gehabt, die damals zehn Stunden oder länger in der Bibliothek verbrachten und stolz auf ihr Tagespensum waren. Seiner Meinung nach wird an solch langen Tagen mehr Zeit mit Nebensächlichkeiten vergeudet als wirklich effektiv gelernt.

Konzentriertes Arbeiten nur wenige Stunden am Tag möglich

Mit der Einführung der 32-Stunden-Woche wollte der Gründer seine Strategie aus der Unizeit nun in seinem eigenen Unternehmen fortführen. Die Idee: Von einer 40-Stunden-Woche runter auf 32 Stunden. Die Mitarbeiter des Startups können demnach wählen, wie sie sich die Zeit aufteilen – also beispielsweise vier Tage à acht Stunden oder fünf kürzere Tage.

Das Ziel des Ryzon-Chefs: Weniger, aber dafür effektiver arbeiten, um am Ende mehr Freizeit zu haben. „Dann bleiben Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum motiviert“, ist Konrad überzeugt. Den Vergleich zum Sport kann er sich nicht verkneifen: „Das ist wie im Sport. Muskeln wachsen in den Pausen und nicht durch Überanstrengung.“

Bei der 32-Stunden-Woche handelt es sich für Konrad zudem um einen symbolischen Akt. „Mit der Einführung haben wir überhaupt begonnen, uns zu damit zu beschäftigen, wie wir unsere Ziele schneller erreichen, ohne dafür mehr arbeiten zu müssen.“ Denn für ihn steht fest, dass sich die Zeit, in der man wirklich konzentriert arbeiten kann, auf nur wenige Stunden am Tag reduziert. „Das stelle ich ja auch an mir selbst fest“, so Konrad.

An Zielen, statt Tagespensum messen

Allerdings habe sich die Umsetzung einer 32-Stunden-Woche schwerer dargestellt als gedacht, erzählt Konrad. „Wir haben den Aufwand dahinter unterschätzt.“ Ryzon habe seine Unternehmensziele und Arbeitsläufe zum Teil neu gestalten müssen. Manche Prozesse seien reduziert worden, andere effizienter aufgestellt.

Im Prinzip habe eine Menge umgekrempelt werden müssen und alte Gewohnheiten, ja sogar Denkmuster seien auf den Prüfstand gestellt worden, sagt der Gründer. Denn die Komponente Zeit sollte eine untergeordnete Rolle spielen. Es ging nicht mehr darum, acht Stunden täglich am Laptop zu sitzen. Stattdessen machte Konrad die Vorgabe, dass sich Mitarbeitende eher an ihren Zielen und Ergebnissen messen sollten. Das jedoch gefiel nicht jedem in der Firma. „Einige fühlten sich verunsichert“, so der Gründer. 32 Stunden – wie soll man in dieser Zeit seine Arbeit schaffen? Darf man bei Bedarf auch länger arbeiten?

Einige Mitarbeiter fühlten sich unter Druck gesetzt

Und hier begann für Konrad die Arbeit, die er so vor der Einführung gar nicht auf dem Schirm gehabt habe, wie er selbst zugesteht. Demnach habe die 32-Stunden-Woche unter einigen Mitarbeitenden unerwarteterweise Druck erzeugt.

Um das Personal bei der Umstellung mitzunehmen, habe er fast keine Wahl gehabt, als sich schnellstmöglich mit den Zielen und Jobprofilen eines jeden Mitarbeiters auseinanderzusetzen und diese teilweise neu zu definieren – und zwar so, dass sie in der kurzen Zeit zu schaffen, und – ganz besonders wichtig – greifbar waren. Damit Beschäftigte guten Gewissens früher Feierabend machen konnten. In Ryzons Fall könnte ein greifbares Ziel etwa der Entwurf einer neuen Kollektion sein. Und keine Umsatzzahlen, da diese häufig von anderen Faktoren abhängig sind.

Mit konkreten Maßnahmen habe Konrad gegen die anfängliche Unzufriedenheit der Mitarbeitenden angesteuert. Dabei hat er drei essenzielle Dinge ausgemacht, die ihm bei der Umsetzung einer reduzierten Wochenarbeitszeit geholfen haben:

1. Verantwortlichkeiten präzise und gegebenenfalls neu definieren: Was ist eigentlich der Job?

Was sind eigentlich die konkreten Aufgaben, die das Aufgabenprofil eines Mitarbeiters mitbringt? Diese Frage sei Konrad mit jedem Mitarbeiter zu Beginn der Einführung der 32-Stunden-Woche auf den Grund gegangen. Durch die verringerte Arbeitszeit mussten überflüssige Aufgaben gestrichen werden. Das Aufgabenprofil eines jeden Mitarbeiters hält er seither im Workflow-Tool Asana fest. Ebenso das Ziel, auf das Mitarbeitende der Firma hinarbeiten sollen. Dabei sei es wichtig, dass diese auch möglichst greifbar sind. Ein Ziel kann also beispielsweise lauten, zehn Prozent mehr Laufkundschaft in die stationären Geschäfte hereinzuholen. Wie die Angestellten ihre Ziele dann erreichen, das sei ihnen selbst überlassen.

2. Strategisches Vorhaben klären – und kommunizieren

So freiheitsliebend Konrad auch ist: An manchen Stellen haben Mitarbeitende seiner Firma dann doch Vorgaben benötigt, zumindest was die strategische Ausrichtung angeht. Seit kurzem fährt Ryzon eine neue Strategie und legt einen stärkeren Fokus auf den Radsport statt auf den Laufsport. Das, so Konrads Erfahrung, habe Beschäftigten Orientierung und Klarheit gegeben.

3. Wer entscheidet was?  

Neben der strategischen Klarheit ist es Konrad zufolge wichtig, dass es im Unternehmen schlanke Entscheidungsabläufe gibt und Mitarbeitende wissen, wer in einzelnen Bereichen eigentlich welche Entscheidungen treffen darf. Dabei kann es um Aktionen im Einzelhandel gehen oder um Entwürfe für eine neue Kollektion. Wer am Ende das letzte Wort hat, sei in der Firma nämlich nicht immer klar gewesen und habe schnell auch zu Chaos und unnötigen Verzögerungen geführt. Für mehr Klarheit hält Konrad entsprechende Informationen daher auch in Asana fest.

Am Ende sollen alle in der Firma weniger Zeit am Schreibtisch verbringen – was sie, wenn man Konrad so zuhört, bereits tun. Denn viele Ryzon-Angestellte teilen dieselbe Leidenschaft für den Radsport.

So ist es dem Gründer zufolge nicht unüblich, dass sich Gruppen mittags zusammentun, um eine Runde Rad zu fahren und anschließend gemeinsam zu kochen. „Da dauert eine Mittagspause auch mal zweieinhalb Stunden“, erzählt Konrad. „Das ist nicht schlimm, denn mir ist sowieso noch keine wirklich gute Idee am Schreibtisch gekommen.“