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Grüne setzen auf Garantiesicherung statt Hartz IV im Wahlkampf

Die Grünen wollen Hartz IV überwinden, die Grundsicherung von ihrem Stigma befreien und entbürokratisieren. Das hat allerdings seinen Preis.

Hartz-IV-Empfänger sollen dem Sozialstaat wieder auf Augenhöhe begegnen können. Foto: dpa
Hartz-IV-Empfänger sollen dem Sozialstaat wieder auf Augenhöhe begegnen können. Foto: dpa

Die Grünen setzen eigene Akzente in der Sozialpolitik und hoffen, damit im anstehenden Bundestagswahlkampf zu punkten. Die Oppositionspartei stellte am Freitag ihr Konzept einer Garantiesicherung vor. Ziel ist, das bisherige Grundsicherungssystem individueller, unbürokratischer und weniger stigmatisierend zu gestalten. Mit dem Konzept zeige ihre Partei, „wie man ganz konkret Hartz IV überwinden kann“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anja Hajduk.

Die grüne Garantiesicherung umfasst sechs Bausteine, die – sollten sie alle umgesetzt werden – jährliche Mehrkosten „im niedrigen zweistelligen Milliardenbereich“ bedeuten würden, wie Hajduk erläuterte. So schwebt der Partei eine Neuberechnung der bisherigen Hartz-IV-Regelsätze und eine schrittweise Anhebung von aktuell 446 Euro für Alleinstehende auf gut 600 Euro vor.

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Damit Empfänger von Grundsicherung dem Staat „auf Augenhöhe“ begegnen können und das Vertrauensverhältnis zu den Jobcentern nicht gestört wird, wollen die Grünen zudem die Sanktionen bei Verstößen gegen Hartz-IV-Regeln gänzlich abschaffen, wie ihr Sprecher für Sozialpolitik, Sven Lehmann, erläuterte. Ein finanzielles Existenzminimum dürfe nicht unterschritten werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte im November 2019 die Sanktionierung von Pflichtverstößen von Hartz-IV-Empfängern zwar grundsätzlich zugelassen, einen Leistungsentzug von mehr als 30 Prozent aber für grundgesetzwidrig erklärt.

Grundsicherung am Individuum ausrichten

Statt an der sogenannten Bedarfsgemeinschaft wollen die Grünen die Grundsicherung zudem stärker am Individuum ausrichten. Als Beispiel nannte Lehmann eine Altenpflegerin und einen Tontechniker, die nicht verheiratet sind, aber zusammenleben. Nach geltendem Recht bilden sie eine Bedarfsgemeinschaft.

Sollte der Tontechniker wegen der Corona-Pandemie derzeit nicht arbeiten können und Grundsicherung beantragen, müsste zunächst die Altenpflegerin für ihn einstehen, obwohl sie selbst nicht gerade üppig verdiene, sagte Lehmann. In einem ersten Schritt wollen die Grünen deshalb die Garantiesicherung für nicht verheiratete Paare vollständig auf die jeweilige Einzelperson ausrichten. Denn unverheiratete Paare profitierten im Gegensatz zu Ehepaaren nicht von steuerlichen Vorteilen wie dem Ehegattensplitting. Zwischen ihnen gebe es auch keine Unterhaltspflicht.

Reformiert werden sollen auch die Hinzuverdienstgrenzen, da sind sich die Grünen mit der FDP einig. Bisher müssen Hartz-IV-Empfänger oberhalb eines Freibetrags von 100 Euro von jedem hinzuverdienten Euro 80 Cent oder sogar mehr abgeben. Wer arbeite, müsse aber auch mehr Geld in der Tasche haben als derjenige, der nicht arbeite, sagte der Sprecher für Arbeitsmarktpolitik, Wolfgang Strengmann-Kuhn.

Das Konzept sieht darüber hinaus noch den Verzicht auf eine Vermögensprüfung beim Bezug der Garantiesicherung vor. Eine Erklärung der Antragsteller, dass sie nicht über erhebliches Vermögen verfügen, soll ausreichen. Die Grünen wollen so beispielsweise in Not geratenen Soloselbstständigen die Angst nehmen, ihr Eigenheim verkaufen oder Ersparnisse für die Alterssicherung aufzehren zu müssen. In der Coronakrise ist die Vermögensprüfung vorübergehend ausgesetzt worden.

Wenige Schnittmengen mit den Regierungsparteien

Langfristig schwebt der Partei vor, die Garantiesicherung in das Steuersystem zu integrieren, beispielsweise über eine negative Einkommensteuer. Das Konzept, das als Antrag in den Bundestag eingebracht werden soll, sei „sehr ambitioniert“, aber in Modulen umsetzbar, sagte Lehmann.

Schnittmengen mit den Regierungsparteien sieht er nur wenige. Die Union wolle die Grundsicherung im Wesentlichen unangetastet lassen, und im Sozialstaatskonzept der SPD komme die Frage der Regelsätze oder der Sanktionierung von Hartz-IV-Empfängern nicht vor. Es gehe darum, vor allem die unteren Einkommen zu entlasten. Dies sei durchaus als Gegenprogramm zu den Plänen von Union und FDP zu verstehen, sagte Strengmann-Kuhn.

Wichtig sei aber, das Konzept zur Garantiesicherung in eine „arbeitsmarkt- und sozialpolitische Gesamtstrategie“ einzubinden, betonte Hajduk. Diese müsse dann auch Antworten auf Fragen wie den wachsenden Niedriglohnsektor oder die Stärkung des Tarifvertragssystems geben.