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„Wenn das Glas halb leer ist, sollte man nachschütten“

Walter Liebe, Senior Investment Advisor bei Pictet Asset Management, über die positive Entwicklung in den Emerging Markets, die Vorteile eines niedrigen Ölpreises und die Stärke Chinas.

Fundresearch: Die Stimmung an den Weltbörsen könnte derzeit kaum schlechter sein. Wird das Jahr 2016 als Crash-Jahr in die Geschichte eingehen?

Walter Liebe: Die Stimmung unter Börsianern ist tatsächlich angespannt. Investoren neigen aber zu Nervosität. Das (Other OTC: DASX - Nachrichten) liegt in der Natur der Sache. Wenn es nur Optimisten gäbe, würde Niemand Aktien verkaufen. Manchmal gibt es eben mehr Verkäufer als interessierte Käufer. Fakt ist aber auch: Das weltwirtschaftliche Umfeld hat sich seit den letzten Höchstständen nicht verändert. Es gibt nach wie vor eine eher lustlose Erholung und keine Euphorie bei den Unternehmensgewinnen.

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Fundresearch: Lustlosigkeit und fehlende Euphorie klingt aber nicht gerade nach aufkeimender Hausse, oder?

Walter Liebe: Es klingt nach Vorsicht. Und das ist das Gegenteil von dem, was Börsen in den Crash treibt, nämlich Unvernunft und grundloser Optimismus.Fundresearch: Pessimismus ist doch nicht gut für die Börse.

Wer nur halbvolle Gläser sieht, kauft nicht.

Walter Liebe: Ich rate zum Gegenteil. Wenn das Glas halb leer ist, sollte man nachschütten. Wenn alle Marktteilnehmer pessimistisch sind, ist ein guter Zeitpunkt, um den Pessimismus zu hinterfragen.

Fundresearch: Gerne. Wie sieht es beispielsweise mit der Entwicklung in China aus? Pessimisten sagen, der Riese wankt. Das Wachstum schrumpft, Überschuldung droht, die Exporte gehen zurück. Und zu allem Überfluss sorgt die Nachfrageschwäche der chinesischen Industrie dafür, dass die Rohstoffpreise sinken.

Walter Liebe: Man (Swiss: MAN.SW - Nachrichten) kann die Zahlen auch anders lesen. Mitte Februar lief in Hongkong über öffentliche Leuchtschriftlaufbänder die Mitteilung: Chinesischer Handelsüberschuss wächst. Zwei Tage später lautete die Überschrift in der FAZ: Chinas Außenhandel schrumpft. Was ist tatsächlich passiert? Die chinesischen Ausfuhren sind im Vergleich zum Januar des Vorjahres um 6,6 Prozent zurückgegangen, die Einfuhren sind um 14,4 Prozent gesunken. Unter dem Strich stieg der Exportüberschuss um 7,8 Prozent. Oder in absoluten Zahlen ausgedrückt: Der Handelsüberschuss, also die Differenz aus Exporten und Importen, ist auf 406,2 Milliarden Yuan (55,16 Milliarden Euro) gestiegen. Das zeigt, wie unterschiedlich die Wahrnehmung derselben Daten in Europa und in Asien sein kann.

Fundresearch: Wenn Aus- und Einfuhren sinken, klingt das aber nicht nach Wachstum.

Walter Liebe: Viele Analysten machen den Fehler, nur auf die chinesische Industrie und die Exportwirtschaft zu schauen. Die KP hat in ihrem aktuellen Fünfjahresplan aber ganz andere Ziele. Sie will den Binnenmarkt stärken, damit China weniger abhängig von seiner Exportwirtschaft wird. Der Dienstleistungssektor wächst, der Einkaufsmanagerindex im Dienstleistungsgewerbe steigt. Das ist kein Zufall, sondern gewollt. Dass Branchen wie Versicherungen, Entertainment-Firmen, Hotels oder Reiseunternehmen weniger Rohstoffe benötigen als produzierende Industriekonzerne, drückt sich natürlich in einer sinkenden Rohstoff-Nachfrage aus. Das heißt aber nicht, dass die Wirtschaft insgesamt schrumpft, sondern nur auf stabilere Füße gestellt wird. Die KP denkt langfristig. Wer als Investor (London: 0NC5.L - Nachrichten) auf China sieht, sollte den Blick ebenfalls ein wenig zum Horizont heben.

Fundresearch: Die Börse nimmt ja bekanntlich konjunkturelle Entwicklungen vorweg. Wenn das tatsächlich stimmt, dann macht der Blick auf die Kurs-Entwicklung der Aktien an den chinesischen Börsen wenig Mut.

Walter Liebe: Anders als andere internationale Börsen wird der chinesische Aktienmarkt zu rund 80 Prozent von Privatanlegern dominiert. Der (Shenzhen: 002631.SZ - Nachrichten) durchschnittliche Anleger in China ist eher ein Zocker und weniger ein Investor. Da wurde zuletzt auch viel auf Pump gezockt. Als (Düsseldorf: CP4.DU - Nachrichten) die Kurse einmal anfingen, zu taumeln, ist die Nervosität unter den Vielen, die sich verspekuliert hatten, natürlich schnell gestiegen. Dass es zu Panikverkäufen gekommen ist, überrascht in so einem Setting nicht. Mit (London: 0MBJ.L - Nachrichten) der tatsächlichen konjunkturellen Entwicklung des Landes hat das aber nur wenig zu tun.

Fundresearch: Wenn China weniger Rohstoffe importiert, hat das weltweite Auswirkungen. Die sinkenden Rohstoffpreise sorgen in einigen Ländern für große Probleme. Das (Shenzhen: 002421.SZ - Nachrichten) Ölexportland Venezuela beispielsweise kann kaum noch seinen Staatshaushalt finanzieren.

Walter Liebe: Insbesondere in Lateinamerika geraten solche Länder in Schwierigkeiten, die schlecht regiert werden. Der niedrige Ölpreis legt nur Schwachstellen offen, die mithilfe von Petrodollars lange Zeit vertuscht wurden. Aber sogar für die schlecht regierten Ölexporteure gibt es Hoffnung. Die Investitionen in neue Ölförderprojekte sind in einer Reihe von Ländern bereits so stark zurückgefahren worden, dass sich der Ölpreis bald stabilisieren sollte. Mittelfristig wird er wieder ansteigen, wie die Erfahrung der 1990er Jahre lehrt.

Fundresearch: Sie scheinen die Emerging Markets sehr kritisch zu sehen.

Walter Liebe: Nein, ganz und gar nicht. Man muss nur genau hinschauen und differenzieren. In Asien beispielsweise sind schlechte Regierungen nicht mehr so sehr das Problem. Im Gegenteil. Viele Staaten der asiatischen Emerging Markets werden mittlerweile gut gemanagt. Da gab es einige wegweisende Regierungswechsel, nicht zuletzt auch in Indien, einem der großen Wachstumsmärkte. Das wird am Kapitalmarkt honoriert. Die Anleihen-Renditen in Asien sind in den vergangenen Monaten so weit gestiegen, dass die ersten institutionellen Anleger bereits wieder zurückkommen.

Fundresearch: An den Aktienmärkten ist das aber noch nicht zu sehen.

Walter Liebe: Der Aktienmarkt braucht Wachstums- und Kursphantasie. Bei Anleihen reicht die Hoffnung auf Stabilität und dass die Schuldner nicht in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Der Aktienmarkt dort braucht deshalb noch etwas Zeit. Aber der Turnaround in den asiatischen Emerging Markets ist unserer Einschätzung nach kein Ob sondern ein Wann.

Fundresearch: Für Sie scheint das Glas also halbvoll…

Walter Liebe: Der Pegel ist auf jeden Fall niedrig genug, um wieder aufgefüllt werden zu können.

(MvA) Matthias von Arnim