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Infineon wagt sich nun zurück nach Europa – und geht damit ein gewaltiges Wagnis ein

Der Chipkonzern beginnt mit dem Bau eines gewaltigen 1,6-Milliarden-Euro-Werks in Villach. Vorstandschef Ploss sieht darin kaum ein Risiko – weil die Konkurrenz nicht investiert.

Von Brüssel nach Villach ist es eine Tagesreise. EU-Digitalkommissarin Mariya Gabriel hat sich an diesem Samstag dennoch auf den Weg in die österreichische Provinz gemacht. Aus gutem Grund: Der Halbleiterhersteller Infineon lud zum Spatenstich für sein neues Werk. Mehr als 1,6 Milliarden Euro will der Dax-Konzern in den kommenden Jahren in Kärnten investieren– so viel Geld ist seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr in eine Chipfabrik in Europa geflossen.

„Die Mikroelektronik ist eine Basistechnologie für unsere Zukunft in Europa“, unterstrich die Bulgarin. Was sie nicht sagte: Diese Zukunft fand die vergangenen Jahre vor allem in Asien statt. Auch die europäischen Halbleiterhersteller wie Infineon investierten lieber in Fernost. Dort lockten üppige Subventionen und stark wachsende Märkte.

Infineon wagt sich nun zurück nach Europa – und geht damit ein gewaltiges Wagnis ein. Einerseits wetten die Münchener darauf, dass der Umsatz in den nächsten Jahren kräftig steigt. Nur dann können sie die teuren Maschinen an dem vergleichsweise teuren Standort auslasten. Andererseits müssen sie in Villach ohne staatliche Zuschüsse auskommen. Daher ist es zwingend geboten, den technischen Vorsprung zu halten, um die Chips überhaupt profitabel verkaufen zu können.

Vorstandschef Reinhard Ploss schreckt das nicht ab: „Die Wettbewerber zögern zu investieren. Das eröffnet uns neue Chancen“, sagte der Manager am Rande der Veranstaltung dem Handelsblatt. Er ergänzte: „Das Risiko ist moderat.“

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In zwei Jahren soll die Produktion beginnen, allerdings nicht mit voller Kapazität. Die wird erst nach und nach aufgebaut. Wenn alles läuft wie geplant, sind Infineon zufolge eines Tages 1,8 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr mit dieser sogenannten Fab möglich.

Gleichzeitig erweitert Infineon seine bestehenden Produktionsstätten in Dresden und in Kulim in Malaysia. Die werden, so die momentane Prognose, Ende 2020 komplett ausgelastet sein. Dann soll Villach an den Start gehen. Derzeit kann Deutschlands größter Halbleiterhersteller gar nicht so viel liefern, wie die Kunden gerne hätten. Zum Teil müssen die Käufer monatelang auf die Lieferung warten.

Ploss hat den Anlegern viel versprochen. Für das am 30. September beendete Geschäftsjahr hat der Konzernherr ein Umsatzplus von gut sieben Prozent angekündigt. An diesem Montag wird der 62-Jährige die neuesten Ergebnisse vorlegen.

Im gerade begonnenen neuen Geschäftsjahr will er das hohe Tempo noch steigern, auf zehn Prozent. Langfristig wolle Infineon im Schnitt neun Prozent Plus erreichen, so der Ingenieur. Gleichzeitig hat Ploss dieses Frühjahr das Ziel für die operative Rendite hochgesetzt und angekündigt, künftig mehr als die derzeit angestrebten 17 Prozent zu erwirtschaften.

Obwohl sich an diesen selbst gesetzten Zielen nichts geändert hat, ist Infineon an der Börse in den vergangenen Wochen schwer unter Druck geraten – wie viele Wettbewerber auch. Der Kurs ist seit Jahresbeginn um ein Fünftel eingebrochen.

Investoren fürchten, dass es in der gesamten Branche in den kommenden Monaten bergab geht. Das sei nicht unbegründet, urteilte vergangene Woche Goldman-Sachs-Analyst Alexander Duval. Industriekunden und vor allem die Autobranche könnten erst einmal weniger bestellen.

Da kommt eine Milliardeninvestition nicht unbedingt gut an. Infineon sei jedoch nach wie vor gut positioniert in wachstumsstarken Geschäftsfeldern, so der Banker von Goldman Sachs.

Das angestrebte, starke Wachstum hat freilich seinen Preis. So hat Ploss dieses Frühjahr ebenfalls angekündigt, künftig Jahr für Jahr sieben Prozent vom Umsatz für neue Fabrikhallen – unter anderem in Villach – und zusätzliche Maschinen auszugeben; bislang waren es lediglich fünf Prozent. Zwischen 2019 und 2023 sollen darüber hinaus noch 700 Millionen in Werke und Büros fließen.

Außergewöhnliches Investment

Ein Investment wie das von Infineon in Europa ist in der Chipbranche außergewöhnlich. Außer den Bayern investiert momentan lediglich Bosch in größerem Stil in Dresden. Aus Fabriken in der EU stammen mittlerweile nur noch neun Prozent aller Chips weltweit.

Das vergleichsweise kleine Taiwan hingegen stellt ein Fünftel aller Halbleiter her, Südkorea steht immerhin für 15 Prozent, und selbst der Stadtstaat Singapur kommt auf sieben Prozent. Damit nicht genug: Europa spielt auch technisch größtenteils in der zweiten Liga. Die fortschrittlichsten Werke finden sich dem Branchenverband ZVEI zufolge in Taiwan und Südkorea.

Das kann sich Europa im Grunde nicht leisten: Die Chipindustrie ist so wichtig wie nie zuvor. Kein Flugzeug hebt ohne die kleinen elektronischen Bauelemente ab, kein Auto fährt, keine Kaffeemaschine funktioniert. Dennoch ist Europa im Bereich der Chiptechnologie bestenfalls ein Nebendarsteller auf dem Markt – in Teilen selbst verursacht.

So investierten die europäischen Hersteller in den vergangenen Jahren massiv in Asien. Produzierte Europas Chipindustrie 2012 noch 70 Prozent ihrer Bauelemente in der EU, waren es im vergangenen Jahr laut ZVEI nur noch 54 Prozent.

„Asien hat bei den Standortkosten zahlreiche Vorteile. Das fängt bei der Baulanderschließung an und hört bei Steuervorteilen auf“, begründet etwa Holger Rubel, Partner der Boston Consulting Group, die Lage.

Auch Dax-Konzern Infineon baute seine neuesten Fabriken zuletzt in Malaysia – einem Land, das die Ansiedlung mit Millionen fördert. Der US-amerikanische Halbleiterhersteller Globalfoundries investierte noch zur Jahrtausendwende Milliarden in Dresden – die modernste Fabrik errichtete das Unternehmen dann aber in den USA. Dort gibt es höhere Subventionen.

Zudem verkaufen die Hersteller immer mehr ihrer Chips in Asien. Inzwischen erzielen die Unternehmen dort 60 Prozent ihres Umsatzes. Allein in China sind das mehr als 30 Prozent aller Erlöse. Das Land ist der mit Abstand größte einzelne Absatzmarkt.

So ist es verständlich, dass die Produzenten versuchen, nahe an die asiatische Kundschaft heranzukommen. Schließlich hat sich der Anteil von China am Branchenumsatz seit Beginn des Jahrtausends verdreifacht, der europäische Anteil dagegen halbiert.

Die Politiker scheinen inzwischen erkannt zu haben, dass sie sich um Firmen wie Infineon in Europa kümmern müssen. „Wir werden alles tun, um sie zu unterstützen, wenn das nötig ist“, kündigte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz am Samstag in Villach an. Denn durch den Neubau werde Österreich und ganz Europa als Hightech-Standort gestärkt.

In China hätte Infineon von der öffentlichen Hand Hunderte Millionen Euro für solch eine Fabrik bekommen, heißt es in der Chipbranche. Doch Insidern zufolge fürchteten die Deutschen in der Volksrepublik um ihr Know-how. Dabei ist China längst der größte Absatzmarkt, jeden vierten Euro verdient die ehemalige Siemens-Tochter in dem riesigen Land.

Demgegenüber sei in Villach sämtliches Wissen bereits vorhanden, um die Fabrik schnell zum Laufen zu bringen, sagte Ploss. Infineon sei bereits seit einem halben Jahrhundert in der Stadt und könne künftig Größenvorteile an dem bereits bestehenden Standort nutzen.

In Villach beschäftigt der Konzern mehr als 3000 Mitarbeiter. Das sei letztlich wichtiger gewesen bei der Standortauswahl als Steuererleichterungen oder Geldgeschenke. Auch der enge Austausch mit der Zentrale in München sowie dem wichtigen Werk in Dresden habe für Villach gesprochen.

Sollte die Branche allerdings in eine Krise stürzen, werde Infineon schnell reagieren und weniger Geld als geplant für neue Maschinen ausgeben, betonte Ploss: „Wir bremsen, wenn sich die Randbedingungen ändern.“ Wenn hingegen alles läuft wie geplant, wird das neue Werk 2025 voll ausgelastet sein.

Attraktiv für neue Mitarbeiter scheint die Chipindustrie in Europa allemal zu sein. 750 neue Arbeitsplätze hat Infineon in Villach für die nächsten Jahre in Aussicht gestellt. 17.000 Bewerbungen sind bei Österreich-Chefin Sabine Herlitschka bereits eingegangen, seit Infineon im Mai das Vorhaben erstmals vorstellte.