Werbung
Deutsche Märkte schließen in 8 Stunden 5 Minuten
  • DAX

    18.756,06
    +69,46 (+0,37%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.074,91
    +20,50 (+0,41%)
     
  • Dow Jones 30

    39.387,76
    +331,36 (+0,85%)
     
  • Gold

    2.376,20
    +35,90 (+1,53%)
     
  • EUR/USD

    1,0779
    -0,0005 (-0,04%)
     
  • Bitcoin EUR

    58.760,73
    +1.665,77 (+2,92%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.355,19
    -2,82 (-0,21%)
     
  • Öl (Brent)

    79,86
    +0,60 (+0,76%)
     
  • MDAX

    26.834,00
    +125,10 (+0,47%)
     
  • TecDAX

    3.394,69
    +10,39 (+0,31%)
     
  • SDAX

    14.840,44
    +58,61 (+0,40%)
     
  • Nikkei 225

    38.229,11
    +155,13 (+0,41%)
     
  • FTSE 100

    8.417,70
    +36,35 (+0,43%)
     
  • CAC 40

    8.222,35
    +34,70 (+0,42%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.346,26
    +43,46 (+0,27%)
     

Hapag-Lloyd ist profitabelster Container-Carrier der Welt – per radikal verordneter Strategie

Deutschlands größte Reederei steht in der Coronakrise deutlich besser da als die Wettbewerber. Denn ein drastischer, vor drei Jahren verordneter Schritt erweist sich als Glückgriff.

Das Schiff Frankfurt Express der Reederei Hapag-Lloyd liegen am Terminal Burchardkai (CTB) in Hamburg. Foto: dpa
Das Schiff Frankfurt Express der Reederei Hapag-Lloyd liegen am Terminal Burchardkai (CTB) in Hamburg. Foto: dpa

Es war eine Kulturrevolution, die Konzernchef Rolf Habben Jansen Ende 2017 in der ehrwürdigen Zentrale von Hapag-Lloyd an Hamburgs Binnenalster ausrief. Nicht mehr der Verbrauch von Schmieröl und Schiffsdiesel sollte fortan vorrangig Deutschlands größte Seereederei beschäftigen, sondern die möglichst effiziente Nutzung von Bits und Bytes.

Eine „Digital Business and Transformation Unit“ müsse her, entschied der Niederländer. Die Firmenorganisation, legte er wenige Wochen später nach, müsse „agiler, dynamischer und analytischer“ werden – und zwar durch hohe Investitionen in die Digitalisierung.

WERBUNG

Zweieinhalb Jahren später, mitten in der Coronakrise, erweist sich Habben Jansens radikal verordnete Strategie als Glücksgriff. Im zurückliegenden Geschäftsquartal – also zwischen April und Juni – verdiente kein Carrier in der Top 10 der öffentlich gelisteten Container-Reedereien so gut wie Hapag-Lloyd - und das lag zu einem großen Teil an der Digitalisierung des Geschäfts.

146 Dollar Betriebsgewinn je Standardcontainer (TEU) errechnete die Marktforschung Sea-Intelligence für die Hamburger. Das ist deutlich mehr als bei den zweit- und drittplatzierten Wettbewerbern Maersk aus Dänemark und HMM aus Südkorea, die auf jeweils 129 Dollar kamen. Das Schlusslicht markierte die taiwanische Reederei Yang Ming mit gerade einmal 19 Dollar.

Zum einen sind es die Betriebskosten, die Hapag-Lloyd per Digitalisierung senkt. Buchungsprozeduren werden automatisiert, umständliche Rückfragen entfallen. Mehr noch aber lässt die Digitalisierung den Umsatz und die damit verbundenen Zusatzerträge nach oben klettern.

Denn durch die computergestützte Datenauswertung zurückliegender Verkaufsaktionen lernen die Hamburger Seefrachtexperten regelmäßig hinzu, auf welchem Weg sich Neukunden finden und Altkunden erfolgreich binden lassen.

Turnaround dank Digitalisierung

Der Turnaround des nach Frachtraum fünfgrößten Container-Carriers der Welt ist beachtlich. Gegenüber dem zweiten Quartal 2018 hat sich der Betriebsgewinn (Ebit) nahezu verzehnfacht. Statt 80 Millionen Dollar Nettoverlust wie damals schrieben die Hanseaten zwischen April und Juni 2020 einen Gewinn von 287 Millionen Dollar. Der Container-Umschlag der Hamburger Großreederei habe „positiv überrascht“, bemerkte Berenberg-Analyst William Fitzalan Howard vergangene Woche in einer Studie.

Für die Digitalisierung seiner Reederei hatte sich der Hapag-CEO Ende 2017 kurioserweise einen promovierten Mediziner an Bord geholt. Ralf Belusa, geboren im fernen München, Start-up-Gründer und im Nebenjob Aufsichtsrat beim Pharmagroßhändler Phoenix, versieht seither an Hamburgs Binnenalster den Job als Chief Digital Officer.

Und das mit vorzeigbaren Resultaten. „Etwa jeder zehnte Container“, sagte der 45-jährige Belusa jetzt dem Handelsblatt, „wurde zuletzt innerhalb weniger Minuten über das Internet verkauft“. In der Summe entspricht dies nicht weniger als 1,2 Millionen Stahlboxen im zurückliegenden Jahr.

Vor zwei Jahren sah das noch ganz anders aus. Wer damals in Hamburg seine Ladung aufgeben wollte, hatte den zuständigen Customer Relationship Manager zu kontaktieren – und zwar per Telefon. Der entwarf eine Kalkulation, die er anschließend vom Vorgesetzten genehmigen ließ. „Ein bis zwei Tage später erfuhr der Kunde den Preis“, erzählt Belusa.

Als erste Amtshandlung beschloss der neue Chief Digital Officer deshalb, ein Online-Buchungstool zu entwerfen. Wenig später ging „Quick Quotes“, so der Projektname, in Lateinamerika testweise in den Einsatz. Neue Optionen kamen hinzu, etwa Preisangebote für Kühlcontainer oder Transporte zu unterschiedlichen Zeiten.

Anschließend rollte die Reederei das Online-Angebot weltweit aus. Statt der ursprünglich drei Mitarbeiter im Pilotversuch sind für „Quick Quotes“ heute rund 100 Spezialisten im Einsatz. „Wer jetzt einen Container von Singapur nach Rotterdam benötigt“, sagt Belusa, „erhält innerhalb von wenigen Sekunden online den Preis.“

Das Ziel ist damit noch längst nicht erreicht. Bis 2023, fordert Habben Jansen in seiner Mittelfriststrategie, soll die online vermittelte Fracht auf einen Anteil von 15 Prozent wachsen.

Hapag-Lloyd will von Tür zu Tür liefern

Sind es bislang vor allem kleinere Verlader, die mit 20 bis 100 Containern jährlich beispielsweise Gartenmöbel aus Vietnam importieren, will man darüber hinaus auch Großkunden ansprechen. Die binden sich zwar üblicherweise durch Rahmenverträge an die Reederei, doch auch ihnen biete „Quick Quotes“ Vorteile, heißt es bei Hapag-Lloyd – etwa bei Spotbuchungen.

Einen weiteren Schritt hat die Reederei bereits geplant. Künftig sollen die Angebote nicht nur Transporte von Hafenkante zu Hafenkante umfassen, lässt Digitalchef Belusa durchblicken, sondern auch von Tür zu Tür.

„Größe ist nicht länger Trumpf, sondern strikte Kundenorientierung“, gibt Habben Jansen seit zwei Jahren den neuen Kurs vor. Eine Wende um 180 Grad. Bis 2017 hatte der ehemalige Maersk-Manager alles daran gesetzt, die teilweise der Hansestadt Hamburg gehörende Reederei zu vergrößern. Ende 2014 schloss man sich mit dem chilenischen Carrier CSAV zusammen, 2017 übernahm Hapag-Lloyd durch Aktientausch die arabische Container-Reederei UASC.

Nicht nur die Zahl der Schiffe stieg damit scheinbar unaufhaltsam auf 239, auch der Schuldenstand erreichte zeitweise bedenkliche Höhen. Nicht nur deshalb soll es in absehbarer Zeit keine Übernahmen mehr geben. „Die Vorteile weiterer Zukäufe sinken mit zunehmender Größe der Unternehmen“, stellte der CEO Ende 2018 vor Investoren klar.

Die Vorteile der Digitalisierung dagegen sieht er lange noch nicht ausgeschöpft. Auch bei der Akquisition von Neukunden, so hat man in der Reederei entschieden, soll sie die Schlagkraft erhöhen – und zwar, indem die IT-Entwicklung eng mit Marketing und Verkauf verzahnt wird.

„Keine Abteilung darf abgestoßen werden“

„Build-Measure-Learn“, nennt Digitalchef Belusa seine Strategie. Die Ansprache ausländischer Kunden etwa in Indien oder Chile, der Einsatz von E-Mails oder die Wirkung von Online- Werbung müsse nach jeder Verkaufsaktion überprüft – und anhand der gewonnenen Daten für spätere Kampagnen „nachgeschärft“ werden.

Eine viel beachtete Gemeinschaftsaktion von IT, Marketing und Sales gab es erstmals zum vergangenen Jahreswechsel. Pünktlich zur Kirschenernte in Chile startete Hapag-Lloyd seinen „Cherry Express“, der zwischen Mitte November und Anfang Januar von Valparaiso aus die Häfen Hongkong, Schanghai und Busan in Südkorea anlief.

Nicht nur 13.400 zusätzliche Kühlcontainer hatte sich die Hamburger Reederei zuvor besorgt, auch einen 24/7-Servicedienst stellte man Kunden in Aussicht. Per E-Mail und über Online-Advertising warb Hapag-Lloyd zudem ab Oktober für diese Sonderaktion.

Belusa setzt auf ein verbindliches Zeitgerüst, das „90 Days Planning“, damit alle Abteilungen bei solchen Aktionen im Gleichklang arbeiten. „Keine Abteilung darf abgestoßen werden“, bemüht der studierte Humanbiologie eine Analogie aus der Medizin. „Sie macht sonst etwas ganz anderes.“