Geleakte Microsoft-Dokumente zeigen, dass Manager die Leistungen ihrer Mitarbeiter offenbar schlechter bewerten sollen, um höhere Gehälter zu begrenzen
Microsoft will offenbar in seinen Mitarbeiter-Beurteilungen verhindern, dass zu viele in einem Team gut bewertet werden – und damit höhere Gehaltsstufen erreichen. Das geht aus Gesprächen mit Mitarbeitenden und internen Microsoft-Dokumenten hervor, die Business Insider vorliegen.
Konkret soll das Unternehmen seine Manager seit der Einführung eines neuen Bewertungssystems in diesem Jahr bitten, die Einstufungen der einzelnen Mitarbeiter jeweils an die Platzierungen anderer Teammitglieder anzupassen. Einige Mitarbeiter haben den Anpassungsprozess deshalb mit der umstrittenen Praxis des "Stack-Rankings" verglichen, bei dem Manager die Mitarbeiter auf einer erzwungenen Kurve im Vergleich zu ihren Kollegen einstufen.
Das neue Bewertungssystem erinnert an ein unpopuläres aus der Vergangenheit, so Mitarbeiter
Dabei handelt es sich um ein Ranking, das schon in der Vergangenheit im Microsoft-Konzern im Einsatz war, damals noch unter Microsoft-CEO Steve Ballmer. Das Prinzip des Rankings ging so: Die Manager mussten die Mitarbeiter auf einer Skala von 1 bis 5 einstufen, und jemand musste die niedrigste Punktzahl erreichen. Es war intern höchst unpopulär und das Unternehmen gab es Ende 2013 offiziell auf, bevor der langjährige "Softie" und derzeitige CEO Satya Nadella Anfang 2014 das Ruder übernahm.
Einige Mitarbeiter haben nun das Gefühl, dass der Kern des Stack-Rankings nun mit den Anweisungen des Unternehmens an die Manager, wie die diesjährigen Mitarbeitergespräche zu handhaben sind, zurückgekehrt ist.
"Was wir den Mitarbeitern erzählen, ist absoluter Mist", sagte eine Person, die mit dem diesjährigen Beurteilungsprozess zu tun hatte, Business Insider. "In erster Linie sagt Microsoft den Mitarbeitern, dass sie nicht das Stack-Ranking nicht mehr einsetzen würden. Das ist nicht wahr."
Manager sollen mit ihren Mitarbeitern nicht über die Platzierungen auf der Bewertungsskala sprechen
In diesem Jahr bewerteten die Microsoft-Manager ihre Mitarbeiter auf einer Skala von null bis 200, so wie sie es schon früher getan haben. Die Skala heißt "ManageRewards-Slider", übersetzt ein Schieberegler für Belohnungen. Microsoft weist seine Manager an, diese Skala nicht weiterzugeben oder den Mitarbeitern ihre Punktzahl mitzuteilen, die als "Tickmark" bezeichnet wird.
In einem internen Dokument heißt es dazu: "Sprechen Sie mit Ihren direkten Mitarbeitern nicht über die Platzierung auf der Skala des ManageRewards-Sliders oder über die Tickmarks". Die Tickmarks seien nicht als Bewertungen oder als Labels gedacht, sondern als Möglichkeit für Manager Belohnungen einheitlich im gesamten Unternehmen zu empfehlen, anhand des Einsatzes und Engagements einzelner Mitarbeiter.
Wie der jährliche Bewertungsprozess abläuft
Angefangen hatte der jährliche Bewertungszyklus bei Microsoft mit Leistungsüberprüfungen im April. Ab Mitte August folgen Mitteilungen darüber, wie sich die Leistung auf die Vergütung auswirkt und resultieren dann in einer Auszahlung, die am 13. September erfolgt sein soll.
Der Prozess beginnt mit den Managern an der vordersten Front, die den Einfluss eines Mitarbeiters bewerten und empfehlen. Sie bestimmen darüber, wo diese ihrer Meinung nach auf dem Schieberegler landen sollten. Dann prüft ein anderer höherer Manager, wo die Mitarbeiter zur "Differenzierung" landen, um sicherzustellen, dass das Team entlang des Schiebereglers verteilt ist. Durchschnittliche Leistungsträger landen bei einer Punkteanzahl von etwa 100, während null, 60 und 80 niedrigere Leistungsträger sind und 120, 140 und 200 höhere Leistungsträger sind.
Ein Microsoft-Sprecher bestätigte, dass Manager ermutigt werden, zu differenzieren, aber nur, um Leistungsträger zu belohnen. Es gibt keine Quoten für Mitarbeiter, die als niedrig eingestuft werden sollen, und die Manager müssten nur innerhalb des Budgets bleiben.
Ein Microsoft-Manager erzählt, er habe Mitarbeiter mit niedrigerer Punktezahl bewerten müssen
Ein Microsoft-Manager, der das Verfahren mit einem Stapel-Ranking verglich, widerspricht diesen offiziellen Aussagen seiner Firma. Er erklärt Business Insider, dass die Versetzung von Mitarbeitern in niedrigere Ränge zu einer Notwendigkeit in der Praxis werde. Nachdem er angewiesen wurde, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter in seinem Team über den Schieberegler hinweg "differenziert" werden, musste er Mitarbeiter auf eine niedrigere Punktzahl versetzen, als sie verdienten, um im Budget Platz für Gehaltserhöhungen für Mitarbeiter zu schaffen, die seiner vorgesetzten Führungskraft mehr am Herzen lagen.
Im Detail sieht der Schieberegler dabei folgende Bewertungen vor: "Lower Impact Than Expected (LITE)" (übersetzt: geringeres Engagement als erwartet), "Slightly Lower Impact Than Expected (SLITE)" (übersetzt: ein wenig geringeres Engagement als erwartet), "Successful Impact" (erfolgreiches Engagement) und "Exceptional Impact" (übersetzt: außergewöhnliches Engagement). Ein internes Dokument, das von Business Insider eingesehen wurde, zeigt, dass "Successful Impact", definiert als erfolgreiche Leistung in allen Aspekten ihrer Arbeit und "außergewöhnliche" Leistung in einigen Bereichen, in der Mitte der Skala liegt.
"Wenn der Mitarbeiter eine erfolgreiche Leistung erbracht hat, wird seine Belohnung in der Mitte des möglichen Bereichs liegen", heißt es in dem Dokument. Und weiter: "Wenn der Mitarbeiter eine etwas geringere Wirkung erzielt hat als erwartet, liegt seine Vergütung unterhalb der Mitte des Rankings."
Schon im Mai wies Microsofts Personalchefin Manager an, weniger Mitarbeiter zu belohnen
Zum Hintergrund: Das neue Bewertungssystem wurde eingeführt, nachdem Microsoft im Mai dieses Jahres Gehaltserhöhungen pausierte und sein Budget für Prämien und Aktienprämien gekürzt hatte. Microsoft-Personalchefin Kathleen Hogan wies schon damals die Manager an, weniger Mitarbeitern "außergewöhnliche Belohnungen" zu geben, das heißt eine hohe Leistungsbewertung, die zu höheren Gehältern und Boni führt. "Mehr wird in der Mitte der Spanne liegen müssen", sagte Hogan in der E-Mail.
Microsoft wies die Manager außerdem an, diese Budgetkürzungen nicht mit den Mitarbeitern während ihrer Leistungsbeurteilung zu besprechen. Weiterhin sollten Manager, Budgetkürzungen nicht als "Erklärung" für Vergütungsentscheidungen für einzelne Mitarbeiter verwenden und stattdessen betonen, dass der eigene "Einfluss" des Mitarbeiters die "Belohnung" bestimme.
Den Text könnt ihr hier in Originalversion lesen. Er wurde von Joana Lehner aus dem Englischen übersetzt.