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Familie Hastor scheitert mit Versuch der Machtübernahme

Der bosnischen Investorenfamilie Hastor ist die Machtübernahme beim Autozulieferer Grammer nicht gelungen. Die Hauptversammlung lehnte die beantragte Absetzung des Vorstands und die Neubesetzung des Aufsichtsrats ab.

Dass der Name Hastor in Amberg nicht beliebt ist, war schon vor diesem Mittwoch klar. Wie groß der Ärger der Grammer-Mitarbeiter auf die bosnische Unternehmerfamilie tatsächlich ist, ist am Morgen vor dem Kongresszentrum deutlich geworden. 2500 Menschen trommelte die IG Metall zusammen, um lauthals gegen die Einflussnahme des Großaktionärs auf Grammer zu protestieren. „All diese Arbeitsplätze sind gefährdet, wenn die Hastors bei Grammer das Sagen bekommen“, wetterte Bayerns IG-Metallchef Jürgen Wechsler. Insgesamt gehe es weltweit um 15.000 Jobs, wenn sich der ungeliebte Investor durchsetze.

In dem beschaulichen Kongresszentrum stieg dann die Spannung, als Aufsichtsratschef Klaus Probst die Versammlung um Punkt 10 Uhr eröffnete. Nijaz Hastor und seine Söhne waren nicht anwesend, dafür aber Anwälte und die beiden Investorengruppen Cascade und Halog. Cascade wollte drei Aufsichtsratsmitglieder ersetzen und Vorstandschef Müller ablösen. Eine Kampfansage an das Management.

Die Machtübernahme der umstrittenen Investorenfamilie Hastor beim bayerischen Autozulieferer scheiterte aber. Die Hauptversammlung lehnte die beantragte Absetzung des gesamten Vorstands und die Neubesetzung des Aufsichtsrats ab. Hastor-Anwalt Franz Enderle kündigte aber bereits Widerspruch gegen sämtliche Beschlüsse an.

Der Entscheidung war eine achtstündige, teilweise turbulente Debatte vorausgegangen. Enderle wurde mehrfach mit Buhrufen und Pfiffen unterbrochen. Die Abstimmung fiel dann deutlich aus. Die Hastors sind mit gut 23 Prozent der Anteile größter Grammer-Aktionär. Auf der Hauptversammlung waren allerdings 67,3 Prozent der Aktien vertreten – ungewöhnlich viele für Grammer.

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Andreas Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) sagte, der Ausgang sei vielleicht „nur ein Pyrrhussieg, eine kleine Atempause“. Jahrelange Auseinandersetzungen und Prozesse drohten Grammer im eigentlichen Geschäft zu lähmen. „Wenn wir derart verhärtete Fronten haben, dass fast putschartige Zustände herrschen, liegt das in der Regel nicht nur an einer Seite.“ Ein Aktionär meinte, Grammer habe nun einen unzufriedenen, mit dem Vorstand zerstrittenen Großaktionär an Bord.

Enderle warf Grammer-Vorstandschef Hartmut Müller Untreue und den Verrat von Geschäftsgeheimnissen vor. Dieser und Aufsichtsratschef Klaus Probst hätten zusammen mit dem größten Grammer-Kunden VW einen Plan zur Abwehr der Hastors geschmiedet und den Auftragseinbruch seit der Bekanntgabe der Hastor-Pläne veröffentlicht.

Laut Müller waren seit Januar 60 Prozent weniger Bestellungen eingegangen. Enderle sagte, darüber hinaus habe Müller gelogen mit dem Vorwurf, die Hastors hätten das Gespräch mit dem Vorstand verweigert. Das Vertrauen sei nun zerstört. An die Stelle der drei abzuwählenden Aufsichtsräte wollte Enderle daher Manager von Hastors Prevent-Gruppe wählen lassen.

Die Familie werde investiert bleiben und ihr Aktienpaket nicht nennenswert aufstocken, sagte Enderle. Schon mit 25,1 Prozent hätten die Hastors ein Vetorecht und könnten alle wichtigen Entscheidungen blockieren. Ob der von Grammer kurz vor der Hauptversammlung als Aktionär und „weißer Ritter“ an Bord geholte chinesische Autozulieferer Jifeng überhaupt mitstimmen durfte, werde womöglich in fünf Jahren der Bundesgerichtshof klären.


„Hastor gefährdet die Zukunft von Grammer“

Müller hatte gewarnt, die Hastors gefährdeten die Zukunft von Grammer. Günther Hausmann von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) warf der Familie einen „nicht nachvollziehbaren Anschlag auf das Unternehmen“ vor. Mit ihnen müsse man Angst um den Bestand, die Arbeitsplätze und den Wert der Aktien haben. Unter Vorstandschef Müller habe sich Grammer hervorragend entwickelt, seine Expansionsstrategie im Ausland sei richtig, die jüngsten Geschäftszahlen seien hervorragend.

Bei einer Kundgebung von 2500 Beschäftigten der nahen Grammer- und Siemens-Werke sagte der bayerische IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler, in Deutschland seien 3000, weltweit sogar 15 000 Arbeitsplätze „gefährdet, wenn die Hastors bei Grammer das Sagen kriegen. Deshalb kämpfen wir so vehement gegen diesen Investor.“ Der Autoexperte der Gewerkschaft, Frank Iwer, meinte: Wer „versucht, höhere Margen mit Gewalt durchzusetzen, setzt bewusst die Existenz von Betrieben, Beschäftigten mit ihren Familien, ja von ganzen Regionen aufs Spiel“.

Risse hatte die Beziehung zwischen Zulieferern und Automobilherstellern im Sommer 2016 bekommen, als die Prevent-Gruppe im Streit mit Volkswagen die Lieferung von Getriebegehäusen und Sitzbezügen einstellte – und die Produktion bei den Wolfsburgern teilweise lahmlegte. Das neue Ziel von Hastor, zu der Prevent gehört, ist der bayerische Zulieferer Grammer. Das Vorhaben regt Widerstand in der Branche, denn: Alle großen Autobauer – darunter VW, BMW und Daimler – beziehen ihre Kopfstützen von Grammer. Das Unternehmen hat Angst, durch die Kontrollübernahme von Hastor diese wichtigen Kunden zu verlieren.

Aufsichtsratschef Klaus Probst schmetterte einen Antrag von Rechtsanwalt Franz Enderle ab, der Probst als Versammlungsleiter abwählen will. Dann schwörte Vorstandschef Hartmut Müller die Aktionäre auf die „wohl wichtigste Hauptversammlung unseres Unternehmens“ ein. Müller verteidigte seinen Kurs, der dem Hersteller von Kopfstützen, Armlehnen und LKW-Fahrersitzen im vergangenen Jahr einen Umsatzzuwachs von fast 20 Prozent beschert hatte und mit 1,30 Euro Dividende pro Aktie soviel ausgeschüttet hatte wie nie zuvor.

Müller, dem von Cascade Missmanagement vorgeworfen wird, warnte vor der Kontrollübernahme durch die bosnische Familie. „Hastor gefährdet die Zukunft von Grammer“, zitierte Müller Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, die sich klar auf seine Seite schlägt.

Rechtsanwalt Enderle ist ein konfliktgeschulter Advokat, der sich im Aktienrecht hervorragend auskennt. Immer wieder trat er ans Rednerpult, formulierte Fragen und Gegenanträge und führte das Grammer-Management mit endlosen Redebeiträgen vor. Warum der Aufsichtsrat dem Vorstand ein Abfindungsangebot in Aussicht stelle, wenn Hastor mehr als 25 Prozent kontrolliere? Warum das Management per Pflichtwandelanleihe den chinesischen Investor Ningbo Jifeng als „weißen Ritter“ an Bord holte? Und stecke hinter allen Abwehrmaßnahmen nicht der Großkunde Volkswagen, der den Zugriff der Hastors auf Grammer verhindern wolle? „Sie werden nicht umhin kommen, jeden Preis von Volkswagen in Zukunft zu akzeptieren“, sagte Enderle an die Adresse Müllers.

Bald wurde klar: Außer den Vertretern von Cascade und Halog verteidigte niemand die Hastor-Positionen in Amberg. „Kein vernünftig denkender Aktionär kann den Anträgen zustimmen“, rief Günter Hausmann von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapiergesetz. „Lehnen Sie die Anträge ab. Lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen“, hatte Hausmann mit Blick auf die Attacken Enderles gegen den Vorstand gefordert.

Hans Hermann Mindermann von der Vereinigung der institutionellen Privatanleger fragte nach dem wirklichen Ziel des Hastor-Vorstoßes. „Ist es die volle Kasse von Grammer?“ Und: „Diese kalte Kontrollübernahme passt nicht in den Kapitalmarkt, warum sehen wir kein Übernahmeangebot?“

Mit Material von dpa.

KONTEXT

Das Hastor-Firmenimperium

Von Jugoslawien nach Wolfsburg

Prevent hat seine Wurzeln 1952 in einer Sattlerei in Sloveni Grad im ehemaligen Jugoslawien, wie die Unternehmensberatung Oaklins mitteilte. 1976 wurde VW dort Kunde für Sitzbezüge. 1992 zog Prevent nach Wolfsburg um. Inzwischen gehören etwa drei Dutzend Firmen mit annähernd 12.000 Mitarbeitern rund um den Globus zum Firmengeflecht des Ingenieurs Nijaz Hastor und seiner Söhne Kenan und Damir.

Car Trim und ES Automobilguss

Oaklins war bei der Übernahme der beiden sächsischen Autozulieferer Car Trim und ES Automobilguss im Jahr 2015 beteiligt. Die Unternehmen bauen in Deutschland, Tschechien und Bosnien Getriebeteile, Sitze und Innenausstattung für VW, Audi, Porsche und andere Hersteller. 2016 machten die Unternehmen mit einer spektakulären Auseinandersetzung mit Volkswagen Schlagzeilen.

Keiper, TWB, Grammer

Ebenfalls 2015 kaufte Prevent auch das Südamerika-Geschäft des Sitzherstellers Keiper. Zu Prevent gehört auch das TWB Presswerk in Hagen mit etwa 500 Stellen. Der bayerische Autozulieferer Grammer, bei dem die Familie jetzt mit 20 Prozent größter Aktionär ist und die Kontrolle übernehmen will, wäre mit 12.000 Mitarbeitern und rund 1,6 Milliarden Euro Umsatz der weitaus dickste Brocken im Firmengeflecht.

Wössner, Gepade, Alno

Den Möbellieferanten Wössner in Sulz am Neckar kaufte Prevent 2016 - inzwischen wurde die Produktion nach Bosnien verlagert. Der westfälische Möbelhersteller Gepade hatte kurz nach der Übernahme durch Prevent Insolvenz angemeldet. Inzwischen ist Prevent auch größter Aktionär beim kriselnden schwäbischen Küchenhersteller Alno.

Unsichtbarer Investor

Öffentlich tritt Hastor selten auf. Selbst die Hastor-Stiftung für Nachwuchstalente in Sarajevo zeigt den Stifter nicht.

Quelle: dpa