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„Ich habe Soros erlebt, als er 100 Millionen verlor“

Düsseldorf sei doch immer wieder schön, sagt Sandra Navidi beim Besuch in der Handelsblatt-Redaktion. Die Finanzexpertin ist auf Heimatbesuch in Mönchengladbach. Seit 16 Jahren lebt sie in New York, arbeitet an der Wall Street und kennt die Großen und Mächtigen der Finanzwelt. Navidi bezeichnet sie als „Super-Hubs“ – als die Knotenpunkte im Netz der weltweiten Finanzelite. In ihrem Buch gleichen Titels beschreibt die Juristin, wer sie sind, was sie auszeichnet und welche Macht sie haben.

Frau Navidi, in Ihrem Buch „Super-Hubs“ geben Sie einen Einblick in die verschlossenen Zirkel der Männerelite aus der Finanzszene. Wie haben die Herren darauf reagiert?
Ich habe das Buch Blackstone-Chef Steve Schwarzman und Investor George Soros geschickt. Gerade bei Schwarzman hatte ich ein bisschen Angst, denn das Buch enthält ein paar Stellen, die für ihn nicht besonders schmeichelhaft sind. Aber er hat es innerhalb von zwei Tagen gelesen und hat mir geschrieben, dass er das Buch super findet. Und dann hat er es direkt und ohne mich zu fragen an den Dean der Harvard Business School, Nitin Nohria, weitergeschickt. Auch Larry Summers werde ich das Buch noch geben, eigentlich fast allen Super-Hubs, die darin vorkommen. Hachette – der Verlag, der die weltweiten englischen Rechte erworben hat – hat das Buch auf UK- und US-Recht prüfen lassen. Ein paar Stellen musste ich glätten, aber ansonsten gab es keine größeren Klippen.

Überrascht Sie das?
Ich habe das Gefühl, dass die Protagonisten meine Beschreibung okay finden. Schwarzman hat sie als „grandiose Porträts“ bezeichnet. Er fand die Darstellung der zum Teil etwas speziellen Persönlichkeiten amüsant – er kennt sie ja alle noch viel besser als ich. Die meisten Leute fühlen sich geschmeichelt, wenn man über sie schreibt und die „Super-Hubs“ wissen, dass ein Portrait auch negative Seiten enthalten muss, wenn es glaubhaft sein soll. Außerdem sind sie Kritik gewohnt und die Missstände sind Fakt, die können auch sie nicht verleugnen. Sensible Dinge etwa über Familien, besonders Kinder, oder Sensationsklatsch habe ich nicht erwähnt.

Was ist überhaupt ein „Super-Hub“?
Ein „Super-Hub“ ist der bestvernetzte Mittelpunkt eines Netzwerks. Netzwerke haben immer die gleiche Konstruktion, egal ob es um unsere Umwelt, unser Gehirn oder eben die Finanzwelt geht. Ein Netzwerk besteht aus einzelnen Knotenpunkten, und diejenigen von ihnen, die die meisten Verbindungen haben, rücken immer mehr in die Mitte. Grundsätzlich verbinden sich Knotenpunkte in allen Systemen am liebsten mit anderen Knotenpunkten, die schon viele Verbindungen haben. Viele Verbindungen bedeuten eine höhere Überlebenschance. Deshalb bekommen die, die schon viele haben, überproportional noch mehr dazu, eine Dynamik, die auch das „Die-Reichen-werden-noch-reicher“ Phänomen genannt wird. Aber nochmal, das ist in jedem System so, zum Beispiel auch in der Biologie, der Name passt halt nur gerade in der Finanzwelt wie die Faust aufs Auge. Den Begriff „Super-Hubs“ habe ich mir nicht ausgedacht, der stammt aus der Netzwerkwissenschaft. Übertragen auf die Finanzwelt sind das die Finanzpolitiker, Banker, Finanziers – die Schäubles, Weidmanns, Achleitners, Ackermänner. Sie sind mit allem und jedem weltweit verbunden und haben besten Zugang zu Informationen und Geschäftsmöglichkeiten. Durch ihre beruflichen und privaten Verstrickungen potenzieren sie ihre Macht noch und können das System so in ihrem Sinne beeinflussen.

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Planen die Super-Hubs, so mächtig zu werden?
Da steckt kein finsterer Masterplan dahinter, sondern das sind Gesetzmäßigkeiten, die man so überall in jeder Kleinstadt, an jeder Schule jedem Verein oder anderem System beobachten kann. Daraus folgt dann aber auch, dass man dem entsprechende Regulationsmechanismen entgegensetzen muss, wie zum Beispiel mehr personelle Diversifizierung, die Einführung von Ethikkodizes, Transparenz und „öffentliche Ächtung“ von Fehlverhalten, gerechtere Entlohnungsstrukturen, die Trockenlegung von Steueroasen … die Liste ist lang.


Unsere Welt ist aus den Fugen geraten

Wenn es keinen Masterplan gibt, wie genau funktioniert dann das System „Super-Hub“?
Vielleicht sollte ich vorwegschicken, dass ich zur Erklärung die Netzwerkwissenschaft herangezogen habe. Ich projiziere sie sozusagen auf die Finanzwelt als komplexes System, um eine strukturiertere und fundiertere Erklärung zu geben. Die Netzwerkwissenschaft besagt, dass alle Systeme über kurz oder lang immer verlinkter und homogener werden. Dadurch werden sie immer einseitiger und geraten irgendwann in Schieflage. Dann greifen normalerweise „Schaltkreisunterbrecher“, die das System wieder ausbalancieren.

Was bedeutet das übertragen auf die Finanzwelt?
Im Finanzsystem haben die Finanztitanen den meisten Einfluss, weil sie am stärksten verlinkt sind und deswegen im Zentrum stehen. Wenn sie alle gemäß ihren ähnlich gelagerten Eigeninteressen handeln, dann entsteht ebenfalls eine Dynamik, die zu immer mehr Homogenität und Fragilität des Systems führt. Und mit ihrem Einfluss schalten sie dann noch Korrekturmechanismen wie zum Beispiel stärkere Regulierung und Aufsicht aus, was mit einer der Gründe ist, warum unsere Welt aus den Fugen geraten ist.

Sie gehen intensiv der Frage nach, ob das System oder Individuen das Problem sind. Zu welchem Schluss sind Sie gekommen?
Viele Experten wie beispielsweise Adair Turner, der ehemalige Chef der amerikanischen Finanzaufsicht FSA, oder Mervyn King, der ehemalige Gouverneur der Bank of England, sehen das Problem im System. Selbst wenn man alle verantwortlichen Banker nach der Finanzkrise in den Knast gesteckt hätte, dann hätte sich nichts grundlegend geändert sagen sie. Ich sehe da die Super-Hubs schon etwas mehr in der Pflicht. Nach meiner Ansicht bestimmt die Wechselwirkung zwischen dem System und den einzelnen Akteuren das Geschehen. Denn wie in jedem Netzwerk haben die Super-Hubs zwar den größten Einfluss, aber sie haben keine Kontrolle über das komplexe System an sich.

Das müssen Sie erklären?
Denken sie an eine Ameisenkolonie, da gibt es keine Oberameisen, die das Zusammenleben bestimmen. Das ergibt sich aus der Gesamtheit unzähliger Handlungen der einzelnen Ameisen. Weil die „Super-Hubs“ den meisten Einfluss haben, tragen sie auch die größte Verantwortung dafür, das System zu verbessern. Allerdings sind wir alle Teil des Systems und müssen deshalb unseren Beitrag leisten.

Sie haben Wirtschaftsgrößen wie Roubini, George Soros, JP-Morgan-Chef Jamie Dimon und Blackrock-CEO Larry Fink persönlich kennengelernt oder doch zumindest erlebt. Wer hat Sie besonders beeindruckt?
Ich werde oft gefragt, wer mein Vorbild ist. Die „Super-Hubs“ haben natürlich alle charakterlichen Facetten, die man bewundern kann. Allerdings sind sie, wie die meisten anderen Menschen auch, sehr fehlbar. Deshalb würde ich nicht sagen, dass ich eine einzelne dieser Personen uneingeschränkt bewundere, dafür kenne ich ihre Schwächen vermutlich zu gut. Grundsätzlich haben sie alle eine ziemlich große, intellektuelle Neugier und Disziplin. Larry Fink beispielsweise hat diese Risikosysteme genial entwickelt. Ob die in einer neuen Krise, in der wie 2008 so gut wie alle Anlageklassen abstürzen, halten werden, wird sich zeigen. Auch ein George Soros beeindruckt.


Der Fleiß, die Disziplin, das Streben nach einem höheren Sinn – das finde ich inspirierend

Warum?
Er ist komplett self-made, hat immer wieder auch tiefe Krisen durchlebt und ist ein Meister-Netzwerker. Am spannendsten ist vielleicht die Tatsache, dass er sich für so viele verschiedene Themen interessiert, originäre Ideen entwickelt und dann auch immer neue Initiativen ins Leben ruft. Mit seinem Open Society Institut, das in über 100 Ländern aktiv ist, hat er das Leben von Millionen Menschen verbessert. Sympathisch ist auch, dass ihn materielle Dinge eher weniger interessieren und er einen Großteil seines Vermögens für wohltätige Zwecke spendet. Aber im Unterschied zu Warren Buffett, spendet er nicht nur Geld, sondern setzt sich auch persönlich aktiv für diese Zwecke ein. Außerdem arbeitet und reist er auch im fortgeschrittenen Alter praktisch pausenlos. Der Fleiß, die Disziplin, das Streben nach einem höheren Sinn – das finde ich inspirierend. Die meisten seiner 14 Bücher hat er in den letzten Jahren geschrieben. Mit dem Bleistift. Aber eine so komplexe Persönlichkeit hat extremere Ausprägungen als der Durchschnitt und damit natürlich auch Schattenseiten.

Männer wie Blackrock-Chef Fink haben eine enorme Macht, sie verwalten Billionen. Kann das nicht auch gefährlich werden? Stichwort Finanzkrise.
Natürlich ist das gefährlich. Ich bin keine Befürworterin solcher Marktmacht. Aber genau das ist eben die „Super-Hub“-Theorie. Wer schon viel hat, zieht noch mehr an. Und das hat direkt mit der Verlinkung zu tun. Fink ist global bestens vernetzt mit Regierungen, Finanztitanen und Industriechefs. Pensionsfonds und andere Investoren stehen Schlange, um bei ihm zu investieren. Blackrock verwaltet 4,6 Billionen Dollar. Allein das Volumen gibt Blackrock enorme Einblicke in die Märkte und damit Vorteile, die andere nicht haben. Das ist wie ein Wirbel, zieht immer weitere Kreise.

Das müssen Sie erklären.
Beispiele gibt es auch in anderen Branchen, nehmen Sie die Tech-Industrie. Microsoft hat beispielsweise LinkedIn gekauft, vorher haben sie Skype gekauft. Das ist enorme Machtanhäufung. Wahrer Gigantismus. Und diesen Quasi-Monopolismus sehen wir in der Finanzindustrie mit den Banken. Trotz besseren Wissens sind die Big Banks nach der Finanzkrise jetzt noch größer als vorher. Der ehemalige Generalstaatsanwalt Eric Holder hat sogar gesagt, sie seien „too-big-to-Jail“ – also systemisch zu wichtig, als dass man sie strafrechtlich verfolgen könnte – und sie können darauf wetten, dass auch bei der nächsten Krise wieder der Steuerzahler dran glauben darf. Aber allein wegen der „too-complex-to-manage“-Problematik und der engen weltweiten, branchenübergreifenden Verflechtungen ist es wichtig, dass man die „too-big-to-fail“-Institutionen verkleinert. Das haben die Super-Hubs bisher erfolgreich zu verhindern gewusst. Trotz aller Bestrebungen seitens der Politik.

Das Thema ist aber noch nicht ausdiskutiert, oder?
US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat der Wall Street den Krieg erklärt. Auch Clinton-Unterstützer Bernie Sanders hat ganz klar gesagt, man sollte die Banken auseinanderbrechen. Und selbst Minneapolis Fed-Gouverneur Neel Kashkari – ursprünglich Goldman Sachs, und danach unter Finanzminister Hank Paulson für das Rettungspaket TARP zuständig – spricht sich dafür aus. Auch er findet das Risiko, das von einzelnen Instituten für das System ausgeht, zu groß.

Doch gegen die „Super-Hubs“ kommt bisher scheinbar keiner an. Worin besteht ihr Erfolgsgeheimnis? Sind sie besonders kaltblütig oder machtbesessen?
Man muss schon eine gewisse Härte haben und mitunter sogar etwas skrupellos sein, um so erfolgreich zu sein. Aber davon abgesehen sind noch ein paar andere Eigenschaften unabdingbar. Was viele vielleicht nicht vermuten würden ist, dass sie über hohe emotionale Intelligenz verfügen. Sie können besonders gut auf Menschen zugehen und sich auf sie einstellen, sie begeistern und überzeugen. Und wenn man einmal Super-Hub ist, dann kommen einem die Power-Gesetze der Netzwerktheorie zugute, nämlich dass alle andocken wollen. Beispiel: Wir feiern eine Party. Hineinspaziert kommen George Soros und ein gänzlich unbekannter Mensch. Dann würden alle Gäste auf Soros zuströmen. Das ist Netzwerk-Dynamik in action.

Warren Buffett hat ähnliche Anziehungskraft, wie man auf seinem Anlegertreffen immer wieder sieht…
Er ist auch top vernetzt. Die Familie ist übrigens ganz bescheiden. Ich habe seinen Enkel über das Weltwirtschaftsforum in Davos kennengelernt und ihn zu einem Family-Office-Treffen im April eingeladen. Leider konnte er nicht kommen, weil im April Erntezeit ist und er helfen muss.. Das ist ein Beispiel dafür, dass es vielen der „Super-Hubs“ – und ich spreche jetzt nicht von Donald Trump, der aber auch nicht ernst genommen wird – gar nicht so sehr auf das Geld ankommt.

Weil sie sich darüber keine Gedanken mehr machen müssen?
Für die „Super-Hubs“ – und damit meine ich jetzt nicht die Menschen, die mit ein paar Dutzend Millionen im Mittelfeld der Ultra-Reichen rangieren, sondern wirklich die, die ganz oben an der Weltspitze stehen – ist Geld eher eine Messeinheit und ein Statusmarker. Weil aber öffentlich bekannt ist, wie reich sie sind, müssen sie es nicht mehr demonstrieren. Da ist dann eher wieder Understatement cool. Gerade für Männer ist aber diese „Mein-Vermögen-ist-größer-als-Deines“-Messlatte schon identitätsstiftend und auch das Gefühl, auf höchstem Niveau gegen andere zu siegen, der Allerschlauste zu sein.

Also spielt Geld doch eine Rolle…
Ich habe Soros erlebt, als er gerade 100 Millionen Dollar verloren hatte. Da war er nicht so gut drauf. Ich sagte zu ihm, dass mache bei seinem Vermögen doch gar nichts, das würde er auch schnell zurückgewinnen. Aber der Verlust hat ihn schon geärgert. Da ging es aber eher ums Prinzip, seinen Reichtum schmälert das kaum. „Super-Hubs“ sind meiner Meinung nach eher weniger materiell motiviert.


Die Wahrscheinlichkeit einer neuen, noch größeren Krise ist groß


Waren sie es auch nicht am Anfang ihrer Karriere?
Am Anfang der Karriere waren sie es bestimmt, später nicht mehr. Wenn man in der Finanzindustrie arbeitet, ist ja das schon begrifflich zwingend, dass das Ziel das Geldverdienen ist. Aber der Zeitgeist hat sich verändert. Es gibt zwar die Auswüchse der hedonistischen Reality-TV-Konsum-Kultur, aber in etwas ernsthafteren Branchen wird die degoutante Zurschaustellung von Reichtum doch eher als eine Provokation gesehen. Wie ich in meinem Buch schreibe, befürchten einige der Super-Hubs, dass bald die „Mistgabeln kommen“, also soziale Unruhen. Das wollen sie nicht noch hinaufbeschwören.

Geld bedeutet aber Macht, und die meisten „Super-Hubs“ sind extrem reich. Kann unser Finanzsystem, unser Leben ins Wanken gebracht werden, wenn die „Super-Hubs“ ihre Muskeln spielen lassen?
Ja, wenn die Super-Hubs im Einklang miteinander das System zu sehr in ihrem Sinne beeinflussen, dann entstehen Verzerrungen und Ungleichgewichte, die uns alle betreffen. Als George Soros 1992 gegen das Britische Pfund spekuliert hat und Großbritannien als Folge das EWS verlassen musste, hatte das für die Engländer ganz konkrete Auswirkungen. Die Manipulation des Referenzzinssatzes Libor hat Auswirkungen auf Spareinlagen und Kredite. Paul Singer hat mit seinem Hedgefonds Elliott Associates Argentinien in die Knie gezwungen. Nach der Finanzkrise ist die lockere Geldpolitik insbesondere den „Super-Hubs“ zugute gekommen, auf Kosten der anderen 99 Prozent. Die Schere läuft also in jeder Beziehung ungebremst weiter auseinander, bis das System irgendwann einmal kippt.

Ist das dann doch so wie es vielfach dargestellt wird, nämlich dass die Finanzelite auf Kosten der Allgemeinheit gemeinsame Sache macht?
Nein, so kann man das auch nicht sagen. Von außen wirken sie zwar wie eine homogene Gruppe, und von den Grundparametern her sind sie das auch, aber natürlich haben sie auch gegenläufige Interessen. Als ich George Soros zu einem „Idea Dinner“ eingeladen habe, sagte er mir nur ganz trocken, das Letzte, was er wolle, wäre eine tolle Investmentidee mit anderen zu teilen. Die „Super-Hubs“ sind eben oft auch Konkurrenten. Auch unter Fondsmanagern und Vermögensverwaltern wie Fink oder Schwarzman geht es doch immer noch darum, wer die besten Ergebnisse erzielt. Wer verwaltet mehr Geld, hat die besseren Ergebnisse, mehr politischen Einfluss, wer dreht das größere Rad? Und der Faktor Mensch spielt natürlich auch immer noch eine Rolle. Es kann längst nicht jeder mit jedem.

Ist dieser Wettbewerb eine Art Sicherheitsnetz, eine Versicherung?
Ja und nein. Bis zu einem gewissen Grad kann er der Risikodiversifizierung dienen, aber der Konkurrenzdruck führt letztendlich auch zu immer risikoreicheren Geschäften und zu immer größeren Druck, noch das Letzte herauszuholen. Wohin diese Auswüchse führen, haben wir ja in der Finanzkrise gesehen und die Wahrscheinlichkeit einer neuen, noch größeren Krise ist groß.

Wir reden die ganze Zeit von Männern, weil es in diesem elitären Machtzirkel kaum Frauen gibt. Glauben Sie, dass es bald mehr werden?
Ich bin nicht besonders zuversichtlich. Es gibt jetzt noch weniger Frauen in Führungspositionen als vor der Finanzkrise und im Fondsverwaltungs- und Venture-Capital-Bereich ist der Trend ebenfalls rückläufig. Wenn überhaupt, wird sich das graduell ganz langsam über einen längeren Zeitraum ändern.


Die Suche nach einer Frau ist oft eine Alibiveranstaltung

An der Wall Street sind Sie eine Frau unter vielen Männern. Wie schlägt man sich im Männer-Business als Frau?
Es ist nicht immer leicht. Auf den unteren Hierarchie-Ebenen gibt es zwar relativ viele Frauen. Aber je höher die Ebene, desto geringer ist der Frauenanteil. Manche entscheiden sich natürlich ganz bewusst für die Familie. Aber diejenigen, die Karriere machen wollen, müssen sich durchbeißen. Da werden ganz schön die Ellenbogen ausgefahren und viele Frauen wollen sich so ein latent aggressives Arbeitsumfeld auf Dauer nicht antun.

Was konnten Sie von Männern lernen? Sie kennen schließlich die ganzen Superstars der Finanzbranche.

Ihr unerschütterliches Selbstvertrauen, ihr Netzwerken und ihr unbeirrtes Übernehmen der Führung. Viele Verhaltensweisen kann man als Frau allerdings nicht übernehmen. Bei Männern gilt Ehrgeiz als positiv, bei Frauen wird er als eher unsympathisch wahrgenommen. Genauso ist es bei Durchsetzungskraft und Redseligkeit. Für den Aufstieg ist es wahrscheinlich immer noch das beste Rezept, sich an seine Umgebung anzupassen. Und weil die Finanzwelt sehr homogen männlich geprägt ist, ist das für Männer leichter

Männer, Macht, Moneten? Wie funktioniert dieses Anpassen in einer solchen Welt? Einen Anzug anzuziehen und sich als Mann zu verkleiden, reicht sicher nicht. Und die Ellenbogen wollen Sie nicht ausfahren.
Meistens ist es eine Gratwanderung. Natürlich gibt es erfolgreiche attraktive Frauen in der Finanzwelt, aber zu viel Weiblichkeit ist eher hinderlich. Auf dem Weg nach oben gilt: Alles was heraussticht ist potenziell problematisch, übrigens auch für Männer. Also, konservativer Stil, gedeckte Farben, nicht zu viel Make-up, Schmuck. Außerdem soll das Äußerliche ja auch nicht von der Arbeit ablenken und man muss auch die DNA des Unternehmens widerspiegeln. Da gibt es natürlich Unterschiede, zum Beispiel ob es sich um eine Investmentbank oder eine Venture-Capital-Firma handelt, wo man mit Anzug eher unangenehm auffällt.

Aber man kann doch mit dem weiblichen Charme spielen…
Das ist sehr gefährlich.

Also doch das Verhalten der Männer kopieren?
Das machen einige, und es kann funktionieren. Frauen haben oft den Drang, sich besonders unter Beweis zu stellen, um dem Verdacht entgegenzuwirken, dass sie den Job oder die Beförderung nur bekommen haben, weil sie Frau sind. Das hat die Forschung klar gezeigt, und das habe ich auch bei mir beobachtet. Deshalb sind Frauen oft sehr viel sachlicher, viel hölzerner und bewahren mehr Distanz als Männer. Die Männer stehen nach Feierabend noch im Türrahmen und unterhalten oder verabreden sich. Das kann eine Frau nicht uneingeschränkt, insbesondere bei größeren Alters- und Hierarchieunterschieden. Allein die Gefahr, dass gewisse Verhaltensweisen als verfänglich ausgelegt werden könnten, reicht aus, sie zu unterlassen.

Was würde anders laufen, wenn Frauen die Macht hätten?
Viele Studien etwa von McKinsey oder dem IWF zeigen, dass die Ergebnisse von Frauen in der Investmentbranche konsistent und solide sind. Oft schneiden sie sogar besser ab als die Männer. Erstaunlicherweise bekommen sie aber trotz dieser besseren Performance sogar im unkonventionelleren Venture-Capital-Bereich immer noch deutlich weniger Geld. Den Vertrauensvorschuss, den Männer oft bekommen, sieht man übrigens auch in anderen Bereichen. Umfragen haben gezeigt, dass die Mehrheit der Bevölkerung zum Beispiel männliche Piloten oder auch ganz grundsätzlich männliche Chefs bevorzugt.

Voran liegt das?
Zum Teil ist es evolutions- und zum anderen sozialisierungsbedingt. Wir Frauen können auch nicht so bestimmt auftreten, das wird uns negativ ausgelegt. Wir müssen, genau wie beim Aussehen, viel bedachter vorgehen. Wir dürfen nicht zu weiblich sein, nicht zu weich, sonst gelten wir als schwach. Aber wenn wir zu bestimmt auftreten, dann werden wir als aggressiv und zickig wahrgenommen.

Vorurteile, gegen die Frauen kämpfen müssen?
Ja, leider. Und nicht die einzigen. Es heißt immer, es gibt so wenige Frauen in Führungspositionen, weil Frauen nicht genügend qualifiziert seien. Übrigens hört man das auch von Headhuntern. Aber das ist Blödsinn. Ein Headhunter hat mir mal gesteckt, dass die Suche nach einer Frau oft eine Alibiveranstaltung ist. Man tut seine Pflicht und sucht und sucht und am Ende kann man „leider“ keine geeignete Frau finden... Und dann geht die Stelle „mangels Alternativen“ an einen Mann, den man im Zweifel von Anfang an schon ins Auge gefasst hatte.

Sind Sie für eine Quote?
Ja. Ich war ursprünglich dagegen, aber ohne Quote kommen wir offensichtlich nicht weiter. Besonders in Branchen, die Männerdomänen sind, können die Frauen den Schulterschluss der Männer schwer durchbrechen.

Würden wir in einer besseren Welt leben, wenn es mehr Frauen in Führungspositionen gäbe?
Ja, Diversität macht Systeme anpassungsfähiger, widerstandsfähiger und damit stabiler. Frauen bringen andere Erfahrungen, Perspektiven, eine langfristigere Ausrichtung und moderatere Risikobereitschaft mit, alles Eigenschaften und Verhaltensweisen, die sinnvolle Ergänzungen darstellen. Es leuchtet ein, dass man nachhaltigere Ergebnisse erzielt, wenn man das beste von 100 Prozent des vorhandenen Humankapitals nutzt.

Frau Navidi, danke für das Gespräch.

KONTEXT

12 Karriere-Mythen

Mit 50 ist man zu alt für die Karriere

Nein! In der Realität gibt es diese Altersschranke oft gar nicht, glaubt Headhunter Marcus Schmidt: "Manche Mandanten suchen sogar explizit Führungskräfte ab 50, weil sie viel Wert auf Erfahrung legen und nicht wollen, dass der Neue gleich wieder weiterzieht." Zudem gilt in Deutschland seit 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das eine Diskriminierung aus Altersgründen verbietet.

Seine Erfahrungen hat Schmidt in dem Buch "Die 40 größten Karrieremythen" niedergeschrieben. Handelsblatt Online hat die spannendsten Zitate ausgewählt.

Ohne Doktortitel geht es nicht

"Die Frage, ob man promovieren soll oder nicht, hängt von der angestrebten Karriere ab", sagt Schmidt. Denn die Promotion koste immer auch Zeit - in der Diplomanden ein vergleichsweise geringes Gehalt beziehen. "Nicht alle jungen Berater, Anwälte und Wirtschaftsprüfer wollen in einem Unternehmen zum Partner aufsteigen oder erreichen dieses Ziel."

Eine Top-Karriere macht man nur im großen Konzern

Falsch! Entscheidend für die Karriere sei nicht, bei welchem Unternehmen man arbeite, sondern welche Aufgaben und Entfaltungsmöglichkeiten man habe, sagt Personalberater Schmidt. "Gerade in weniger etablierten Unternehmen gibt es oftmals spannendere und weniger standardisierte Aufgaben als in Großkonzernen", so Schmidt.

Nur wer sich anpasst kommt weiter

Im Gegenteil: Eigene, gut argumentierte Überzeugungen hält Headhunter Marcus Schmidt für unabdingbar. "Wer nur mitläuft, um ja keinen Fehler zu machen, kann nichts Herausragendes leisten und wird nicht dauerhaft auf sich aufmerksam machen", so Schmidt. So könne man sich nicht profilieren oder für die nächsten Ebenen empfehlen.

Der MBA ist ein Karriere-Turbo

Die deutsche Wirtschaft zeigt ein anderes Bild: Absolventen hätten sich selten in die Führungsetage hochgearbeitet, sagt Schmidt. Anders als der Doktortitel ist der MBA zudem kein normierter akademischer Grad, seine Vergabe wird also grundsätzlich nicht staatlich geregelt oder kontrolliert. Wer Studiengebühren von bis zu 70.000 US-Dollar auf sich nehme, solle deshalb das Renommee der Schule immer überprüfen.

Ohne Examen gibt es keinen Aufstieg

Muss man heute studieren, wenn man Karriere machen will? Nein, glaubt Headhunter Marcus Schmidt. Und einige prominente Konzernlenker geben ihm recht: Telekom-Chef René Obermann etwa hat sein Studium abgebrochen, und auch Klaus-Peter Müller, bis 2008 Vorstandsvorsitzender der Commerzbank und jetziger Aufsichtsratsvorsitzender, hat nie studiert.

Gehalt ist ein untrüglicher Gradmesser des Karriereerfolgs

Die Position mit Perspektive sei nicht immer die am besten bezahlte, sagt Marcus Schmidt. So könne sich für ein renommiertes Traineeprogramm ein kurzfristiger Gehaltsverzicht durchaus auszahlen - etwa, wenn das ausbildende Unternehmen in seiner Branche als Kaderschmiede gilt.

Ein Auslandsaufenthalt fördert die weitere Karriere

Nicht immer, sagt Headhunter Marcus Schmidt - stattdessen kann der Auslandseinsatz sogar zum Nachteil werden. "Oftmals sind es die Daheimgebliebenen, die dann verbleibende Inlandsposten unter sich aufteilen". Sie säßen dann auf Stühlen, auf die Auslandsrückkehrer vergeblich spekulieren.

Der erste Job muss der richtige sein

Wer auf standardisierte Einstiegsprogramme in Unternehmen mit hohem Bekanntheitsgrad setze, müsse auch in Kauf nehmen, dass die eigene Berufslaufbahn nachgemacht wirkt, sagt Personalberater Marcus Schmidt. "Gehen Sie eigene Wege. Suchen Sie Ihren Einstieg ruhig gegen den Strich. Probieren Sie etwas aus, was sie wirklich interessiert."

Karriere macht, wer mehr als 60 Stunden pro Woche arbeitet

Falsch, glaubt Headhunter Marcus Schmidt. Ebenso wichtig wie der tatsächliche Zeiteinsatz sei der gefühlte Zeiteinsatz. Und der definiere sich auch durch die Befriedigung mit der getanen Arbeit. "Wer es schafft, aus seines Arbeit weitgehend Befriedigung zu ziehen, muss auch nicht Karriereschablonen zum persönlichen Zeiteinsatz nachjagen."

Frauen hindert die "gläserne Decke" am Aufstieg

Tatsächlich finde sich diese "gläserne Decke" vor allem in den Köpfen der männlichen Entscheider, glaubt Schmidt. Für weibliche Führungskräfte scheine sie hingegen kein Thema zu sein. "Viele Beratungsunternehmen und große Konzerne bitten uns öfter sogar explizit, nach weiblichen Kandidatinnen zu suchen."

In der Wirtschaftskrise macht man keine Karriere

"In der Krise wählen Unternehmen bei der Besetzung von Stellen zwar sorgfältiger aus. Aber sie stellen trotzdem noch ein", ist die Erfahrung von Marcus Schmidt. Gerade in Phasen des Umbruchs gebe es etwa die Chance zur Übernahme von Restrukturierungsjobs, bei denen wirklich die Fähigkeit der Verantwortlichen zählt.