Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    18.772,85
    +86,25 (+0,46%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.085,08
    +30,67 (+0,61%)
     
  • Dow Jones 30

    39.512,84
    +125,08 (+0,32%)
     
  • Gold

    2.366,90
    +26,60 (+1,14%)
     
  • EUR/USD

    1,0772
    -0,0012 (-0,11%)
     
  • Bitcoin EUR

    56.540,42
    -1.823,61 (-3,12%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.261,13
    -96,88 (-7,13%)
     
  • Öl (Brent)

    78,20
    -1,06 (-1,34%)
     
  • MDAX

    26.743,87
    +34,97 (+0,13%)
     
  • TecDAX

    3.404,04
    +19,74 (+0,58%)
     
  • SDAX

    14.837,44
    +55,61 (+0,38%)
     
  • Nikkei 225

    38.229,11
    +155,13 (+0,41%)
     
  • FTSE 100

    8.433,76
    +52,41 (+0,63%)
     
  • CAC 40

    8.219,14
    +31,49 (+0,38%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.340,87
    -5,40 (-0,03%)
     

Investoren erklären: So gründet ihr jetzt erfolgreich ein Energie-Startup

„Es gibt immer noch nicht besonders viele Fonds, die sich auf den Bereich der Erneuerbaren spezialisieren“, sagt Investorin Lucille Bonnet - Copyright: Francesco Carta fotografo/ Getty
„Es gibt immer noch nicht besonders viele Fonds, die sich auf den Bereich der Erneuerbaren spezialisieren“, sagt Investorin Lucille Bonnet - Copyright: Francesco Carta fotografo/ Getty

Blackrock-Chef Larry Fink schrieb Anfang des Jahres in einem Rundschreiben an die Mitarbeiter des weltweit größten Vermögensverwaltungsunternehmens, dass die nächsten Unicorns seiner Meinung nach „weder Suchmaschinen noch Social-Media-Unternehmen“ sein werden, sondern „anpassungsfähige Innovatoren“, die günstige Alternativen zu fossilen Brennstoffen entwickeln. Und das war noch bevor der Krieg in der Ukraine und die resultierende Energiekrise in ganz Europa den Druck auf das Thema massiv erhöhten. Im April 2022 forderte der Bundesfinanzminister Christian Lindner einen „forcierten Ausbau von erneuerbaren Energien“. Im Zuge dessen nannte er die erneuerbaren Energien „Freiheitsenergien, weil sie uns unabhängig machen.“

Was bedeutet das nun für Startups und junge Unternehmen, die genaue das machen: "Freiheitsenergien", oder die, besser gesagt, erneuerbare Energie voran und uns schneller weg von fossilen Energiequellen bringen? Wie geht es ihnen jetzt, wo ihr Thema voll im Spotlight steht? Ist das ihre große Chance? Oder ist der Druck zu groß? Wir haben uns umgehört, um die Marktlage besser verstehen zu können.

Dazu sprachen wir mit Lucille Bonnet, Managing Partner des Klima Energy Transition Fonds, einem neu aufgelegten, europäischen Spätphasen-VC-Fonds mit 210 Millionen Euro für Startups aus dem Bereich Energiewende. Die Mehrheit der Gelder für diesen Fonds stammt von verschiedenen institutionellen Investoren. Das Investment-Team des Fonds ist Teil der Alantra Asset Management Gruppe, die sich zusammen mit Enagas, dem Betreiber des spanischen Gasnetzes, mit 50 Millionen Euro ebenfalls signifikant an dem Fonds beteiligt hat. 30 Millionen Euro stammen vom Europäischen Investitionsfonds, der Teil der Europäischen Investitionsbank (EIB) ist. Und wir haben mit Matthias Engel gesprochen, der heute mit Vireo Ventures in Energiestartups investiert, nachdem er davor Managing Director bei Innogy Ventures gewesen war, einem von RWE gegründeten und an EON verkauften Venturearm der Energieversorger.

Energiestartups: Große Chance oder unter Druck?

Laut einer Studie der Beratungsgesellschaft PWC sind – um einen Blick auf das ganz große Bild zu werfen – letztes Jahr 87,5 Milliarden US-Dollar weltweit in Climate-Tech-Startups investiert worden. Das war ein Anstieg der Investitionen in diesem Bereich um 210 Prozent. Das Engagement im Sektor Erneuerbare Energie als einem Teilbereich von Climate-Tech fielen allerdings vergleichsweise niedrig aus, heißt es in der Studie, „weil es in den Bereichen Solar- und Windenergie bereits eine gewisse Sättigung im Venture-Capital-Bereich gibt“. Global gesehen.

WERBUNG

Schaut man sich den europäischen Markt an, ist da durchaus noch reichlich Raum für Investitionen: „Es gibt immer noch nicht besonders viele Fonds, die unabhängig sind und gezielt in Unternehmen investieren, die in der Wachstumsphase sind und einen aktiven Beitrag zur Energiewende leisten“, sagt Lucille Bonnet. Ein sei ein bisschen wie in dem Hollywoodstreifen „Don’t Look Up“ mit Leonardo Di Caprio, sagt die Managing Partnerin des VC-Fonds Klima. Was vor zehn Jahren für Investoren noch eine „cherry on the cake“ war, wie sie es sagt, wenngleich die Bedrohungen durch den Klimawandel damals bereits bekannt waren, ist jetzt zu einer kurzfristigen Dringlichkeit geworden. „Die Energiewende bietet eine große Chance und viele Gründerinnen und Gründer erkennen das auch als solche“, sagt die Investorin. Der Druck, der durch kurzfristig massiv angestiegen Nachfrage entstehe, sei ein guter Druck.

„Es gibt viele Investoren, die mit dem Thema Klima und Nachhaltigkeit starten, aber wenige mit einem starken Fokus auf den Energiesektor“, sagt Matthias Engel. Warum? „Zum einen braucht man die richtige Expertise als Investor und zu anderen, Venture Capitalists lieben nun mal asset-light Geschäftsmodelle, die skalieren“, erklärt er. „Die suchen Hypergrowth-Potenzial und Startups, die schnell zum Unicorn werden.“ Das sei im Energiesektor beides nur sehr schwer zu schaffen. „Was nicht heißt, dass man hier nicht Geld verdienen und erfolgreich sein kann. Und sicher werden wir auch hier bald mehr Unicorns sehen – nur dauert es halt nicht drei Jahre, sondern sieben oder zehn.

Welche Startups sind für Investoren attraktiv?

Für ihre Investmentstrategie haben die Investoren von Klima zwei Thesen aufgestellt: Erstens, in der Zukunft wird die Elektrifizierung fortschreiten. Bestes Beispiel: Elektromobilität. Fossile Brennstoffe – Benzin und Diesel – werden durch Strom ersetzt. In der Folge steigt der Bedarf an Strom und braucht es Technologie, die sicherstellt, dass der Anteil der Erneuerbaren im Mix besonders hoch sein kann. Interessant seien für den Fonds deshalb Unternehmen, die Speichermedien herstellen. Oder solche, die im Strommarkt angesiedelt sind und den Handel dort im Sinne der Energiewende optimieren. Dort nämlich wird die aus unterschiedlichen Quellen und in unterschiedlichen Kraftwerken erzeugte Energie von Erzeugern an Unternehmen verkauft, die sie entweder selbst verbrauchen oder an ihre Kunden weiterleiten. Die Preise variieren stark, abhängig davon, wie verfügbar Wind- oder Sonnenenergie gerade sind. Hier kann Technologie ansetzen und die Handelspartner reaktiver und schneller machen.

Darüber hinaus interessieren Bonnet Startups im Bereich Smart Grids und Digital Energy, also intelligente Stromnetze und Digitalisierung der Energiewertschöpfungskette. „Das sind Startups, die Lösungen für Fragen haben wie: ‚Wie betreibe ich ein Stromnetz mit hohen Volatilitäten und Flexibilitätsbedarf?‘ ‚Welche Softwarelösungen können dabei helfen, mehr Erneuerbare ins Netz zu integrieren?‘“ Im Grunde schauten sie und ihre Kollegen sich auch „alle Technologien und Geschäftsmodelle an, die die Erneuerbaren effizienter und besser nutzbar machen“. Das könne Software sein, Sensoren oder Automatisierungslösungen.

These Zwei des Fonds Klima bezieht sich weniger auf Ökostrom. Man gehe davon aus, erklärt Bonnet, dass 25 Prozent des weltweiten Energieverbrauches in Form von Elektrizität passieren. Die übrigen 75 Prozent aber werden etwa im Bereich Wärmeerzeugung und Schwertransport benötigt. Wo das nicht mehr per Strom, sondern bislang nur mit Gas und Öl möglich ist, suchen Startups Lösungen, die dabei zumindest weniger CO₂ freisetzen oder Grüne Gas-Alternativen, beispielsweise grüner Wasserstoff, voranbringen.

Ansatzpunkte für Startups

Im Grunde könnte man Startups im Energiesektor danach sortieren, sagt Matthias Engel, an welcher Stelle in der Wertschöpfungskette deren Produkte oder Services angesiedelt sind: Da, wo die Energie produziert wird? Oder da, wo der Strom verbraucht wird.

An beiden Enden kann optimiert werden. Und auch dazwischen: „Die Netze müssen digitalisiert werden“, sagt Engel und spricht damit ebenfalls das Thema der Smart Grids an. „Wir managen unsere Netze teilweise noch wie vor 100 Jahren.“ Oben werde quasi wie mit der Gießkanne Strom in das Netz gekippt, von den Kraftwerken, der sich dann über die bestehenden Leitungen an tausende Abnehmer verteilt. Mit PV-Anlagen auf den Dächern von Privathaushalten gäbe es mittlerweile aber immer mehr, die auch unten etwas in dieses Netz einspeisen wollen. Und auf der anderen Seite gibt es neue, große Abnehmer, wie etwa Ladesäulen für E-Autos für den privaten Gebrauch oder gewerbliche Autoflotten -  ganz zu schweigen von Wärmepumpen.  „Die Betreiber von lokalen Netzen haben nicht genug Transparenz und Informationen, um die sich ergebenen Schwankungen zu managen – und diese werden in der Zukunft enorm zunehmen“, betont Engel. Intelligente Stromnetze können Erzeugung, Speicherung und Verbrauch optimal aufeinander abstimmen und Leistungsschwankungen ausgleichen – in der Theorie. „Die Technologie dazu ist vorhanden“, sagt Engel, nur müsse dazu seitens der Betreiber endlich investiert werden.

Um hier mit konkreten Lösungen ansetzen zu können, bedarf es in Deutschland aber zunächst das flächendeckende Ausrollen der Smart Meter, intelligenter Stromzähler, die Daten digital empfangen und senden können. Nicht ohne ein bisschen Frust erzählt Engel, dass er bei Innogy bereits 2010 das erste Smartmeter-Projekt auf dem Tisch hatte. Und auch Bonnet schnaubt beim Thema Smart Meter kurz und berichtet, dass Deutschland in diesem Bereich das absolute Schlusslicht in Europa sei. Frankreich, Spanien, Skandinavien – überall seien die Smart Meter bereits angekommen. In Deutschland hindere der Datenschutz diese Innovation noch. Beide Investoren meinen aber, dass sich hier bald etwas tun werde.

Solar ist das Topthema - auch bei den Startups

Wenn es darum geht, wo grüner Strom herkommt, liegen auf der Hand liegen: Sonne, Wind und Wasser. Solar sei nach Ansicht von Bonnet das Topthema. Und innerhalb davon der Bereich dezentrale Solarenergiegewinnung. Die Photovoltaikanlage auf dem Dach des Einfamilienhauses, zum Beispiel. Aber eben nicht nur da. Sondern auch bei kommerziellen Kunden. Eines der ersten Investments von Klima war Sunroof, ein schwedisches Startup, das Solardächer baut. „Dieser Markt wächst sehr stark.“

Engel bestätigt das. Tatsächlich sähe man genau hier sehr erfolgreiche Startups, wie Enpal oder Zolar, die m Zuge der Energiekriese noch mal einen enormen Zulauf an Kunden bekommen haben „Aber diese Geschäftsmodelle haben ihre Herausforderungen: Sie brauchen eine immense Workforce, die Anlagen auf die Dächer zu bringen.“ Handelte es sich um Mietmodelle, ziehe diese Schwierigkeit sich weiter, denn dann brauche man auch Handwerksbetriebe für die Wartung und Instandhaltung der Anlagen. Und auch Lieferketten-Schwierigkeiten machen sich hier mal mehr und mal weniger stark bemerkbar. Der Großteil der in Deutschland verbauten Solarpanele kommen auch China und Taiwan. Und bisweilen kommt es hier zu sehr, sehr langen Lieferzeiten, wie unter anderem das Fachmagazin Erneuerbare Energie unter Berufung auf Modul-Händler berichtet.

Überschneidung mit Prop-Tech

Schaut man an das Ende der Leitung, dahin also, wo der Strom verbraucht wird, sieht Engel große Potenziale für Startups, die helfen, den Energieverbrauch zu optimieren – egal ob im Eigenheim, Mehrfamilienhäusern oder bei industriellen Prozessen. „Demandside Management“, nennt er das und meint damit Technologien, die am Beispiel Eigenheim etwa dafür sorgen, dass die Solaranlage auf dem Dach den Speicher im Keller füllt, wenn gerade die Sonne scheint, aber niemand zu Hause ist bzw. direkt in die Wallbox für das E-Auto speist, wenn das gerade geladen werden soll.

„Auch im Zuge der aktuellen Energiekrise hat auch die Immobilienwirtschaft erkannt, welche Potenziale sich ergeben, wenn die Liegenschaften energetisch optimiert werden", so Engel weiter. Entsprechend ergäben sich für junge Unternehmen mit der passenden Technologie große Chancen. Bei gewerblichen Gebäuden oder Mehrfamilienhäusern ist das allerdings um einiges komplexer – und ein großes Thema für die Wohnungswirtschaft, sagt er. Gefragt seien Startups, die zur Digitalisierung der Sub-Metering-Abrechnung beitragen können – die also Transparenz auf Verbrauchsebene schaffen, damit einzelne Parteien sehen, was sie verbrauchen

Auswahlkriterien für Investoren

Wenn Matthias Engel ein Pitchdeck auf den Tisch bekommt, zählen für ihn neben dem Produkt oder Service, den ein Energie-Startup anbieten möchte, folgende Punkte: Er investiere nicht in Solo-Entrepreneurs, sagt er, sondern nur in Teams und Unternehmen, die bereits gewisse Strukturen haben und eine klare Vorstellung ihres Geschäftsmodells. Weiterhin gilt: „Das Modell muss skalierbar sein. Ich frage, wer die Kunden sind und wer bereit ist für das Produkt oder den Service zu zahlen. Es gibt immer wieder Startups die glauben: Mein Kunde ist später dann ein großer Energieversorger wie RWE oder Eon oder Vattenfall – und damit tue ich mich schwer. Denn: It’s not gonna happen. Bis sich da jemand entscheidet und langfristig bindet, dauert es ewig.“ Vor Hardware schreckt er nicht zurück solange sie ein Enabler für das Geschäftsmodell sei. „Die nächste Mikro-Windturbine oder das nächste Wellenkraftwerk ist allerdings nicht durch Venture Capital finanzierbar, das müssen andere Player wie eine Siemens Energy weiter vorantreiben.“

Nach vielen Jahren in der Branche ist Engel dennoch immer wieder begeistert, was Gründerinnen und Gründer im Bereich Erneuerbare Energie leisten. Dieser Tage um so mehr: Denn ihre Zeit ist zwar längst gekommen, aber jetzt wissen das auch endlich alle.